Es dauert exakt 95 Sekunden, bis Kai Franke der Name des Schweizer Konzerns zum ersten Mal über die Lippen kommt. Der Chefstratege der BHF-Bank referiert im schicken Kölner Club Astoria, wie Kunden ihr Geld sicher durch die Krise bringen können. „Ohne Sachwerte – und dazu gehören auch Aktien erster Qualität wie eben eine Nestlé“, doziert Franke zwischen Martinsgans und Christstollen-Parfait, „wird das nicht gelingen, jedenfalls nicht nach Abzug der Inflation.“ Die Kunden – Unternehmer, wohlhabende Privatleute und Lokalprominenz – nicken. Eine Fußballer-Gattin notiert: „Staaten sind keine verlässlichen Schuldner mehr!“
Nur fünf Kilometer Luftlinie östlich, am anderen Rheinufer, spricht ein paar Tage später der Vermögensverwalter Bert Flossbach. Ähnlicher Rahmen, gleiches Thema: Wohin mit dem Geld? Flossbach braucht gar nur 45 Sekunden, bis er bei „der Nestlé“ landet. „Solide finanzierte Konzerne mit weltweitem Geschäft und guten Dividenden“ seien der beste Schutz vor Euro-Krise, Schulden-GAU und Inflation.
Die Aktie, ein Krisenschutz?
Die Argumente der Profis gleichen sich: Anleihen sind nicht mehr sicher oder bringen keinen Zins, Gold ist nicht die Antwort auf alle Fragen, gute Immobilien sind zu teuer. Da landen viele eben bei der Aktie. Und die Anleger hören auf sie. „Noch vor wenigen Monaten hatten Sie noch nicht A gesagt, da winkten die Kunden schon ab“, sagt der Niederlassungsleiter einer Schweizer Bank, „die Leute wollten nur Immobilien.“ Inzwischen sei das anders: „Einige Familien mit zwei- bis dreistelligen Millionenvermögen kaufen erstmals seit Jahren wieder.“
Stephan Albrech, Chef der Vermögensverwaltung Albrech & Cie, bestätigt den Trend: „Viele Stiftungen, die einen kalkulatorischen Zins für die kommenden Jahre erreichen müssen, denken über Aktien nach.“ Laut einer Umfrage von Infratest und Aquila Capital unter 255 institutionellen Großanlegern in Europa, darunter Pensionsfonds, Versorgungswerke und Stiftungen, will ein Viertel dieser – traditionell konservativen – Anleger seine Aktienquote demnächst erhöhen; jeder Fünfte will weniger in Staatsanleihen investieren.
Sogar Notenbanken kaufen
Sogar Notenbanken kaufen. Die Schweizer Nationalbank SNB etwa hält größere Anteile am Handybauer Nokia. „Es gibt in der Nationalbank eine intensive Diskussion, ob man die Aktieninvestments nicht noch erheblich ausdehnen muss“, weiß Alfred Roelli, Kapitalmarktstratege der Genfer Bank Pictet. Um den Kurs des Schweizer Franken stabil bei 1,20 Franken je Euro zu halten, druckt die SNB Franken und kauft Euro. Die dabei bisher angefallenen rund 400 Milliarden Euro sind zum größten Teil in Staatsanleihen investiert.
Nun diskutieren die Notenbanker, den Anteil der Aktien an den Devisenrücklagen auf 25 Prozent zu verdoppeln. Auch andere Notenbanken mit Überschüssen in ausländischen Währungen kauften zuletzt wieder vermehrt Aktien – etwa die Singapurs.
„Um mehr Aktien in unseren Portfolios werden wir langfristig auf keinen Fall herumkommen, die dabei unvermeidlichen stärkeren Wertschwankungen werden wir in Kauf nehmen“, schreibt Saumil H. Parikh, Portfoliomanager beim weltgrößten Rentenfonds-Anbieter Pimco, an seine Kunden. „Nur Aktien mit überdurchschnittlichem Gewinn- und Dividendenwachstum bieten uns in den kommenden Jahren eine faire Chance auf eine hinreichende Rendite.“ Pimco hat die Kapitalmärkte seit 1910 untersucht und folgert, dass sich mit Blue-Chip-Aktien in den kommenden Jahren durchschnittliche Jahresrenditen von 6,5 Prozent aus Kursgewinnen und Dividenden erzielen lassen, etwas mehr als die Inflation. Mit Anleihe-Portfolios erstklassiger Schuldner drohe sich nach Inflation das Vermögen der Anleger bis 2030 zu halbieren.
