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China-Aktien bremsen die Rendite

Daniel Stelter Quelle: Presse
Daniel Stelter Unternehmensberater, Gründer Beyond the Obvious, Kolumnist Zur Kolumnen-Übersicht: Stelter strategisch

Marketingstrategen feiern die Aufnahme von China-Aktien in internationale Börsenindizes. Doch viele der Unternehmen sind politisch gegängelt und hoch verschuldet - ein neuer Beweis, wie schädlich der Indexglaube ist.

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Die Aufnahme chinesischer Unternehmen in den Weltaktienindex dürfte sich für die Investoren eher als eine Renditebremse als ein Renditeturbo erweisen. Quelle: Fotolia

Herzlichen Glückwunsch: ab sofort steigt der Anteil hoch verschuldeter Unternehmen unter staatlichem Einfluss in Ihrem Portfolio. Dass die Renditeaussichten damit sinken, liegt auf der Hand. Staatliche Kontrolle hat noch nie die Rendite von Unternehmen gesteigert – die Politik von Singapur mag hier die berühmte Ausnahme sein, die die Regel bestätigt. Hohe Schulden sind kein Qualitätsausweis für künftige Erfolge.

Doch in Wirklichkeit gibt es kein eindeutigeres Warnsignal für kommende Krisen als eine deutlich steigende Verschuldung des Unternehmenssektors. Sowohl 1929 in den USA wie auch 1990 in Japan war die hohe Verschuldung der Unternehmen Ursache für den nachfolgenden Einbruch.

China vor Turbulenzen

Im Fall der Aufnahme der China-A-Aktien in den MSCI-Index wenden Optimisten ein, dass es sich wegen des staatlichen Einflusses bei diesen Unternehmen ja eher um Staats- als um Privatschulden handelt, weshalb Sorgen unbegründet seien. Trotzdem bleibt es bei der Einschätzung: die Aufnahme Chinas in den Weltaktienindex dürfte sich für die Investoren eher als eine Renditebremse als ein Renditeturbo erweisen.

Ähnlicher Anlageschwerpunkt, unterschiedliche Risiken

Aus verschiedenen Gründen bin ich skeptisch. Zum einen gibt es keinen besseren Indikator für die künftigen Erträge eines Unternehmens als die Qualität der Governance. Ein Negativbeispiel in Deutschland bleibt für mich Volkswagen. Die Aktionärsstruktur muss einen Investor, der auf Qualität achtet, abschrecken. Die lange Liste der Skandale und die sich abzeichnenden Schwierigkeiten bei der Bewältigung des technologischen Wandels sind nur Symptome für weitaus tieferliegende Probleme. Im Zweifel müssen das immer die außenstehenden Aktionäre ausbaden. 

In der Tat zeigen verschiedene Studien, dass gerade in Schwellenländern die Aktien von Unternehmen mit Staatseinfluss mit einem deutlichen Abschlag gegenüber rein privat gehaltenen Firmen notieren. Die Märkte befürchten zu Recht, als aussenstehende Aktionäre schlechter behandelt zu werden. Das macht die Aktien zwar günstiger, dennoch dürfte auch die Rendite über die Zeit geringer ausfallen.

Medien und Banken werben für die passive Geldanlage: Kostengünstige, börsengehandelte Indexfonds statt teurer Geldmanager, die obendrein noch schlechte Leistung erbringen. Intuitiv richtig, aber dennoch eine Illusion.
von Daniel Stelter

Zum anderen ist es ein offenes Geheimnis, dass die Verschuldung des chinesischen Unternehmenssektors die weltweite Finanzstabilität gefährdet. Dabei ist die chinesische Führung in einem Dilemma gefangen. Entweder sie lässt einen weiteren Anstieg der Verschuldung für mehr oder weniger sinnvolle Investitionen zu oder aber der Ersparnisüberschuss der privaten Haushalte ergießt sich in Form deutlich steigender Handelsüberschüsse auf die Weltmärkte. (Der Zusammenhang ist hier erklärt).

Die Folge wären ein deflationärer Schock für die Weltwirtschaft und zweifellos erhebliche protektionistische Maßnahmen der anderen Regionen, allen voran der USA. Angesichts dieser Optionen versucht die chinesische Regierung die Mittelverwendung der Unternehmen in produktivere Kanäle zu lenken und unterzieht Auslandsinvestitionen einer deutlicheren Prüfung. Nicht selten haben sich in den vergangenen Monaten westliche Beobachter gefragt, woher die chinesischen Käufer die Mittel für ihre Einkaufstouren nehmen.

Indexinvestoren kaufen teuer

Hinzu kommt, dass die Indexinvestoren teuer kaufen. Die Aufnahme Chinas erfolgt erst im Laufe des kommenden Jahres. Dennoch stiegen die dortigen Börsen in Erwartung einer Aufnahme in den Index bereits auf den höchsten Stand seit 18 Monaten. Die Investoren decken sich ein, bevor die Indexfonds nachziehen müssen.

Diese können schließlich erst dann offiziell chinesische Aktien halten, wenn der Benchmark an dem sie sich orientieren dies auch tut. Wer also Fonds hält, die den Index abbilden oder sich an diesem orientieren, kann schon heute festhalten, dass er die Aktien erst später und dafür voraussichtlich teurer in seinem Portfolio hat.

