Stefan Riße im Interview "Eine Aktienhausse zu erwarten, ist gefährlich"

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"Börse kann so simpel sein"

Tipps fürs Börsenjahr 2014
Blick in die GlaskugelSelten waren Analysten bei ihrem jährlichen Blick in die Börsen-Glaskugel so optimistisch wie in diesem Jahr. Im Schnitt erwarten die Banken, dass der deutsche Leitindex Dax am Ende des Jahres bei rund 10.120 Punkten steht. Die größten Optimisten, in diesem Jahr die Analysten von Barclays, erwarten sogar einen Sprung auf 11.000 Punkte. Es gibt aber auch skeptische Stimmen. Die Helaba und die National Bank aus Essen rechnen damit, dass der Schlussstand 2014 etwas unter dem von 2013 liegen wird. "Das war eine ziemlich unglaubliche Rally und irgendwann werden wir eine Korrektur sehen müssen, wenn voraussichtlich auch noch nicht im Januar", prognostizierte Aktienstratege Peter Garnry von der Saxo Bank. Quelle: dpa
Geldpolitischer KurstreiberGrund zur Skepsis gibt es. Denn es sind weniger die fundamentalen Daten, die die Kurse in die Höhe schießen lassen, als die Handlungen der Notenbanker. Mit ihrer ultra-expansiven Geldpolitik haben EZB-Chef Mario Draghi und Fed-Chef Ben Bernanke den Grundstein für die Börsen-Rally 2013 gelegt. Bernanke kündigte kurz vor Weihnachten an, die Wertpapierkäufe der Fed langsam um 10 Milliarden Euro zurückzufahren. Damit sorgte er für ein Jahresend-Feuerwerk an den Börsen, der Dax kletterte auf über 9600 Punkte und damit auf den höchsten Stand aller Zeiten. Auch 2014 wird vieles an den Börsen von Draghi und Co. abhängen. Zieht die Fed ihr Tapering durch? Schafft auch die EZB die Kehrtwende? Oder senkt Draghi die Zinsen noch weiter? Genug Unruhepotenzial gibt es auf jeden Fall. Quelle: dpa
Einstieg verpasst?Um rund 25 Prozent hat der Dax im vergangenen Jahr zugelegt. Das Problem: Viele Privatanleger in Deutschland konnten davon nicht profitieren. Die Furcht vor Blasen am Aktienmarkt ist noch so präsent wie nach dem Zusammenbruch des Neuen Marktes. Nur langsam kehren Anleger an die Börse zurück, an den globalen Aktienmärkten war 2013 das erste Jahr seit 2006 mit einem Nettozufluss. Laut dem deutschen Fondsverband BVI wurden zwischen Januar und Oktober sogar über sechs Milliarden Euro aus Aktienfonds abgezogen. Dabei gibt es auch für sicherheitsbewusste Anleger passende Aktieninvestments. Quelle: AP
Für SicherheitsfansAuch sicherheitsbewusste Anleger müssen nicht auf Aktien verzichten. Allerdings birgt die Auswahl einzelner Aktien höhere Risiken, gewisse Marktkenntnisse sind erforderlich. Einfacher haben es Anleger mit Indexzertifikaten. Deren Entwicklung ist nicht an einzelne Papiere, sondern an jeweils einen ganzen Index wie beispielsweise den Dax geknüpft. Steigt der Leitindex, ist auch das Zertifikat mehr wert. Zwar ist mit einer Mischung aus Einzelaktien im Zweifel eine noch höhere Rendite drin, dafür ist das Risiko bei Indexzertifikaten aufgrund der Mischung vergleichsweise gering. Hinzu kommt, dass die Papiere im Vergleich zu aktiv gemanagten Fonds günstig sind. Quelle: AP
Überschaubares RisikoWer dennoch Geld für einen aktiv gemanagten Fonds investieren will und Wert legt auf ein überschaubares Risiko, setzt am besten auf Mischfonds. Hier wird nicht nur in Aktien, sondern auch in festverzinsliche Papiere wie Anleihen investiert. Bekannt für ausgewogene Mischfonds ist der Kölner Vermögensverwalter Flossbach von Storch von Bert Flossbach und Kurt von Storch. Ihr Fonds Multiple Opportunities R investiert neben Aktien und Anleihen auch in Edelmetalle. Die Manager haben dabei keine Beschränkungen, was den Anteil von Aktien oder Anleihen angeht. Was zählt, ist die positive absolute Rendite. Auch DWS-Fondsmanager Klaus Kaldemorgen ist für seinen ausgewogenen Mischfonds bekannt. Quelle: dpa
DividendenjagdWer als sicherheitsverliebter Anleger auf Aktien setzen will, stürzt sich mit Vorliebe auf dividendenstarke Titel. Grundsätzlich kann die Strategie zum Erfolg führen. Allerdings ist auch da Vorsicht geboten. Denn nicht immer bedeutet eine hohe Dividende gleichzeitig ein florierendes Geschäftsmodell. Wird die Dividende aus der Substanz gezahlt statt aus erwirtschafteten Gewinnen, ist das kein gutes Zeichen. Dennoch gibt es einige Papiere, die sich auch aufgrund ihrer stabilen Ausschüttungen lohnen. Im Dax gehört dazu die Allianz. Die Versicherung ist für eine stetige Ausschüttungspolitik bekannt, außerdem ist die Aktie mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von weniger als dem zehnfachen des Jahresgewinns vergleichsweise günstig. Ähnlich sieht es beim Rückversicherer Munich Re aus. Wem die Auswahl einzelner Aktien zu kompliziert ist, kann auch hier auf einen Fonds setzen. Einige investieren gezielt in Papiere mit hoher Dividendenrendite, etwa der DWS Top Dividende oder der M&G Global Dividend A. Quelle: dpa/dpaweb
Mittleres RisikoWer mit Zukäufen ins neue Jahr starten will und etwas risikofreudiger ist, kann auf einzelne Aktien setzen. Dabei muss immer auf den Preis geachtet werden. Gerade lukrative Papiere im MDax, der zweiten Börsenliga, sind oft schon sehr teuer - Anleger zahlen ein Vielfaches des Jahresgewinns für eine Aktie. Es gibt aber auch noch Aktien großer Dax-Konzerne, die erschwinglich sind. Dazu zählt unter anderem die VW-Aktie mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von unter zehn. Sollte die globale Konjunktur 2014 wie erwartet weiter anziehen, dürften die Wolfsburger davon profitieren. Insbesondere die Entwicklung in China ist entscheidend. Auch Vorzugsaktien von BMW punkten bei Privatanlegern mit einem niedrigen KGV bei gleichzeitig attraktiver Dividendenrendite. Wem die Rendite bei Mischfonds zu niedrig ausfällt, der kann auch auf spezialisierte Fonds setzen, die beispielsweise gezielt in deutsche, europäische oder US-Aktien investieren. Quelle: dpa