Großanleger haben wenig Aktien
Gemessen an solchen Prognosen, haben Großanleger wenig Aktien. Versicherungen halten weniger als fünf Prozent ihrer Gelder in Aktien. „Deutsche Versicherungen sind die Letzten, die ihre Aktienquoten erhöhen werden“, meint Philipp Vorndran, Kapitalmarktstratege bei Flossbach von Storch, „angelsächsische Pensionskassen oder Versorgungswerke sind da weiter.“
Anleger suchen das Verlässliche. „Wenn meine Kunden Aktien ins Depot nehmen, dann fast ausschließlich Papiere weltweit operierender Großkonzerne mit attraktiven Dividenden“, sagt Johannes Hirsch, Chef des Family-Office Antea. „Die großen Kapitalsammelstellen, die Kunden eine regelmäßige Rendite versprochen haben, schaffen dies nur mit Dividenden“, sagt Vorndran. Er gehe davon aus, dass die Dividende deshalb als Auswahlkriterium künftig noch an Bedeutung gewinnen werde. Und Dividenden fließen eher (und vor allem verlässlicher) bei internationalen Markenkonzernen wie Procter, Unilever oder Nestlé als bei konjunktursensiblen Stahlwerten oder High-Tech-Firmen.
Die gleiche Art Aktie
Weil alle Großanleger die gleiche Art Aktie suchen, „sehen wir seit einigen Monaten eine Marktspreizung“, sagt Roelli, „es gibt einen Run auf Blue Chips mit starken Markennamen und soliden Dividenden, während das Gros der Aktien links liegen gelassen wird.“ Laut Vermögensverwalter Jens Ehrhardt sind auf Jahresfrist schon mehr als 70 Prozent aller Aktien weltweit im Minus; die Börsen werden von immer weniger Schwergewichten gezogen. Frank Ebach, Niederlassungsleiter der BHF-Bank, sieht an der Börse dieselbe Entwicklung wie am Immobilienmarkt: „1a-Qualität wird immer teurer – und den Rest will keiner haben.“
Die wenigen Werte, die bei Anlegern als verlässlich gelten, kosten fast den 20-fachen Jahresgewinn; wer als konjunkturanfällig und riskant gilt, kann auch mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) unter zehn keine Käufer anlocken. „Es ist ein uralter Reflex der Anleger, in jeder Krise große Aktien zu kaufen“, sagt BHF-Stratege Franke, „Werte wie McDonald’s, Coca-Cola, 3M oder Colgate-Palmolive haben auch in dieser Krise wieder massiv zugelegt und den Gesamtmarkt abgehängt.“
Welche Aktien kaufen?
Diese Situation ist nicht neu: Ende der Sechziger liefen die Börsen schlecht – mit einer Ausnahme: Die Aktien von weltweit agierenden Markenkonzernen stiegen unablässig. IBM, McDonald’s, Gillette, Xerox, Polaroid und Avon kannten keine Ölkrise und keine 1970er-Stagflation. An der Börse galten Inhaber weltweit angesagter Marken, die in keinem Haushalt fehlen durften, als sichere Bank; das Label „Nifty Fifty“ („die schicken 50“) kam in Mode. „You’ll never get fired for buying Xerox or IBM“, war ein geflügeltes Wort unter US-Brokern – so wie heute kein Fondsmanager gefeuert werden dürfte, weil er Nestlé gekauft hat.
Zwei Studien spielten als Erste mit dem Begriff. Die eine listete 50 Blue Chips auf, die den Markt acht Jahre in Folge geschlagen hatten, und nannte sie „the nifty 50 outperformers“. Die andere enthielt schlicht die 50 US-Aktien mit den höchsten KGVs. Die 24 Aktien, die sich auf beiden Listen fanden, schlugen von 1964 bis 1972 nach Berechnungen von Morgan Stanley den US-Index S&P 500 um 189 Prozent oder durchschnittlich 15 Prozent pro Jahr. Ende 1972 platzte die Blase, die Werte halbierten sich über vier Jahre. Die neuen, stabilen Werte steigen seit etwa drei Jahren – gemessen an dem Achtjahreszeitraum 1964 bis 1972 stünden die schicken Werte dieses Jahrtausends also erst am Anfang.
