Der Frankfurter Analyst, der ihn seit 15 Jahren kennt, kann sich am Telefon das Lachen nicht verkneifen: „Der Florian ist wieder aufgetaucht, er bereut alles und ist fromm geworden. Im Ernst, kaufen Sie ihm das ab?“
Hedgefondsmanager Florian Homm, der am 18. September 2007 verschwunden war, unter Zurücklassung eines einst milliardenschweren Aktien-Trümmerhaufens, meldete sich in der ersten Novemberwoche spektakulär zurück – mit einer Mega-PR-Kampagne, die wohl vor allem dem Erscheinen seines Bekenntnis-Buches („Kopf Geld Jagd“) geschuldet war. Unter konspirativen Umständen trafen sich „Financial Times Deutschland“, „FAZ“, „Spiegel Online“ und „Stern“ mit Homm in Paris.
„Ganz schön geheimnisvoll und exklusiv, was unsere Lieblings-Leitmedien in dieser Woche da so investigativ ausgegraben haben“, spottete der Branchendienst „Meedia“. Der Aufwand hatte sich gelohnt, jedenfalls für Homm und seinen Verleger Christian Jund. Seitenweise konnte sich Homm über seine zeitweise desolate seelische Verfassung auslassen, über die „menschenverachtende Kopfgeldjagd“ auf ihn, über Frauen und Familie, über sein Ex-Investment Borussia Dortmund und vor allem über seine Läuterung – hin zu einem bescheidenen Lebensstil und karitativen Projekten, weg von der Jagd nach dem schnöden Mammon, eine „Wandlung vom Saulus zum Paulus“.
Sehr wenig sagte er dagegen zu den konkreten Vorwürfen, die sein ehemaliger Arbeitgeber, angeblich im Namen seiner Fondsinvestoren, und vor allem die US-Börsenaufsicht SEC an ihn richten – wohl auch, weil er nicht gefragt wurde. Dabei sind die Vorwürfe sehr konkret, minutiös belegt und gravierend. Am 31. Oktober, genau eine Woche bevor Homms Wiederauftauchen publik wurde, hat die SEC vor dem Distriktgericht von Kalifornien ein Versäumnisurteil („Judgment by Default“) gegen Homm beantragt.
Weil der sich zu einer schon im Februar 2011 eingereichten Klage der SEC nie geäußert hatte, will die Behörde nun offenbar kurzen Prozess machen. Sie beschuldigt Homm des Aktienbetrugs und des Betrugs als Investmentberater der Hedgefonds, die von seiner Fondsholding Absolute Capital Management geführt wurden.
Mithilfe des Brokers Hunter World Markets, der aus der US-Tochter von Homms ehemaliger deutschen Firma VMR hervorgegangen war, habe er „Hunderte von Handelsgeschäften“ manipuliert. Homm hielt die Hälfte der Anteile von Hunter und kassierte die Hälfte der Einnahmen des Brokers.
24,9 Millionen Dollar Beute
Seine Gewinne aus den Betrugsgeschäften zwischen September 2005 und seinem fluchtartigen Ausscheiden bei Absolute Capital am 18. September 2007 beziffert die SEC auf 24,9 Millionen Dollar. Die solle er zurückzahlen, plus Zinsen von 6,1 Millionen Dollar. Noch einmal 24,9 Millionen Dollar solle das Gericht als Zivilstrafe verhängen – insgesamt wären dies knapp 56 Millionen Dollar gleich 44 Millionen Euro.
Dass er es vorgezogen habe, in dem Verfahren nicht zu erscheinen, spielt nach US-Recht für die Höhe der Strafe ebenso eine Rolle wie die Gefahr, dass er auch in Zukunft die Wertpapiergesetze verletzen könne.
Homms Bekundungen, er bereue vieles, werde sich dem Prozess stellen, und es sei „absolut undenkbar“, dass er noch mal ins Wertpapiergeschäft zurückkehren werde, könnten vor diesem Hintergrund als Versuch gewertet werden, die US-Richter milde zu stimmen.
