Stelter strategisch

Was am Gerede vom „Melt-up“-Boom dran ist

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15.000 Milliarden Dollar, die Inflation und der Melt-up

Wichtig für einen funktionierenden „Melt-up“ ist neben der geschilderten Dynamik eine Geschichte, mit der man die Preisentwicklung rationalisieren kann. Bei der Dotcom-Blase war es die neue industrielle Revolution – die dann viel später kam und heute von Firmen dominiert wird, die zu dieser Zeit teilweise noch nicht existierten. Bei der Immobilienblase in den USA , aber auch in Irland und Spanien war es die Überzeugung, dass Immobilien niemals im Preis fallen können, gelten sie doch als das sicherste Investment überhaupt. Die Enttäuschung folgte und dürfte auch bei den Blasen von Vancouver bis München noch bevorstehen.

Heute ist es die Furcht vor den Folgen der anhaltend lockeren Geldpolitik. Mehr als 15.000 Milliarden Dollar haben die führenden Notenbanken seit der Finanzkrise in die Märkte gepumpt – mit magerem Erfolg in der Realwirtschaft und erheblichem Erfolg an den Börsen. Die Inflation – offiziell nicht gewollt, faktisch jedoch das Ziel, um die Überschuldung von Staaten und Privaten zu bereinigen – blieb tief. Bis jetzt.

Immer wieder gab es Warnungen vor der bevorstehenden (Hyper?)Inflation und vor genau einem Jahr habe ich mich an dieser Stelle kritisch damit auseinandergesetzt. Bisher überwog der deflationäre Druck aus Schulden, Fehlinvestitionen und Überalterung. Nun könnte es aber nach Auffassung einiger Auguren soweit sein. Zu geringe Investitionen in einigen Bereichen – zum Beispiel der Ölförderung – dürften sich schon bald in höheren Inflationsraten niederschlagen. Sobald das der Fall ist, würde demnach eine Flucht aus dem Papiergeld einsetzen, der zu einem „Melt-up“ bei allen Realwerten führt, also auch bei Aktien. Dann wären wir in einem Börsenumfeld, in dem der Preis keine Rolle spielt, da es nur noch um die Rettung von Vermögen geht.

Gute Geschichte, aber nicht die einzige

Wie schon vor einem Jahr mag ich das Szenario nicht ausschließen, warne aber davor, sich einseitig in diese Richtung zu positionieren. Es kann nämlich auch ganz anders kommen. Steigende Zinsen könnten den Bewertungen an der Börse rasch die Grundlage nehmen. Zwar glauben Optimisten, dass die Notenbanken einen solchen Zinsanstieg verhindern können und damit Börsen und Inflation befeuern. Doch sicher ist das nicht, müssten die Notenbanken doch radikale Maßnahmen ergreifen, wie noch größere Wertpapierkäufe und die direkte Staatsfinanzierung („Helikopter-Geld“), die sich bei steigenden Inflationsraten schwer rechtfertigen lassen. Der Melt-up aus Inflationsangst setzt jedoch genau dieses voraus.

Bitcoin bricht ein, Fed verliert die Unabhängigkeit
Bitcoin Quelle: dpa
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Yuan Quelle: REUTERS
Frankfurter Börse Quelle: dpa
USA-Flagge Quelle: dpa

Genauso gut kann es sein, dass die Artikel über den bevorstehenden Melt-up ein viel banaleres Ziel verfolgen: nämlich denjenigen, die bereits voll investiert sind, einen Ausstieg aus den Märkten zu erleichtern.

2018 werden wir sehen, was stimmt. Aus strategischer Sicht bleibe ich bei meiner Empfehlung an einem stabilen Portfolio festzuhalten und dabei die Cash-Position nicht zu vergessen. Kommt es zum Melt-up, ist man dabei. Crasht es schon früher, hat man Pulver zum nachkaufen.

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