Welche Eigenschaften Aktien heute brauchen
„Die heutigen Umstände begünstigen eindeutig das Entstehen einer Gruppe elitärer Outperformer an der Börse, wie es die Nifty Fifty waren“, sagt Morgan-Stanley-Analyst Ronan Carr, „wie in den Siebzigern ist das Wachstum schwach, politische Unsicherheit und Angst vor Inflation sind groß, die damit einhergehende Volatilität nimmt zu und verleidet den Investoren Engagements in Beta-Aktien – also solchen, die im Boom alles hinter sich lassen, in Schwächephasen aber sehr gefährlich sind.“
Welche Eigenschaften brauchen Aktien heute, um – wie die Nifty Fifty in den Sechzigern – für Anleger überdurchschnittlich attraktiv zu sein? Die Morgan-Stanley-Analysten nennen fünf Qualitätskriterien für Papiere, die Anlegern nach Abzug von Inflation und Steuern noch Rendite einbringen dürften:
1. finanzielle Stärke (solide Bilanz)
2. Preissetzungsmacht
3. verlässliches Gewinnwachstum
4. solide Dividende und
5. hoher Schwellenländer-Anteil
Stärken ausspielen
Die in der Tabelle auf Seite 94 aufgelisteten Werte erfüllen nicht nur diese Kriterien, sondern haben auch in den letzten fünf Jahren relativ zu ihren Wettbewerbern Stärke bewiesen. Sollte die Konjunktur weltweit doch wieder anspringen, dürften sie ihre Stärken voll ausspielen. Viele Investoren befürchten, dass mit dem nächsten Aufschwung auch die Inflation anziehen könnte. Noch verharren die von den Notenbanken in der Krise geschaffenen Billionen innerhalb des Finanzsystems; die Banken bringen sie nicht in Umlauf, sondern sanieren ihre Bilanzen und parken das Geld bei der Zentralbank.
„Das könnte sich aber ändern, wenn die Konjunktur anspringt und die Banken wieder mehr Kredite vergeben“, sagt Daniel Stelter, Managing Director bei Boston Consulting, „vor allem Preissetzungsmacht und Gewinnqualität der Unternehmen werden dann wichtig.“
Große Markenartikler haben nicht nur viele Kunden weltweit, sondern auch einen breiten Stamm an Zulieferern. So haben sie bei Preisverhandlungen im Einkauf relativ viel Macht. Ein weiterer Vorteil sind die hohen Markteintrittsbarrieren, die sie zur Abwehr von Konkurrenten aufgebaut haben.
Mehrere Hundert Produkte
Mittelständische Maschinenbauer oder Technologieunternehmen bekommen Probleme, wenn ein größerer Wettbewerber ihre Produkte nachbaut und besser oder billiger anbietet. Bei einem Konzern wie Procter & Gamble, Nestlé oder Unilever beruhen Umsatz und Gewinn auf mehreren Hundert Produkten.
„Selbst wenn jemand plötzlich viele dieser Markenartikel günstiger anböte, bräuchte er noch immer mehrere Jahre und Milliarden von Euro für Werbung, um die starken Markennamen wettzumachen“, sagt Stelter. Hinzu kommen Kostenvorteile der Giganten gegenüber kleineren und neuen Wettbewerbern bei Verwaltung, Herstellung, Vertrieb und Marketing.
Unilever, Procter & Gamble, Colgate-Palmolive, BAT
Unilever nutzt diese Vorteile seit Jahrzehnten konsequent wie kaum ein anderer. Zum Konzern gehören Marken wie Langnese, Ben & Jerry’s oder Calvin Klein. In den vergangenen Jahren verlor Unilever in Westeuropa Marktanteile, der Umsatz stagnierte. Schuld daran waren nicht zuletzt Discounter wie Aldi oder Lidl. Unilever trennte sich von zahlreichen Marken und hat sich gesundgeschrumpft.
