Standard & Poor's-Interview Warum sich eine Ratingagentur mit der AfD befasst

Die Euro-kritische AfD stellt ein Risiko für Investoren dar - meint Moritz Kraemer von S&P. Im Interview erklärt er, warum sich die Euro-Krise verschärfen könnte.

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Moritz Kraemer ist Chefanalyst für europäische Staaten bei der Ratingagentur Standard & Poor's. Quelle: dpa

Herr Kraemer, Sie haben eine Analyse über den Aufstieg der Alternative für Deutschland geschrieben. Warum?
In unserem Bericht beschreiben wir vor allem die Veränderungen in der politischen Landschaft Deutschlands, die sich auf die Positionierung dieses Schwergewichts und damit auf Entscheidungsprozesse in der Eurozone auswirken können. Dies wiederum kann auch Auswirkungen für internationale Investoren haben. Das Phänomen AfD wird außerhalb Deutschland bislang kaum wahrgenommen. Wir sind der Meinung, dass wir Investoren darauf hinweisen sollten.

Warum ist das für Investoren von Bedeutung?

Zum ersten Mal werden die eurokritischen Stimmen innerhalb der deutschen Bevölkerung in einer Partei repräsentiert. In Umfragen hat die AfD in jüngster Zeit deutlich zugelegt. Dies könnte sich auch auf die Politik der Bundesregierung auswirken, ihren Bewegungsspielraum reduzieren.

Die AfD – neue Volkspartei oder kurze Protestepisode?

Inwiefern?

Zum einen ändern sich die Optionen für mögliche Koalitionen, zum anderen könnte die CDU versuchen, Wähler, die sie an die AfD verloren hat, zurückzugewinnen.

Wird sich die Politik der Bundesregierung verändern?

Es ist vorstellbar, dass Deutschland künftig eine härtere Gangart gegenüber anderen Euro-Ländern einschlägt, um an die AfD verloren gegangene Wählerstimmen zurückzugewinnen, etwa wenn es um die Konsolidierung der Staatshaushalte geht. Auch die Kritik aus Deutschland an der Geldpolitik der EZB könnte lauter werden.

Und damit wird sich die Euro-Krise wieder verschärfen?

Erst die Bereitschaft der einzelnen Staaten, nach einer gemeinsamen Lösung zu suchen, hat zu einer Beruhigung der Krise geführt. Besonders die konstruktive Rolle Deutschlands war wichtig für das Vertrauen der Investoren in die Euro-Zone. Anzeichen einer maßgeblichen Änderung der deutschen Haltung könnte dieses Vertrauen gefährden.

Ist das als Warnung zu verstehen?
Veränderungen in der politischen Landschaft wie der rasche Aufstieg einer Partei wie der AfD in Deutschland ist einer von vielen Punkten, auf die wir schauen. Unsere Aufgabe ist es nicht zu warnen, sondern auf Risiken hinzuweisen. Und die sind innerhalb der Euro-Zone immer noch zahlreich. Das Sozialprodukt liegt deutlich unter dem Vorkrisenniveau. Die Staatsschulden liegen im Schnitt bei über 90 Prozent des BIP, in einigen Staaten deutlich höher. Das Wachstum bleibt schwach. Und die Arbeitslosigkeit in vielen Staaten dürfte langfristig sozial kaum tragbar sein.

Die AfD wird sich durch diese Analyse voll und ganz bestätigt fühlen.

Das ist aber nicht die Aussage unserer Analyse. Als Ratingagentur sind wir völlig unparteiisch und damit weder für noch gegen die AfD. Wenn eine politische Partei versucht, politisches Kapital aus unseren Aussagen zu schlagen, ist das ihre Sache. Unsere Aufgabe besteht darin, Kreditrisiken zu benennen. Das werden wir auch in Zukunft so halten.

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