Außerdem signalisiert er hartnäckig, dass bei ihm, der einst 300 bis 400 Millionen Euro schwer gewesen sei, nichts mehr zu holen sei. „Scheidung, Aktiengewährung, Markteinbrüche, räuberische Treuhänder, eingefrorene Konten, Notverkäufe, Kosten für Dokumentation und Administration und der Verkauf notleidender Vermögenswerte haben mein einstiges Vermögen fast vollständig vernichtet“, schreibt er im Buch.
Die Titanen der Hedge-Fonds
Das New York Magazin kürte Winslow 1968 zum „Big Daddy“ der Branche. 1949 hatte er den „abgesicherten Fonds“ erfunden und große Gewinne eingefahren. Er veränderte wie viele Hedge-Fonds-Titanen die Finanzbranche. Kapital wurde nicht mehr nur von Treuhändern verwaltet, sondern aktiv verwaltet.
Die erste Ära der Hedge-Fonds wurde von der Baisse Anfang der 70er-Jahre jäh beendet. Michael Steinhardt war einer der Ersten, die danach wieder aufstanden und wurde zur Legende. Dank einer harten Kindheit in Brooklyn unter der Knute eines spielsüchtigen Vaters entwickelte er sich zum „heißesten Analysten der Wall Street“. 1994 verlor er Steinhardt aber sehr viel Geld bei einem „Blutbad“, das auf das Wirken vom damaligen Fed-Chef Alan Greenspan zurückging.
An Steinhardts Seite standen Jerold Fine und Howard Berkowitz. Das Trio gründete 1967 ihren Hedge-Fonds – vorher waren sie Broker gewesen. Die Drei stellten einen Poolbillard-Tisch in ihr Büro und verkündeten die „Überlegenheit der Jugend“. Ihr Erfolg demonstrierte eindrucksvoll die Möglichkeit der antizyklischen Vorgehensweise.
Weymars Karriere begann mit seiner Doktorarbeit, in der er eine Methode entwickelte, Kakaopreise zu antizipieren. Er galt als äußerst ehrgeizig, aber auch ein wenig größenwahnsinnig. Doch der Mangel an Selbstzweifel hat ihm viel Geld eingebracht. Er gründete rasch seine eigene Firma – gemeinsam mit Frank Vannersen. Außerdem inspirierte Weymar den Nobelpreisträger Paul Samuelson.
Marcus hatte eine denkbar schlechte Eignung für einen Hedge-Fonds-Manager: Er hatte keine Ahnung von Computern und noch weniger von Mathematik. Aber als er in Weymars Firma kam, hatte er großen Erfolg. Marcus zeigte eine furchtsame Selbstkontrolle. Und setzte Weymars ursprüngliches Konzept außer Kraft. Er perfektionierte die Kunst des Tradings nach Chartsignalen.
Der berühmteste, aber auch berüchtigtste Hede-Fonds-Manager aller Zeiten: Als der junge Ungar 1949 an der London School of Economics ankam, hatte er schon viel durchgemacht: Der Jude entkam den Nazis nur mit Mühe und hatte die Grauen des Krieges intensiv mitbekommen. In London verschmolz er sein eigenes Wissen mit Karl Poppers Ideen. Erst 1973, nach vielen Jahren, wurde der Wirtschaftswissenschaftler zum Hedge-Fonds-Manager. 1978 wurde der Soros Fund in Quantum Funds umbenannt, der Rest ist Geschichte. Berühmt wurde Soros im Jahr 1992 mit seiner Spekulation gegen das britische Pfund.
Bacon war ein besonders stiller Vertreter der Hedge-Fonds-Branche, die ohnehin nicht mit Exzentrikern überfrachtet ist. Journalisten beschrieben ihn stets als „skurrile Figur hinter einer Wand aus Monitoren“. Am Ende seiner Karriere kaufte er sich eine Insel und hatte dann das geschafft, was vorher eigentlich auch schon galt: Er war maximal isoliert.
Robinson war ein spezieller Typ: Er hatte den Charme eines Südstaatlers, aber auch das Netzwerk eines New-Yorkers. Voller Selbstvertrauen, extrovertiert und athletisch. Inspiriert von Steinhardt und Soros gründete er 1980 im fortgeschrittenen Alter von 48 Jahren den Hedge-Fonds „Tiger“. Bis zum Höhepunkt 1998 verdiente „Tiger“ nach Abzug der Gebühren 31,7 Prozent jährlich.
