Starfondsmanager Jens Ehrhardt Börsencrash 1929: Auffällige Parallelen zu heute

Die Wall Street 1929 Quelle: imago images

Auslöser für Verluste an den Börsen waren in den vergangenen Wochen entweder Donald Trump, Syrien oder China. Gelingt es der US-Notenbank nicht, die Zinsen behutsam anzuheben, drohen massive Verluste.

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Es ist umstritten, was genau den Börsencrash 1987 oder auch die Baisse der Jahre 2000 bis 2003 ausgelöst haben. Stets einher aber gingen sie mit den stärksten Verlusten am Markt, die Börsenbeobachter ansonsten zuletzt aus dem Jahr der Weltwirtschaftskrise 1929 kannten.

1987 gaben einige Experten den Wechselkursbewegungen, insbesondere beim Yen, aber auch beim gegenüber der D-Mark abstürzenden Dollar die Schuld.

Für mich allerdings war im September 1987 der Rückgang des amerikanischen Geldmengenzuwachses von 18 Prozent am Jahresanfang auf drei Prozent im Herbst eine ähnliche Gefahr wie 1929. Die Ereignisse 1929 und 1987 hatten Ähnlichkeiten mit dem zehnprozentigen Rückgang an den Aktienmärkten im Februar 2018. Das bezieht sich besonders auf die monetäre Komponente: Sowohl 1929, als auch 1987, befanden sich die Notenbanken in einem Bremszyklus. Damals haben die Notenbanken die Leitzinsen erhöht.

Wetten auf fallende Kurse, Spekulation auf Kredit

Anfang 2018 spiegelten die US-Stimmungsindikatoren an den Börsen den größten Optimismus seit Jahrzehnten wider. Auch die niedrige Schwankungsbreite der Kurse, die zuletzt ähnlich gering war wie vor Beginn der Börsenbaisse und Weltwirtschaftskrise 1929, deutete voll auf Optimismus.

Im Gegensatz zu heute und 1987 wurden 1929 allerdings auch erst wenige markttechnische Stimmungsbarometer erhoben. Dazu zählen die Investitionsquoten von Großanlegern, Barreserven von Fondsmanagern, das Verhältnis von positiv zu negativ gestimmten Börsenbriefen und auch Finanzberatern. Der am meisten beobachtete Faktor war 1929 das Leerverkaufsverhältnis, also die Anzahl von Shorts (Wetten auf fallende Kurse) im Verhältnis zum Börsenumsatz. Vor dem Crash gab es wenige, die auf fallende Kurse gewettet hatten, also short waren. Aber auch schon damals waren die auf Kredit gekauften Aktien im Verhältnis zur US-Börsenkapitalisierung ein wichtiger Indikator, der bis auf zehn Prozent gestiegen war. Eine so hohe Kreditaufnahme für den Aktienkauf gab es zuletzt nur 2015 bei der Aktienblase und dem folgenden Crash in China; üblich sind Werte um zwei Prozent.

Stimmungsüberschwang und hohe Aktienrückkäufe

Generell kann man sagen, dass 1929 und 1987 ein ähnlich großer Optimismus herrschte wie heute. Damals gab es auch eine Extrem-Spekulationsphase in Optionsscheinen. Die größte Parallele zwischen der heutigen Situation und 1929 liegt neben den steigenden Zinsen in den hohen Aktienrückkäufen von US-Unternehmen. Auch 1929 hatten sie zu einer ähnlichen Rekordbewertung bezogen auf die Kurs/Gewinn-Verhältnisse der Aktien geführt wie heute. Nur im Zuge der Internet-Blase um das Jahr 2000 waren die Aktienbewertungen noch höher.

