Spotify, Amazon, Apple, Google Wie kreative Zerstörer die Medien-Branche aufmischen

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Der große Testfall

Gibt es ein Überleben in der Internet-Welt für ein Geschäft, das auf dem Verkauf geistigen Eigentums beruht? An dieser Frage scheiden sich im Moment die Geister. US-Starökonom Jeremy Rifkin sieht eine „neue Kultur des Teilens“ im Netz, die tradierte Geschäftsmodelle der Musik-, Film-, Buch- und Zeitungsindustrie „ausradieren“ werde. Dagegen glaubt Bird von McKinsey: „Mehr Menschen als je zuvor konsumieren dank Internet Musik, Film und Texte; das sind goldene Zeiten für Inhalteanbieter – wenn sie die richtigen Formate finden.“

Die Musikindustrie jedenfalls gilt als „der große Testfall, auf den die Manager der anderen Branchen mit einer Mischung aus Angst und Faszination schauen“, sagt Christoph Zeh, Analyst für Medien beim Marktforschungsinstitut GfK in Nürnberg. Sie wurde gut zehn Jahre früher als andere Medien von der Gratiskultur im Netz erfasst: „Musikdateien sind – verglichen etwa mit Film – relativ klein; man konnte sie schon Ende der Neunziger leicht illegal aus dem Netz ziehen, als Bandweite und Geschwindigkeit noch echte Hindernisse waren“, sagt James McQuivey, Analyst beim IT-Trendforscher Forrester und Autor des US-Bestsellers „Digital Disruption“.

Das Geschäft mit dem Musik-Streaming

Die Folge: Weltweit fielen die Umsätze mit aufgezeichneter Musik (ohne Konzertgeschäft) von 26 Milliarden 1999 auf 15 Milliarden Dollar 2013; die Zahl der weltweit agierenden, alle Genres abdeckenden Musikverlage (Major Labels) halbierte sich von sechs auf drei. Nun ruhen die Hoffnungen auf den digitalen Streaming-Abos, deren Umsatz und Nutzerzahlen gerade rapide wachsen. 2013 stieg der Streaming-Umsatz weltweit um 51 Prozent, auf zuletzt 1,11 Milliarden Dollar, sagt Christina Boettner, leitende Marktforscherin des globalen Dachverbandes der Phonoindustrie IFPI. Die Zahl der zahlenden Kunden wuchs um 40 Prozent auf 28 Millionen.

Nutznießer sind nicht zuletzt die Labels selbst, denn die Streaming-Dienste geben 55 bis 70 Prozent ihres Umsatzes an die Plattenfirmen weiter. Allein Marktführer Spotify hat seit 2008 mehr als eine Milliarde Dollar Lizenzgebühren ausgeschüttet. Bei Sony stieg der Streaming-Umsatz 2013 um 130 Prozent. Warner Music meldete vergangene Woche 26 Prozent plus beim Digital-Umsatz auf 324 Millionen Dollar im letzten Quartal. 41 Prozent des Umsatzes sind bei Warner inzwischen rein digital (auch eine CD ist streng genommen digital, gemeint sind nicht-physische Formen wie Streaming und MP3-Downloads). „In einigen Ländern mit hoher Smartphone-Durchdringung, wie etwa in Schweden, macht Streaming schon 60 bis 70 Prozent der Umsätze aus“, sagt Marktforscherin Boettner.

Streaming-Profiteure an der Börse

Zweifrontenkrieg

Will die Medienindustrie im Kampf gegen die Gratiskultur im Netz obsiegen, muss sie zwei entscheidende Nutzergruppen für ihre Bezahlangebote gewinnen, sagt McQuivey von Forrester: „ Die junge Konsumentenschicht, die mit kostenlosen Inhalten im Netz aufgewachsen ist, und die Bevölkerung der Schwellenländer, die mit der westlichen Idee des Urheberrechts nicht viel anfangen kann.“ 

Zu den Leuten, die die Branche noch überzeugen muss, gehört Tim Borchers*, 17, aus Köln. Er surft im Netz, seit er acht ist, und zieht alles heraus, was er haben will: Songs, ganze Alben, Filme. Seine Sammlung umfasst mehrere Terabyte. Bezahlt davon hat er nichts, er kenne es nicht anders, sagt Tim. Ob das legal ist, sei für ihn kein Kriterium. „Ich hätte sowieso kein Geld, das zu kaufen, also entgeht denen auch kein Umsatz“, gibt er sich geschäftsmännisch. Tim „shared“ auch, was er aus dem Netz zieht: „Wenn ich was cool finde, sollen das auch meine Freunde sehen oder hören“, sagt er, „ich gebe denen ’nen Stick mit MP3s oder schicke den Link zum Download per Mail.“ Und er kennt schon einen Kniff, der Streaming unterminiert: Sein Vater habe ein Premium-Abo, sagt er. Die so zugänglichen Lieder schneidet Tim mittels einer Software mit, die ganz legal erhältlich ist: Die kopiert alles, was über die Soundkarte seines PCs läuft: Spotify, YouTube, Internet-Radio.

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