Der fundamentale Rückenwind für neue Rekordstände fehlt also?

In Amerika gab es wahnsinnig viele Aktienrückkaufprogramme, das hat die Börsenkurse steigen lassen. Aber es gab eben auch einen Investitionsstau. Irgendwann müssen die Investitionen wieder zunehmen, dann können die Unternehmen entsprechend weniger Aktien zurückkaufen. Wenn wir fünf Prozent reale Anlagenrendite hätten, fände ich das schon richtig viel. Das heißt nicht, dass es nicht auch mal im Jahr wieder 20 Prozent nach oben gehen kann, aber dann ist es im Jahr vorher auch erst mal 15 Prozent gefallen.

Die Schwankungen sind jetzt schon hoch. Sie sagen, es könne beim Dax auch ganz schnell um 1.000 Punkte runtergehen. Ist das die Schwankungsbandbreite, mit der Anleger länger leben müssen?

Auf jeden Fall. 1000 Punkte sind ja nur zehn Prozent. Wenn viele mit spekulativem Engagement am Markt sind - etwa über den Terminmarkt mit hohen Hebeln und die entsprechenden Stop-Loss-Orders greifen –, ist so ein Rückschlag ganz leicht drin. In der Krimkrise lagen die Papiere offenkundig noch in relativ festen Händen. Sonst wäre auch ein Kursabschlag von 15 Prozent gut möglich gewesen. Aber wie ein Markt auf solche Situationen reagiert, hängt immer von seiner technischen Verfassung ab. Damit meine ich eben, in welchen Händen die Papiere sind, also ob sie sehr spekulativ oder konservativ und vorsichtig investiert haben. Erstere sorgen mit ihren zittrigen Händen für die starken Schwankungen, letztere mit ihren ruhigen Händen für die langfristig guten Aussichten.

Ist denn nicht zu befürchten, dass mit der Beruhigung der Euro-Krise und dem allmählichen Aufschwung in den USA auch immer mehr Aktienanleger wieder in Anleihen umschichten?

Börse kann so simpel sein. Für den mittelfristigen Trend gucke ich mir vor allem eines an: Was haben in den vergangenen zwölf Monaten die langfristigen Anleiherenditen gemacht, vor allem in den USA. Wenn die um mehr als einen Prozentpunkt gerutscht sind, werden wir eine Aufwärtsentwicklung am Aktienmarkt sehen. Wenn die Renditen aber stark gestiegen sind, wird das den Aktienmarkt bremsen. Auch da gilt wieder: Haben wir einen spekulativen Überhang, gibt es einen richtigen Kursrücksetzer. Sind wir ohnehin eher vorsichtig aufgestellt, wird die Börse eher seitwärts laufen und nicht mehr richtig einbrechen. Da ist die Einschätzung wichtig. Nach den deutlich gestiegenen Anleiherenditen in den USA mit einer Fortsetzung der Aktienhausse zu rechnen, halte ich deshalb für gefährlich. Ich bin für 2014 – das ist der Hauptgrund – eher skeptisch eingestellt. Die Rendite für dreißigjährige US-Staatsanleihen liegt eineinhalb Prozentpunkte über dem Tiefststand vom Herbst 2012. Bisher hat es noch nie eine Phase am Aktienmarkt gegeben, wo das nicht negative Spuren hinterlassen hätte – mit einem zeitlichen Abstand von drei bis zwölf Monaten.

Gilt dieser Mechanismus trotz politisch getriebener Börsen und Quantitative Easing, also der massiven Anleihekäufe durch die US-Notenbank?

Ja, aber der Zusammenhang war bis zum Jahr 2000 noch deutlicher. Neu ist, dass der langfristige Zins am Anleihemarkt steigt, es gleichzeitig aber Quantitative Easing gibt. Dafür haben wir kein historisches Beispiel. Insofern ist denkbar, dass die Notenbankpolitik den beschriebenen Effekt am Anleihemarkt komplett überlagert. Dann könnten Aktien nicht einbrechen, sondern sogar weiter steigen. Aber es wäre völlig spekulativ, das anzunehmen. Jetzt signalisiert der Anleihemarkt jedenfalls mehr Vorsicht am Aktienmarkt. Erst wenn die Kurse gefallen sind und die Renditen wieder um ein oder eineinhalb Prozent nach unten gerutscht sind, werde ich wieder auf der Optimistenseite zum Kauf von Aktien blasen.

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