Staatsanleihen Niedrigzinsen sind der Normalzustand

Der aktuelle Niedrigstand der Zinsen für US-Staatsanleihen lässt viele Anleger verzweifeln. Experten widersprechen der These, dies sei eine Anomalie. Das sind keine guten Nachrichten für konservative Anleger.

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Fed-Zentrale in Washington: Trotz QE-Programm sind die Renditen für US-Anleihen auf Niedrigkurs. Für langjährige Experten keine Überraschung Quelle: Reuters

New York Anleger die lange im Geschäft sind, wissen der aktuelle Niedrigstand der US-Staatsanleihen ist keine Anomalie. Aktuell ist der Kurs der Wertpapiere niedriger als die Hälfte des Renditedurchschnitts der vergangenen fünf Jahrzehnte, die bei 6,8 Prozent liegt. Die Einschätzung, dass die Treasuries-Renditen zu niedrig sind, geht laut David Jones auf Händler, Vermögensverwalter und Volkswirte zurück, die ihre Karriere im Marktumfeld der starken Inflation in den 1970er und 1980er Jahren begannen. Der frühere Vice Chairman bei Aubrey G. Lanston & Co. ist seit 51 Jahren im Anleihegeschäft tätig. Derzeit liegt die Teuerung in den USA auf dem niedrigsten Niveau seit fünf Jahrzehnten, weltweit schwächt sich das Wachstum ab. Damit droht der heutige Anleihemarkt in ein altes Muster zurückzufallen, so Jones.

„Wir stehen wieder am Anfang“, kommentierte der 76- jährige. „Statt über die niedrigen Zinsen zu jammern und einen rasanten Anstieg zu erwarten, sollten wir uns darüber klar sein, dass wir in wesentlich normaleren Gefilden sind als wir dachten.“ Seit der Finanzkrise sind die Renditen von US- Staatsanleihen jeglicher Laufzeit auf dem Weg nach unten. Die Fed versucht, die Nachfrage in den USA wieder anzukurbeln, indem sie ihren Leitzinssatz nahe Null gesenkt hat und Anleihen kauft, um die langfristigen Finanzierungskosten niedrig zu halten. In diesem Jahr haben Treasuries 5,1 Prozent dazu gewonnen, entsprechend sind die Renditen weiter gefallen. Das hat für Überraschung an der Wall Street gesorgt, da dort mit einem stärkeren Wirtschaftswachstum aufgrund der Fed- Konjunkturmaßnahmen sowie einer höheren Inflation und daraus resultierend höheren Finanzierungskosten gerechnet wurde. Die Rendite der 30-jährigen US-Staatsanleihen - die längste Laufzeit für Staatsanleihen in den USA - ist seit Jahresbeginn um mehr als einen Prozentpunkt gefallen auf 2,92 Prozent. Anfang 2014 prognostizierten Marktteilnehmer noch, die Rendite werde um 0,28 Prozentpunkte steigen auf 5,25 Prozent.

Volkswirte und Strategen blieben laut einer Bloomberg-Umfrage bei ihren Thesen, dass die Renditen steigen werden. Bei langlaufenden Treasuries rechnen sie nächstes Jahr mit einer Rendite von 3,88 Prozent. Auch Lacy Hunt, Chefvolkswirt bei Hoisington Investment Management in Austin, Texas, erwartet, dass eine Nachfrageschwäche und eine Schwäche bei der Inflation die Renditen über Jahre hinaus niedrig halten werden, da die USA mit einer Rekordverschuldung zu kämpfen hat. Obwohl die Fed annähernd vier Billionen Dollar billiges Geld in den US-Markt gepumpt hat, lag das Wirtschaftswachstum seit 2009 im Schnitt nur bei 1,8 Prozent. In den sieben Wachstumsperioden bis zurück in die 1960er Jahre betrugen die Wachstumsraten dagegen durchschnittlich knapp vier Prozent. Die Inflation verharrt seit 30 Monaten unterhalb des Zieles der Fed von zwei Prozent. Mit 1,62 Prozent ist der Anstieg des Verbraucherpreisindexes in den USA über die vergangenen fünf Jahre der niedrigste seit dem Fünfjahreszeitraum von 1960 bis einschließlich 1965.

„Langfristig wird die Anleiherendite von den Inflationserwartungen angetrieben“, erläutert Hunt. „Wenn man die Inflationserwartungen herausrechnet, liegt man bei zwei Prozent für die langfristigen Anleihen über die nächsten Jahre. Das ist die Entwicklung, in der wir uns gerade befinden.“ Basierend auf Anleiherenditen sind die Inflationserwartungen über die nächsten 30 Jahre unter zwei Prozent gesunken. Ende November erreichten sie ein Dreijahrestief bei 1,96 Prozent. Solche Niveaus entsprechen eher denen, die in den fünf Jahrzehnten nach Gründung der Fed 1913 vorherrschten. Die Lebenshaltungskosten stiegen in dem Zeitraum durchschnittlich um 2,45 Prozent jährlich, wie Daten des US- Arbeitsministeriums zeigen. In den fünf darauf folgenden Jahrzehnten betrug die Teuerung im Schnitt 4,3 Prozent.


Ohne Inflation keine erhöhten Renditen

Auch die Renditen der langfristigen US-Staatsanleihen waren in den früheren Jahrzehnten niedriger und lagen bei durchschnittlich 3,1 Prozent, wie aus Daten von Hoisington hervorgeht. „Wer in den 1970er Jahren und den von hohen Zinsen geprägten frühen 1980er Jahren aufwuchs, könnte dies für den Normalzustand halten“, beschreibt Stone, der seine Karriere 1973 bei der New York Fed begann. „Aber das ist es nicht. Was davor war, entspricht wahrscheinlich eher dem Normalzustand.“ In den 1960er Jahren stiegen die Renditen langfristiger Treasuries auf zuvor unbekannte Höhen, da die Staatsausgaben mit dem Vietnamkrieg und den Sozialprogrammen der Regierung von Präsident Lyndon B. Johnson stiegen.

In den 1970er Jahren sorgten kletternde Ölpreise mit der Folge des Ölschocks von 1973 und der iranischen Revolution 1979, sowie die lockere Geldpolitik der Fed während der Regierung von Richard Nixon für einen steilen Anstieg bei den Verbraucherpreisen. 1980 lag die Teuerung bei 14,8 Prozent, die Renditen der 30-jährigen Treasuries stiegen im Oktober 1981 auf ein Rekordhoch von 15 Prozent.

Aktuell dürfte auch der niedrige Ölpreis den Inflationsdruck in Schach halten. Der Preis für die US-Sorte West Texas Intermediate ist seit Jahresbeginn um 33 Prozent eingebrochen und lag am Donnerstag bei 61,38 Dollar nahe dem niedrigsten Stand seit November 2009. „Die Inflation existiert praktisch nicht, und solange das so bleibt, kehren wir nicht wieder zu diesen erhöhten Renditeniveaus zurück“, sagt David Robin, Zinsstratege bei dem Broker Newedge in New York. „Wir kehren nicht dorthin zurück.“

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