Leichtsinnige Geldpolitik

Der Grund für die 2000er Überbewertung ist rückblickend nicht klar. Ich bin bis heute der Meinung, dass die leichtsinnige Politik des extrem billigen Geldes durch die US-Notenbank unter Alan Greenspan die Hauptursache war. Andere – meistens Amerikaner – geben den Asiaten und hier besonders den Chinesen die Schuld. Sie wären mit ihrer hohen Sparquote der Grund für die niedrigen Zinsen gewesen, weil die dadurch angehäuften chinesischen Währungsreserven massiv in amerikanische Anleihen gesteckt wurden. Die Käufe trafen auf ein begrenztes Angebot und das drückte die Zinsen. Greenspan hätte natürlich die Zinsen trotz asiatischer Käufe rechtzeitig heraufsetzen können. Ich war und bin allerdings der Meinung, dass wir uns bereits vor 2000 in einer Blase befanden und diese primär an der Höhe der Aktienbewertungen erkennbar war.

Zinsanstieg von einem auf sechs Prozent

Es gab also in der Detailbetrachtung durchaus unterschiedliche Ursachen für die großen Börsenkrisen. Hauptursache ist aber fast immer eine lange und scharfe Notenbank-Bremspolitik. 1929 hatte die US-Zentralbank nach fast zehn Jahren Niedrigzinspolitik die Zinsen von einem auf sechs Prozent erhöht. Nach der großen Nachkriegs-Inflation in den USA 1920 waren Zinsen und Teuerung bis Ende der 20er Jahre zurückgegangen, ähnlich wie 1982 bis heute. Mit den rückläufigen Zinsen verschuldeten sich die US-Unternehmen besonders stark. Die Kombination aus Notenbank-Bremspolitik einerseits und sehr schlechten Unternehmensbilanzen andererseits ermöglichten 1929 neben der spekulativen Überhitzung inklusive der Aktienrückkäufe dann die Baisse, die den Dow Jones um fast 90 Prozent von knapp 400 auf gut 40 drückte. Bei der Aufarbeitung des Börsensturzes 1932 gab man den Unternehmen mit ihren Aktienrückkäufen die Hauptschuld. Man sah die Börse nur von fundamentalen und markttechnischen Faktoren beeinflusst. Entsprechend verbot man die Aktienrückkäufe 1932, um sie dann erst in den 1980er Jahren in den USA wieder zu erlauben. Ähnlich wie in der Finanzkrise 2007 waren es 1929 also Teile der Privatwirtschaft, die die Wirtschaft schwächten und dann zusammen mit den Zinserhöhungen die Börsenkatastrophe auslösten: 2007 private Hypotheken und 1929 die Schulden der Privatunternehmen.

Private Verschuldung als Krisenbeschleuniger

Man hat lange bei der Verschuldung weder an der Börse, noch in der Literatur, ausreichend zwischen gefährlicher privater und durch Notenbanken beherrschbarer öffentlicher Verschuldung unterschieden. Inzwischen hat man gemerkt, dass Notenbanken sich unbegrenzt verschulden können und die öffentliche Verschuldung bislang sehr selten der Anlass für eine Börsenbaisse oder einen Konjunkturabsturz war. Die Politik bekam die Euro-Krise lange Zeit nicht in den Griff. Heute hat sich ein Prozess der Stützung durch die EZB eingespielt, so dass die europäischen Märkte in den letzten Jahren nicht von neuen Panikattacken erreicht wurden.

Hoffnung auf besonnenen Notenbankchef

Fazit: Es gibt zwischen 1929 und heute Ähnlichkeiten bei der markttechnischen Überreizung, der Überbewertung an den Kapitalmärkten und bei der Bremspolitik der US-Notenbank. Allerdings gehe ich davon aus, dass heute die Flexibilität bei der Bewältigung der Aufgaben der US-Notenbank besser ist als 1929.

Es bleibt zu hoffen, dass der US-Notenbank-Chef, Jerome Powell, sich bewusst ist, dass zu hohe Zinsen, gekoppelt mit einem drastischen Liquiditätsentzug zu einer neuen Konjunktur- und Börsenkrise führen können. Denn die US-Privatverschuldung von Unternehmen und Haushalten ist deutlich gewachsen und auch die Unsicherheit nimmt zu. Er muss sehr behutsam und besonnen re(a)gieren.

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