Der Umsatz je Aktie stieg seit 2005 kontinuierlich von 13,20 auf 15,50 Euro; der Gewinn je Aktie von 1,26 auf 1,55 Euro. Dabei erhöhte der Konzern die Dividende von rund 1,9 Milliarden Euro 2005 auf zuletzt 2,6 Milliarden Euro, was einer Rendite von durchschnittlich 3,6 Prozent entspricht. Einen nennenswerten Rückgang bei Umsatz, Gewinn oder Dividende verursachte die Krise zwar nicht; doch kürzte Unilever die Ausschüttung an die Aktionäre zwischen 2006 und 2009 vorübergehend um fast die Hälfte, hat sie seitdem wieder verdoppelt.
Damit ist Unilever kein ganz so verlässlicher Dividendenzahler wie die Branchenkollegen Nestlé, Colgate-Palmolive oder Procter & Gamble. Die Börse nimmt dies übel und bewertet die Niederländer nur mit dem rund 15-fachen Jahresgewinn, während die verlässlicheren Zahler auf KGVs zwischen 16 und 20 kommen. Dieser Abschlag dürfte übertrieben sein.
Procter & Gamble ist mit Marken wie Pampers, Ariel, Gilette und Wella stark in nicht zyklischen Konsumgütern wie Waschmitteln, Kosmetik und Hygieneartikeln. Pro Tag werden auf der Welt rund vier Milliarden Mal Produkte von Procter benutzt. Das Unternehmen vertreibt über 300 verschiedene Markenprodukte in mehr als 180 Ländern; 26 davon sind die Nummer eins oder zwei im Markt und bringen jährlich mehr als eine Milliarde Dollar Umsatz. „Dank dieser einzigartigen Marktmacht kann Procter Skaleneffekte noch effizienter nutzen als Wettbewerber und verfügt über mehr Preissetzungsmacht“, sagt Michael Romer, Analyst bei Sarasin. Ihm missfällt allerdings das schwache Wachstum: Procter hat mit nachlassendem Umsatzwachstum in den etablierten Märkten zu kämpfen. Zulegen kann der Konzern aber in den Schwellenländern, wo die Kaufkraft der Mittelschicht noch steigt. Der Umsatzanteil der Schwellenländer hat sich seit 2000 auf 39 Prozent verdoppelt. Für Anleger ist Procter vor allem wegen der guten Gewinn- und Dividendenqualität interessant: Die freien Cash-Flows sind hoch, die Margen stabil. In den vergangenen Jahren schaffte Procter unter dem Strich in jedem Jahr ein besseres Ergebnis pro Aktie; die Dividende pro Aktie stieg in 15 Jahren im Schnitt um elf Prozent pro Jahr.
Die zehn wichtigsten Aktien-Regeln
Gegen die größer werdenden Unwägbarkeiten sollte man sich zuallererst mit einer Strategie wappnen: Wer an kräftiges Wachstum in Deutschland glaubt, an einen anhaltenden Boom der Schwellenländer und hohen privaten Konsum, kann weiter am Aktienmarkt investieren. Wer skeptisch ist, sollte seine Bestände hingegen nicht aufstocken.
Eng verbunden mit der ersten Regel: Immer wieder kommt es vor, dass sich Dinge anders entwickeln, als man erwartet hat. Es ist wichtig, sich selbst immer wieder zu hinterfragen und nicht jeder Entwicklung hinterherzulaufen. Eine solche Reaktion zeugt nicht von einem geringen Vertrauen in die eigene Strategie. Es kostet meist auch Geld, weil die Masse schon vorher diese Richtung eingeschlagen und das Gros an Rendite eingefahren hat.
Groß oder klein, spekulativ oder konservativ, liquide oder illiquide, dividendenstark oder dividendenschwach, Substanz oder Wachstum: Bei Aktien ist die Auswahl riesig. Der richtige Mix aus spekulativen und konservativen Titeln hilft, Schwankungen zwischen guten und schlechten Zeiten auszugleichen. Nicht zu unterschätzen sind starke Dividendenzahler, die Jahr für Jahr den Grundstock für eine solide Rendite legen.
