Der fundamentale Rückenwind für neue Rekordstände fehlt also?
In Amerika gab es wahnsinnig viele Aktienrückkaufprogramme, das hat die Börsenkurse steigen lassen. Aber es gab eben auch einen Investitionsstau. Irgendwann müssen die Investitionen wieder zunehmen, dann können die Unternehmen entsprechend weniger Aktien zurückkaufen. Wenn wir fünf Prozent reale Anlagenrendite hätten, fände ich das schon richtig viel. Das heißt nicht, dass es nicht auch mal im Jahr wieder 20 Prozent nach oben gehen kann, aber dann ist es im Jahr vorher auch erst mal 15 Prozent gefallen.
Die Schwankungen sind jetzt schon hoch. Sie sagen, es könne beim Dax auch ganz schnell um 1.000 Punkte runtergehen. Ist das die Schwankungsbandbreite, mit der Anleger länger leben müssen?
Auf jeden Fall. 1000 Punkte sind ja nur zehn Prozent. Wenn viele mit spekulativem Engagement am Markt sind - etwa über den Terminmarkt mit hohen Hebeln und die entsprechenden Stop-Loss-Orders greifen –, ist so ein Rückschlag ganz leicht drin. In der Krimkrise lagen die Papiere offenkundig noch in relativ festen Händen. Sonst wäre auch ein Kursabschlag von 15 Prozent gut möglich gewesen. Aber wie ein Markt auf solche Situationen reagiert, hängt immer von seiner technischen Verfassung ab. Damit meine ich eben, in welchen Händen die Papiere sind, also ob sie sehr spekulativ oder konservativ und vorsichtig investiert haben. Erstere sorgen mit ihren zittrigen Händen für die starken Schwankungen, letztere mit ihren ruhigen Händen für die langfristig guten Aussichten.
Ist denn nicht zu befürchten, dass mit der Beruhigung der Euro-Krise und dem allmählichen Aufschwung in den USA auch immer mehr Aktienanleger wieder in Anleihen umschichten?
Börse kann so simpel sein. Für den mittelfristigen Trend gucke ich mir vor allem eines an: Was haben in den vergangenen zwölf Monaten die langfristigen Anleiherenditen gemacht, vor allem in den USA. Wenn die um mehr als einen Prozentpunkt gerutscht sind, werden wir eine Aufwärtsentwicklung am Aktienmarkt sehen. Wenn die Renditen aber stark gestiegen sind, wird das den Aktienmarkt bremsen. Auch da gilt wieder: Haben wir einen spekulativen Überhang, gibt es einen richtigen Kursrücksetzer. Sind wir ohnehin eher vorsichtig aufgestellt, wird die Börse eher seitwärts laufen und nicht mehr richtig einbrechen. Da ist die Einschätzung wichtig. Nach den deutlich gestiegenen Anleiherenditen in den USA mit einer Fortsetzung der Aktienhausse zu rechnen, halte ich deshalb für gefährlich. Ich bin für 2014 – das ist der Hauptgrund – eher skeptisch eingestellt. Die Rendite für dreißigjährige US-Staatsanleihen liegt eineinhalb Prozentpunkte über dem Tiefststand vom Herbst 2012. Bisher hat es noch nie eine Phase am Aktienmarkt gegeben, wo das nicht negative Spuren hinterlassen hätte – mit einem zeitlichen Abstand von drei bis zwölf Monaten.
Gilt dieser Mechanismus trotz politisch getriebener Börsen und Quantitative Easing, also der massiven Anleihekäufe durch die US-Notenbank?
Ja, aber der Zusammenhang war bis zum Jahr 2000 noch deutlicher. Neu ist, dass der langfristige Zins am Anleihemarkt steigt, es gleichzeitig aber Quantitative Easing gibt. Dafür haben wir kein historisches Beispiel. Insofern ist denkbar, dass die Notenbankpolitik den beschriebenen Effekt am Anleihemarkt komplett überlagert. Dann könnten Aktien nicht einbrechen, sondern sogar weiter steigen. Aber es wäre völlig spekulativ, das anzunehmen. Jetzt signalisiert der Anleihemarkt jedenfalls mehr Vorsicht am Aktienmarkt. Erst wenn die Kurse gefallen sind und die Renditen wieder um ein oder eineinhalb Prozent nach unten gerutscht sind, werde ich wieder auf der Optimistenseite zum Kauf von Aktien blasen.