Die späten 80er-Jahre markierten einen Wendepunkt für die Hedge-Fonds. Die Branche war beinahe ausgelöscht, es gab nur noch wenige Fonds mit unbedeutenden Mengen an Kapital. Doch dann entstanden neue Titanen, einer von ihnen war Paul Tudor James II., Sohn eines Baumwollhändlers. Er hatte gelernt, Trading als psychologisches Spiel und als Bluff in hoher Geschwindigkeit zu begreifen.
Im Herbst 1988 konnte Druckenmiller den Angeboten von George Soros nicht mehr wiederstehen und heuerte bei ihm an. Die beiden waren sehr unterschiedliche Persönlichkeiten, passten als Investoren aber perfekt zusammen. Neben einem guten Gespür für Aktien brachte der gelernte Analyst ein starkes Verständnis für Währungen und Zinsen mit.
Meriwether ist neben George Soros der bekannte Gründer eines Hedge-Fonds – nämlich des Long-Term Capital Management (LTCM). Er war in jungen Jahren einer der ersten Manager an der Wall Street, der das Potenzial neuartiger Finanzprodukte erkannte. Sein Rüstzeug lernte er als Star bei der Bank Solomon Brothers. 1994 gründete Meriwether dann seinen Fonds. Das spezielle Vorgehen – LTCM wette vor allem auf die Entwicklung der Renditeunterschiede zwischen verschiedenen Anleihen – war zunächst äußerst lukrativ. Im Jahr 1998 kam jedoch die Wende, da sich LTCM in der Russland-Krise massiv verspekulierte. LTCM kollabierte und erschütterte die Kapitalmärkte. Der Fonds musste schließlich aufgefangen werden, um eine Finanzkrise zu verhindern. Meriwether wurde danach Selbstüberschätzung vorgeworfen.
Swensen war der Pionier des Ansatzes, Hedge-Fonds mit Stiftungen zu kombinieren. Der asketische Mann aus dem Mittleren Westen war besessen von seinem Sinn für Moral – und hatte eine große Leidenschaft für das Finanzwesen. Als Swensen die Yale-Stiftung übernahm, war diese zu über 80 Prozent in US-Aktien und –Anleihen investiert. Swensen war von der Gestaltung der Hedge-Fonds beeindruckt, wollte den Managern aber nicht dabei helfen, noch reicher zu werden. Er fand in Tom Steyer den richtigen Mann, um im Sinne der Stiftung viel Geld zu verdienen.
Es mag an seinem Allerweltsnamen liegen: Simons war Mitte der 2000er-Jahre sicher nicht der berühmteste Milliardär der Welt, aber wohl der klügste von ihnen. Sein Hedge-Fonds Renaissance Technologies ist der wahrscheinlich erfolgreichste aller Zeiten. Der Vorzeigefonds Medaillon verdiente zwischen 1989 und 2006 eine jährliche Rendite von 39 Prozent.
Chanos leitete den Hedge-Fonds Kynikos Associates, dessen Spezialität es war, nach finanziellen Leichen im Keller von Unternehmen zu suchen und auf Leerverkäufe zu setzen. Der schwache Markt der 2000er-Jahre war für Chanos ein Paradies. Und natürlich boten auch die Jahre 2007 und folgende für ihn so manche Chance.
Sein vermeintlicher Reichtum sei auf ein „Almosen“ zusammengeschrumpft.
„Was mir noch bleibt, macht nicht einmal zwei Prozent dessen aus, was ich zu meinen besten Zeiten besessen habe, und ist eine Verfolgung kaum wert.“ Weniger als sechs Millionen Euro dürften in der Tat kaum reichen, sollte das Gericht der SEC folgen. Damit rechnet Homm natürlich nicht. Er streitet die Vorwürfe komplett ab. Wie aber sollen Homm, sein Kompagnon bei Hunter, Todd Ficeto, und sein Chefhändler H. die Hedgefonds ausgenommen und laut SEC „mindestens 63,7 Millionen Dollar“ ergaunert haben?