Keine Frage, die Börsen haben in den vergangenen zehn Jahren stärker geschwankt als in allen Dekaden zuvor. Das wird so bleiben, mit wachsendem Computerhandel sogar noch zunehmen. Wer sein Risiko minimieren will, baut Barrieren ein – sogenannte Stopps. Gerne werden Stopps bei 20 Prozent über und unterhalb des aktuellen Kurses gewählt. Dann wird automatisch verkauft, wenn diese Grenzen erreicht sind. Kommt eine Phase überraschend steigender Kurse mit anhaltendem Aufwärtstrend, lässt sich die Barriere leicht nach oben verschieben. Wichtig ist dann, auch die Barriere am unteren Ende nachzuziehen.
Wichtig in Phasen überraschender Kurssteigerungen oder -stürze ist es, das Verhalten der Masse zu beobachten. Ist es noch nachvollziehbar oder völlig irrational? Häufig ist es irrational. Dann hilft meist die zweite Regel: Widerstandskraft zeigen. Nach einigen Monaten kehrt die Rationalität von ganz allein zurück. Der Kurssturz aus dem vergangenen Jahr und die jüngste Entwicklung beweisen das gerade wieder.
Sind Aktien wie seit Jahresbeginn schon um 30, 40 oder gar 50 Prozent gestiegen, dann sind Anschlussgewinne in der Regel nur noch schwer zu erzielen. Phrasenverdächtig ist zwar die alte Weisheit: „An Gewinnmitnahmen ist noch niemand zugrunde gegangen.“ Richtig ist sie trotzdem.
Firmenchefs haben einen gewaltigen Vorteil gegenüber normalen Aktionären. Sie wissen weit mehr als jeder Analyst oder Kommentator, wie es in ihrem Unternehmen aussieht. Insider nennt man sie deshalb. Sie melden ihre Orders innerhalb von fünf Handelstagen an die Börsenaufsicht Bafin. Das Handelsblatt veröffentlicht alle zwei Wochen das sogenannte Insider-Barometer, das aus der Summe aller Kauf- und Verkaufsorders Schlüsse für den weiteren Verlauf in Dax & Co. zieht. Jüngste Tendenz: Vorstände und Aufsichtsräte verkaufen mehr als sie kaufen. Vorsicht also!
Terroranschläge und Naturkatastrophen kommen unerwartet. Politische Konflikte wie aktuell zwischen Israel und dem Iran schwelen meist länger. Entscheidende Wahlen wie jüngst in Russland und in diesem Jahr noch in Frankreich und den USA sind vorhersehbar und haben immer Einfluss auf die Börse. Dabei gilt generell: Wahljahre sind gute Börsenjahre.
Mit Optionsscheinen oder Bonus-Zertifikaten lässt sich zwar aus einem Aufwärtstrend ein noch größerer Profit schlagen. Dies sind jedoch in der Regel Wetten ohne realen Hintergrund. Aktien sind reale Werte.
Vor allem Aktien einzelner Branchen unterliegen immer wieder gewissen Moden. Doch die wechseln wie im realen Leben, und manchmal geht das schneller, als man denkt. Das bekommt gerade die einst angesehene Solarenergie-Branche bitter zu spüren.
Wettbewerber Colgate-Palmolive, gegründet 1806, ist weltweit in mehr als 200 Ländern präsent. Mundpflegeprodukte wie Zahncreme und -bürsten bringen rund ein Drittel des Umsatzes, der Rest verteilt sich auf Körperhygiene, Kosmetik und Reinigungsmittel. Bei der Mund- und Zahnpflege hat Colgate einen Weltmarktanteil von 45 Prozent. In den schnell wachsenden Konsumentenmärkten der Schwellenländer liegen die Marktanteile sogar deutlich höher, in Brasilien zum Beispiel bei Zahncreme bei 70 Prozent. Seit 1990 hat das Unternehmen ein beeindruckendes Gewinnwachstum von durchschnittlich 9,4 Prozent jährlich erwirtschaftet.
