Skandalaktien aus China Die Bankraub-AGs

Immer wieder sind kleine chinesische Unternehmen an der Frankfurter Börse in Skandale verstrickt. Wer in Firmen aus dem Reich der Mitte investieren will, sollte sich lieber große Werte an den Heimatbörsen suchen.

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Mann mit Geldkoffer läuft davon Quelle: Getty Images

27 Millionen Treffer spuckt Google aus, wenn man nach News zu Alibaba sucht. Das Unternehmen ist damit sogar präsenter in den Medien als die Ukraine-Krise. Der Börsengang von Alibaba an der New York Stock Exchange am Freitag war der größte der Geschichte: 25 Milliarden Dollar nahm das Unternehmen ein.

Im Alibaba-Trubel geht jedoch unter, dass auch in Frankfurt Unternehmen aus dem Reich der Mitte für Aufsehen sorgen - allerdings im negativen Sinn. Das chinesische Unternehmen Ultrasonic zum Beispiel stellt in China Schuhe für den heimischen Markt her und ist im Prime Standard der Deutschen Börse gelistet. Doch die Ad-Hoc-Mitteilungen der vergangenen Tage lesen sich wie eine Chronologie des Chaos.

Am 12. September teilt das Unternehmen mit, dass der Leiter des operativen Geschäfts aus gesundheitlichen Gründen zurücktrete. Auch der Finanzvorstand verlasse das Unternehmen – der Familie wegen.  

Mit dem Geld geflohen

Dann folgt die Meldung, dass auch noch der dritte Vorstand im Bunde, der Vorstandsvorsitzende, verschwunden ist - gemeinsam mit dem Leiter des operativen Geschäfts. Allerdings nicht ohne nahezu die gesamten Barmittel des Unternehmens mitzunehmen.

Und die waren nicht gering: Zum 30. Juni verfügte Ultrasonic nach eigenen Angaben über gut 130 Millionen Euro Cash. Trotzdem hat die Firma kurz vor der Flucht des Vorstands noch einen Kredit über 60 Millionen US-Dollar aufgenommen. Inzwischen befinde sich das Geld „außerhalb der Reichweite des Unternehmens“, teilte Ultrasonic vor wenigen Tagen vielsagend mit.

Damit nicht genug. Die nächste Unternehmensmitteilung zwei Tage später trägt die Überschrift: „Kredit fällig gestellt, Insolvenz droht“. Der Kreditgeber des 60-Millionen-Euro-Kredits hat die Kreditlinien gekündigt und will das Geld samt Zinsen wieder haben.

Jetzt kommen die verbliebenen Manager bei Ultrasonic ins Schwitzen und müssen das Geld schnell auftreiben, sonst ist die Firma pleite. Am Wochenende dann eine weitere Meldung. Der flüchtige Chef habe sich gemeldet und wolle das Geld wiederbeschaffen, teilt die Konsortialbank BankM am Montag mit. Heute notiert die Aktie prompt mehr als 100 Prozent im Plus. Seit Beginn der Turbulenzen steht aber trotzdem noch ein Minus von zwei Dritteln des Kurses.  

Dabei wies die Firma im Juni im Halbjahresbericht liquide Mittel von 135 Millionen Euro aus, die Eigenkapitalquote lag dem Zahlenwerk zufolge bei fast 90 Prozent. Zweieinhalb Monate später soll all das weg sein. Stutzig hätten die Anleger aber bereits vorher werden können.

Vor knapp einem Jahr hat der nun flüchtige Vorstandsvorsitzende Qingyong Wu 2,6 Millionen seiner über acht Millionen Aktien verkauft – außerhalb der Börse. 18,4 Millionen Euro hat er o kassiert. Wu verfügte beim Börsengang 2011 insgesamt über drei Viertel der Ultrasonic-Aktien, sein Aktienpaket war damals rund 74 Millionen Euro wert. Dass er sich bereits vor einem Jahr von einem so großen Teil seiner Anteile trennte, zeugt nicht unbedingt von Vertrauen in das eigene Unternehmen.

Barmittel wie bei einem Bankräuber

Außerdem nutzte die Firma ihre ausgewiesenen Gewinne auf merkwürdige Weise. Statt Geld auszuschütten oder in Produktionsanlagen zu investieren, häufte das Unternehmen über Jahre riesige Barreserven an. Von 200 Millionen Euro Bilanzsumme waren im Juni zwei Drittel Barmittel.

Derart hohe Cash-Quoten haben hierzulande allenfalls erfolgreiche Bankräuber, aber keine Industrieunternehmen. Denn das Bargeld bringt – im Gegensatz etwa zu neuen Maschinen und Fabriken – keine nennenswerte Rendite. Bei Ultrasonic hat der kriminelle Chef mit seinem Komplizen die ungewöhnliche Vermögenssituation offenbar genutzt, um das Geld außer Landes zu bringen. Obwohl Wu inzwischen wieder aufgetaucht ist, hat der Aufsichtsratschef der deutschen AG, Johannes Mauser, weder genaue Informationen zur aktuellen Situation in China noch hat das Unternehmen Zugriff auf das Geld. Der liege weiterhin bei Wu, erklärt Mauser. Im Moment verhandle Ultrasonic mit der Bank ein Zahlungsmoratorium, um Zeit zu gewinnen, das verschwundene Geld aufzutreiben.