Die US-Aufseher haben laut Akten drei illegale Praktiken entdeckt:
Abgesprochene Aufträge („Matched Orders“): Homms Händler H., Ficeto und ein Händler von Hunter sollen Hunderte von Aktiengeschäften abgesprochen haben, um Kurse von fast nur von ihnen gehandelten Mini-Unternehmen hochzuziehen. Zu diesen gehörten Pro Elite (Sportvermarktung), Micromed (Mini-Herzpumpen), Berman (Sexberatung für Frauen) und der Caféhausbetreiber JavaDetour.
Schlusskurs-Manipulation: Die Fonds und Hunter sollen durch große abgesprochene Transaktionen gegen Handelsende häufig den offiziellen Schlusskurs von Aktien nach oben getrieben haben. Zum Monatsende konnten die Aktien dann überteuert in den Fonds verbucht werden, dadurch sei zeitweise deren Monats-Performance vom negativen Bereich ins Plus gedreht worden. Zusätzlich seien Geschäfte zurückdatiert worden, um Gewinne der Fonds vorzutäuschen. Von einem besseren Abschneiden der Fonds profitierte die Fondsgesellschaft Absolute Capital: Gute Zahlen zogen mehr Investorengelder an und erhöhten die Provisionen, die Absolute Capital einnahm, was wiederum deren Aktienkurs steigerte.
- Sinnlose Transaktionen („Wash Trades“): Mindestens achtmal sollen die Beschuldigten Aktienpakete gehandelt haben, ohne dass diese am Ende den Besitzer gewechselt hätten. Die Deals seien ökonomisch sinnlos, aber geeignet gewesen, Kurse nach oben zu schieben und Hunter kräftige Gebühreneinnahmen zu verschaffen (siehe Tabelle unten). Zeitweise waren die Kleinstunternehmen dank dieser Deals heillos überbewertet.
Fast gratis Aktien gekauft
In einer bereits früher von seiner Ex-Gesellschaft Absolute Capital im Namen der Hedgefonds eingereichten Klage heißt es zudem, Homm und andere hätten die Fonds veranlasst, Milliarden von Penny Stocks direkt von den Unternehmen zu kaufen. Zusätzlich hätten sie sich persönlich fast gratis Aktien besorgt, die sie dann teuer an die Fonds verkauften.
Diese Klage wurde zwar wegen Nichtzuständigkeit des Gerichts abgewiesen – Homm ist Deutscher, die Fonds waren auf den Cayman Islands gemeldet, und die Geschäfte liefen nicht über regulierte US-Börsen. Die Fondsvertreter bekamen aber die Erlaubnis, ihre Klage nachzubessern, und haben dies im Juli 2006 auch getan.
Homm sagt, er habe Aktien mit mindestens 50 Prozent Abschlag zugunsten der Fonds abgegeben. Von den fraglichen Geschäften habe er weder gewusst noch sie angeordnet oder profitiert (siehe Interview Seite 109). Zum einen ist das zweifelhaft. Er selbst schreibt in seinem Buch: „Ich hatte nicht einmal ein eigenes Büro. Mein Schreibtisch stand wenige Meter von zehn anderen Händlern und Analysten entfernt.“ Schon deshalb dürfte er Transaktionen mitbekommen haben.
Zum anderen hat er, als Großaktionär der Holding Absolute Capital und als 50-Prozent-Besitzer des Brokers Hunter, gleich doppelt profitiert. Laut SEC flossen von September 2005 bis September 2007 rund 22,4 Millionen Dollar (17,5 Millionen Euro) von Hunter auf Homms Konten, zudem kassierte er rund 19,7 Millionen Euro Dividenden. Seine Liechtensteiner Gesellschaft CSI verkaufte 2006 und 2007 außerdem Absolute-Capital-Aktien für rund 31 Millionen Euro. Allein diese drei Posten addieren sich auf 68 Millionen Euro Cash.
Nicht profitieren sieht anders aus.
Homm scheint jetzt entschlossen, der US-Justiz nicht mehr auszuweichen. Sein Anwalt Adam Kravitz hat zwei Schriftsätze eingereicht, die im Wesentlichen sagen, dass die US-Justiz doch nicht zuständig sei und Homm in den vergangenen Jahren durchaus für Gerichte und Behörden erreichbar gewesen sei. Zum Teil stimmt dies offenbar: Vor etwa zwei Jahren war der angeblich Verschollene in Köln bei einem Schiedsgerichtsverfahren um das Biotech-Unternehmen Mologen aufgetreten.