Der britische Tabak- und Genussmittelkonzern BAT verdient zwar nach wie vor gut, auch in den entwickelten Märkten Nordamerika, Westeuropa und Japan. Doch für das Umsatzwachstum von konzernweit rund sieben Prozent pro Jahr seit 2007 sorgen auch bei BAT die Schwellenländer, die überproportional zulegen. Dabei wirtschaftet BAT überaus profitabel: der Cash-Flow der Briten stieg seit 2006 von 1,5 auf über vier Milliarden Pfund; dazu schüttet BAT regelmäßig etwa 65 Prozent der Netto-Gewinne an die Anleger aus. In den letzten zwölf Jahren steigerten die Briten die Dividende um 14 Prozent pro Jahr.
Diageo, Adidas, Johnson &Johnson, SAP, BASF
Auch der Getränkekonzern Diageo expandiert seit Jahren geschickt in die Schwellenländer. Dabei profitieren die Briten von der Zugkraft ihrer Marken als Statussymbol in China, Indien oder auch Indonesien. Diageo vertreibt 8 der 20 erfolgreichsten Premiummarken für Spirituosen weltweit, darunter viele hochpreisige und margenstarke wie Whisky, Gin oder Cognac. Vergangene Woche nutzten die Briten den akuten Finanzbedarf des Wettbewerbers United Spirits, um einen Fuß in den indischen Whisky-Markt zu bekommen. Für 1,6 Milliarden Euro bekommt Diageo in zwei Schritten 53 Prozent an United. Indien ist der am schnellsten wachsende Markt der Welt für Whisky; bis 2015 erwarten Marktforscher ein Absatzplus von 50 Prozent auf dem Subkontinent.
Adidas macht bereits heute rund die Hälfte des Umsatzes in den Wachstumsmärkten. Noch liegt Konkurrent Nike in China knapp vorne, doch Adidas holt auf. Die Franken haben ihre Wachstumsziele angehoben; der Umsatz soll bis 2015 auf 17 Milliarden Euro steigen, 2011 setzte Adidas rund 13 Milliarden Euro um. Ein Hemmschuh bleibt die 2006 übernommene Reebok und damit das US-Geschäft. Der Reebok-Umsatz schrumpft, wird aber vom weltweit starken Wachstum der Kernmarke mit den drei Streifen mehr als kompensiert. Die Marke ist langfristig der Gewinner unter den Sportmarken; die Konzentration auf die Felder Fußball/Fanartikel, Golf und Lifestyle dürfte sich auszahlen.
Mit Johnson & Johnson können Anleger den Fokus etwas mehr auf die weltweit wachsende Gesundheitsbranche legen statt nur auf Konsum; die Amerikaner erwirtschaften den Großteil ihres Umsatzes mit patentpflichtigen Medikamenten (Sparte Pharma), rezeptfreien Salben, Cremes oder Körperpflegemitteln (Consumer); als drittes Standbein unterhält Johnson eine schnell wachsende Medizintechniksparte. Das etwas höhere Risiko als bei reinrassigen Konsumgiganten wie Procter (Pharma-Patente können auslaufen, ohne dass ein Nachfolger marktreif ist) schlägt sich in der günstigeren Bewertung der Aktie nieder: Das KGV liegt bei 13.
Aussichtsreiche Aktien ohne Regulierungsdruck
Zulieferer für die Halbleiterindustrie; global aufgestellt mit starken Produkten, aber zyklischem Geschäft.