Andere Firmen aus China, die in Frankfurt gelistet sind, haben ähnlich viel Geld in bar vorrätig wie Ultrasonic. Ming Le Sports (Sportartikel), China Specialty Glass (Sicherheitsglas) und Youbisheng Green Paper (Recycling-Papier) wiesen 2013 zwischen 30 und über 50 Prozent des gesamten Unternehmensvermögens als Barmittel aus.

Bei den ersten beiden gab es in diesem Jahr Streit mit dem Wirtschaftsprüfer Warth & Klein Grant Thornton, weil einige Buchungen in der Bilanz nicht belegbar waren. Ihr Aktienkurs ist inzwischen böse abgeschmiert. Die dritte Firma, Youbisheng, ist ganz pleite.

Wie beim aktuellen Fall Ultrasonic hat sich hier der Vorstandschef aus dem Staub gemacht. Der Verdacht liegt nahe, dass die schönen Zahlen aus den Geschäftsberichten mit deutlich zweistelligen Gewinnmargen, hoher Eigenkapitalquote und solidem Umsatzwachstum nicht viel mit der Realität zu tun haben. Jedenfalls in den oben genannten Fällen.

Fragwürdige Dividendenpolitik

Bei Ultrasonic versichert man hingegen, dass die Zahlen stimmen. „Der Abschluss von Ultrasonic wurde wegen der Unregelmäßigkeiten bei anderen China-AGs eigens noch einmal von der Deutschen Prüfstelle für Rechnungswesen untersucht“, erklärt Dirk Blumhoff von der BankM, die den Börsengang von Ultrasonic begleitet hat.

Stutzig macht neben der hohen Cashquote auch die Dividendenpolitik. Jahrelang wies das Unternehmen satte Gewinne aus, eine Bardividende zahlte es aber nie. „Das war der ausdrückliche Wunsch der Investoren“, sagt Blumhoff.

Kein Wunder: Mehrheitseigner war der nun flüchtige Chef Wu. Er hat statt einer Bardividende lieber neue Aktien emittiert und an die Aktionäre ausgegeben. Dadurch floss kein Kapital aus dem Unternehmen ab und Wu konnte bei seiner Flucht alles mitnehmen. Bei einer Barausschüttung hätte er die Dividende mit anderen Anteilseignern teilen müssen. Außerdem setzt eine Barausschüttung voraus, dass das Geld tatsächlich da ist. Ist die schmucke Bilanz aber nur ein Luftgebilde, lässt sich das mit einer Ausschüttungspolitik wie bei Ultrasonic kaschieren.

Fehlende Dividende ist ein Warnhinweis

Auch viele andere China-AGs in Frankfurt weisen hohe Gewinne aus, zahlen aber keine Dividende. Das sollte ein deutlicher Warnhinweis sein. Von diesen chinesischen AGs, die in Frankfurt gelistet sind, sollten Anleger die Finger lassen. Auch, wenn die Zahlen noch so schön sind.

Wer in Unternehmen aus dem Reich der Mitte investieren will, sollte sich an große Namen wie China Mobile oder Petrochina halten. Die sind an ihrer Heimatbörsen in Shanghai und Hong Kong gelistet und unterliegen der chinesischen Justiz. Das bietet gegenüber deutschen AGs den Vorteil, dass die chinesischen Behörden Betrugsfälle auch verfolgen, weil auch chinesische Investoren betroffen sind.

Auch die Größe dieser Adressen schützt vor Betrug. Denn hier ist die mediale Aufmerksamkeit höher und institutionelle Anleger wie Fonds oder Versicherungen halten Anteile an den Unternehmen. Der chinesische Ölkonzern Petrochina ist mit einer Marktkapitalisierung von rund 240 Milliarden Dollar in einer anderen Liga als die China-AGs an der Deutschen Börse, die es maximal auf ein Tausendstel dieser Summe bringen.

Mit einer Eigenkapitalquote knapp unter 50 Prozent ist Petrochina solide finanziert, weist aber im Gegensatz zu den chinesischen AGs in Deutschland zum Jahresende 2013 nur einen Cash-Bestand von knapp vier Prozent der Bilanzsumme aus. Hier arbeitet das Geld im Unternehmen und liegt nicht auf dem Konto. Die Firma zahlt ihren Aktionären zudem seit Jahren eine Dividende.

Das tut auch China Mobile. Die Telekom-Firma hat weltweit die meisten Kunden und ist an der Börse 245 Milliarden US-Dollar wert. China Mobile gehört zu etwa 75 Prozent dem chinesischen Staat, die restlichen Anteile befinden sich im Freiverkehr. Auch hier bewegt sich der Bestand an liquiden Mitteln mit etwas mehr als zehn Prozent im normalen Bereich und das Unternehmen ist solide finanziert.

Vorsicht ist hingegen bei Alibaba geboten: Der von großem Hype begleitete Börsengang verschafft Anlegern lediglich Anteile an einer Holding auf den Cayman-Islands, die Konzernstruktur ist unübersichtlich. Wichtige Lizenzen bleiben zudem bei Chef Jack Ma und seiner Clique, die Aktionäre bei Entscheidungen außen vor. Deshalb ist das Papier eher für Zocker, nicht aber für risikobewusste Anleger geeignet. Bei chinesischen Aktien sollten Investoren also in jedem Fall ganz genau hinschauen.

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