Kurs: Aixtron
Börsenwert: 1389 Mio. Euro
KGV (Schätzung für 2012): 72,6
Dividendenrendite 2012: 1,8 Prozent
Chance/Risiko: 8/7
Größter Tapetenhersteller Europas; Top-Anbieter, Immobilienboom-Profiteur, Risiko Rohstoffpreise
Kurs: A. S. Création
Börsenwert: 75 Mio. Euro
KGV (Schätzung für 2012): 13,8
Dividendenrendite 2012: 5,4 Prozent
Chance/Risiko: 5/4
Optiker-Marktführer mit überzeugendem Geschäftsmodell; weiter auf Expansion; jüngst Insiderkäufe
Kurs: Fielmann
Börsenwert: 3069 Mio. Euro
KGV (Schätzung für 2012): 22,9
Dividendenrendite 2012: 3,3, Prozent
Chance/Risiko: 5/4
Erfahrene Mittelstandsholding mit überzeugendem, ausgewogenem Portfolio; profitiert vom Konjunkturplus
Kurs: Indus
Börsenwert: 518 Mio. Euro
KGV (Schätzung für 2012): 8,1
Dividendenrendite 2012: 3,9 Prozent
Chance/Risiko: 6/5
Hersteller von Spezialcomputern; auf Rekordkurs mit solider Bilanz; auf aktuellem Niveau unterbewertet
Kurs: Kontron
Börsenwert: 351 Mio. Euro
KGV (Schätzung für 2012): 11,8
Dividendenrendite 2012: 3,4 Prozent
Chance/Risiko: 6/4
Spezialist für hochwertige Keramik; profitiert vom Immobilienboom; sehr solide mit guter Marktposition
Kurs: Villeroy&Boch
Börsenwert: 202 Mio. Euro
KGV (Schätzung für 2012): 14,1
Dividendenrendite 2012: 2,8 Prozent
Chance/Risiko: 4/3
Hochwertige Küchenutensilien; Gewinnbringer Profi-Kaffeemaschinen; Dauerläufer mit Übernahmefantasie
Kurs: WMF
Börsenwert: 502 Mio. Euro
KGV (Schätzung für 2012): 13,3
Dividendenrendite 2012: 3,4 Prozent
Chance/Risiko: 5/4
Soziales Netzwerk für Profis, relativ günstig zu haben; Großaktionär Burda hat Zugriff auf weitere Anteile
Kurs: Xing
Börsenwert: 265 Mio. Euro
KGV (Schätzung für 2012): 26,2
Dividendenrendite 2012: 1,2 Prozent
Chance/Risiko: 7/6
Unternehmen mit starkem Eigenkapitalanteil und geringer Verschuldung, wie der Softwarekonzern SAP, haben in schwierigen Konjunkturphasen nicht nur günstigere Kapitalkosten und einen längeren finanziellen Atem, sondern auch den strategischen Vorteil, schwächere Konkurrenten aufkaufen oder ihnen mit aggressiver Preispolitik Kunden abjagen zu können. „Sie nutzen Krisenzeiten häufig, um ihre Marktanteile auszubauen, wovon sie im nächsten Aufschwung profitieren“, sagt Stelter. So hat SAP Milliarden in das Zukunftsgeschäft Cloud Computing (Miet-Software aus dem Netz) investiert. Die Aktie ist zwar nicht ganz günstig (KGV 18). Doch SAP wächst schnell und vor allem stetig; Umsätze und Gewinne mit Cloud-Software wachsen inzwischen mit dreistelligen Prozentraten pro Jahr; die SAP-Tochter Success Factors gewinnt Analysten zufolge derzeit neun von zehn Ausschreibungen für Cloud-basierte Services bei SAP-Kunden. Es sieht also ganz so aus, als könne SAP seine Stärke aus der alten Softwarewelt in die neue übertragen.
Nur wenige Aktien aus konjunktursensiblen Bereichen wie Stahl, Chemie oder Maschinenbau sind für die großen Kapitalanleger derzeit attraktiv. Zu ihnen gehört BASF. Der weltgrößte Chemiekonzern bringt es trotz eindrucksvoller Wachstumszahlen nur auf ein KGV von rund zehn. Was sicherlich auch mit der wegen der schwächelnden Weltkonjunktur derzeit flauen Nachfrage nach Basischemie zu tun hat. BASF kann jedoch als einziger großer Chemiekonzern seine Umsatz- und Gewinnprognosen für das Gesamtjahr 2012 aufrechterhalten: Der Konzern hat klug diversifiziert und mit Agrarchemie, Pflanzenschutz sowie der Tochter Wintershall (Öl und Gas) zwei weitgehend konjunktur- und inflationsgeschützte Geschäftsbereiche im Portfolio. Zudem hat BASF die Krise genutzt, um Wettbewerber aufzukaufen und seine Marktposition in China zu festigen. Falls – und darauf deuten jüngste Daten hin – das chinesische Wirtschaftswachstum wieder anzieht, fährt BASF die Ernte ein.
Verlässliche Dividenden
Bei der Dividende interessiert weniger deren Höhe, als die Nachhaltigkeit: Schreibt das Unternehmen nach Abzug aller Kosten, Steuern und Investitionen noch mehr Gewinn, als es an die Aktionäre ausschüttet? Und wie stabil ist dieser Gewinn? Der Absturz der Versorger E.On und RWE habe gezeigt, „wie kurzsichtig und gefährlich es ist, sich nur nach der aktuellen Dividendenrendite zu richten“, warnt Vorndran. Die betrug bei E.On zuweilen neun Prozent; Aktionäre der Telekom kamen auf bis zu elf Prozent Dividendenrendite. Doch beide konnten ihre Gewinne nicht halten und müssen Dividenden kürzen. Haben Konzerne stetig wachsende Gewinne und niedrige Ausschüttungsquoten (Anteil der Dividende am Nettogewinn), sinkt das Risiko, dass dies passiert.
So hat Nestlé seit 1923 fast in jedem Jahr Dividende bezahlt; in 27 der letzten 30 Jahre stieg die Dividende sogar – im Schnitt um 14 Prozent pro Jahr. Ein Anleger, der die Aktie vor zehn Jahren gekauft, liegen gelassen und die Dividenden reinvestiert hätte, läge heute mehr als 100 Prozent im Plus. Von Ausschüttungen aus der Substanz ist Nestlé dennoch weit entfernt: Die Ausschüttungsquote lag im Durchschnitt bei gesunden 50 Prozent des Gewinns. Die Dividende ist zudem vom langfristigen Umsatz- und Gewinnwachstum gut abgedeckt. Der Umsatz wuchs organisch, also ohne Zukäufe, seit 2001 um 6,4 Prozent, die Gewinnmarge vor Steuern und Zinsen (Ebit) steigerten die Schweizer seither Jahr für Jahr von rund 11 auf 15 Prozent.
Natürlich hat eine solche Aktie ihren Preis: Anleger bewerten Nestlé mit dem 17-Fachen der Gewinne von 2012. Droht eine neue Blase? Werden die heutigen Konsumgiganten enden, wie die Nifty 50 1973? Skandia-Fondsmanager Lee Freeman-Shor sagt, „aus den neuen Nifty 50 werden die neuen Nifty 40, 30, 20, 10.“ Soll heißen: Die Zahl der Aktien, die die hochgesteckten Erwartungen der Anleger künftig noch erfüllen könnten, sei zum Schrumpfen verdammt. Einzig die „hohe Liquidität im Markt“ und die Dummheit der Anleger, die sich ihre eigenen Aktienkäufe ständig schönredeten, trieben die Kurse noch an.
Stabile Konzerne noch relativ günstig
Richtig ist: Es ist viel Geld im Markt, und dieses Geld sammelt sich zurzeit in den Aktien überdurchschnittlich stabiler Konzerne. Und richtig ist, dass auch erstklassige Qualität irgendwann zu teuer sein wird. „Aber Markenkonzerne wie Nestlé hatten in den vergangenen 30 Jahren nahezu immer relativ hohe KGVs“, sagt Roelli. „Wer darauf wartet, dass er solche Aktien in der Rezession für ein KGV von zehn, also billig wie einen Bergbau-, Maschinenbau- oder Autowert abgreifen kann, der wartet möglicherweise ewig.“
Selbst Albert Edwards, Chefstratege der Société Générale und bekennender Pessimist, rechnet vor: „Aktien mit überdurchschnittlicher Gewinn- und Dividendenqualität sind weder historisch noch im Vergleich zu Gold, Immobilien oder Staatsanleihen teuer; sie liegen ziemlich genau auf ihrem langjährigen Durchschnitt seit 1981.“ Wenn man „1a-Qualität mit 1a-Qualität vergleiche“ und nicht Aktien nur mit Aktien, dann seien die Nestlés dieser Welt noch immer billig, sagt Antea-Chef Hirsch: „Für eine erstklassige Aktie zahlen sie derzeit den 16-fachen Nettogewinn eines Jahres; eine erstklassige Immobilie in München bekommen sie nicht unter 26 Netto-Jahresmieten. Und bei einer deutschen Staatsanleihe müssen sie 60 Jahre durchhalten, bis die Zinsen den Kaufpreis eingespielt haben.“