Das gleiche gilt für Saudi-Arabien, dessen Aufnahme in den Index ebenfalls diskutiert wird. Alleine am Tag der Ankündigung legte der dortige Markt um 4,3 Prozent zu. Zu Recht. Denn sollte es tatsächlich zur Aufnahme des Landes kommen, müssten rund neun Milliarden US-Dollar dort angelegt werden. Egal zu welchem Preis.

Abgesehen davon dürfte sich auch Saudi-Arabien angesichts der strukturellen Probleme, vor denen das Land durch die demographische Explosion und dem zeitgleichen Ende des Ölzeitalters steht, als Ertragsbremse erweisen.

Die zwölf Supertrends der Zukunft
Credit SuisseDer Schweizer Finanzdienstleister unterscheidet bei den Supertrends fünf verschiedene Themen-Bereiche: multipolare Welt, Infrastruktur, neue Technologien, Silver Economy (alles rund um die älter werdende Bevölkerung) und – als Gegenstück dazu – die Ziele der Millennials, der sogenannten Generation Y. Quelle: REUTERS
Trend 1: Verunsicherung der MittelschichtDer Brexit gilt als Symbol für die Verunsicherung der Mittelschicht. Diese ärgert sich laut der Credit-Suisse-Analyse immer mehr darüber, dass die Politik sich nicht ausreichend mit als wichtig empfundenen Problemen – wie unkontrollierter Einwanderung und Terrorismus – auseinandersetzt. Das hat dazu geführt, dass sich die Mittelschicht in vielen europäischen Ländern Veränderungen im politischen System wünscht – und beispielsweise in Großbritannien dem Brexit zustimmte. Die in den turbulenten vergangenen Monaten angetretenen neuen Regierungen wollen sich laut Wahlversprechen wieder mehr für die Mittelschicht einsetzen. Hier knüpfen die Empfehlungen der Credit Suisse an, auf welche technischen und wirtschaftlichen Supertrends Anleger aktuell ein besonderes Auge werfen sollten. Quelle: AP
Trend 2: Neue Jobs, höhere LöhneDie Credit Suisse tippt darauf, dass neue Regierungen in Europa versuchen werden, den Wohlstand der Mittelschicht wiederherzustellen. Dafür sollen neue Jobs geschaffen und das Lohnniveau gesteigert werden. Die Schweizer Bank rechnet aus diesem Grund mit einem Aufschwung für Sektoren und Firmen, die von dieser politischen Wiederentdeckung der Mittelschicht profitieren. Quelle: dpa
Trend 3: Sicherheit und VerteidigungDas Gleichgewicht verschiebt sich: Geopolitische Unsicherheiten und ein angespanntes Verhältnis zwischen den militärischen Schwergewichten USA, Russland und anderen führt laut der Studie dazu, dass Politiker ihren Fokus auf die Themen Sicherheit und Verteidigung legen werden – und auf die Konzerne, die sich um diese Bedürfnisse kümmern. Entsprechende Investments dürften sich auszahlen. Quelle: dpa
Trend 4: DrohnenNeben der Verteidigung spielt auch der Bevölkerungsschutz eine große Rolle. Laut Credit Suisse wird der Markt für entsprechende Produkte rapide wachsen. Das Aufspüren von Sprengsätzen und die Überwachung öffentlicher Plätze könnten in Zukunft von Drohnen, Robotern und künstlicher Intelligenz übernommen werden. Quelle: dpa
Trend 5: Investitionen in WachstumsmärkteNeue Wachstumsmärkte wie beispielsweise die Volksrepublik China sind auf der nächsten Entwicklungsstufe angekommen. Die Credit Suisse vermutet deshalb, dass gerade die dortigen Konsumenten zukünftig im Fokus stehen – ihrer Regierungen, aber auch der internationalen Anleger. Quelle: REUTERS
Trend 6: Heimische MärkteDie Bank ist sich außerdem sicher, dass nationale Firmen und Marken bei den Konsumenten wieder beliebter werden. Das ist aber nicht nur auf steigende Vertrauenswürdigkeit und sinkende Preise zurückzuführen. In einigen Ländern, wie etwa in Brasilien, schützen zudem strenge Auflagen den heimischen Markt vor Importen, etwa in der Arzneimittel-Branche. Quelle: dpa

Dafür Argentinien nicht

Dabei wollen uns die Indexkonstrukteure doch schützen, sagen sie zumindest. Genau dies ist die Motivation, Argentinien – übrigens die beste Börse des Jahres 2017 bisher – nicht in den Index aufzunehmen. Mit dem erwartbaren Ergebnis: die Börse fiel um fünf Prozent und die Währung zwei Prozent gegenüber dem US-Dollar. Die Spekulation ging nicht auf.

Laut Studien gelingt es nur selten, doch dieses Jahr haben es US-Fondsmanager häufig geschafft: Ihren Vergleichsindex zu schlagen. Schön für sie! Warum deutsche Anleger ihnen trotzdem nicht ihr Geld anvertrauen sollten.
von Heike Schwerdtfeger

Jetzt kann man sagen – wie es die Indexkonstrukteure des MSCI tun –, dass Argentinien keine gute Geschichte im Umgang mit ausländischem Geld hat. Mehr als einmal kam es in den letzten Jahrzehnten zu Kapitalverkehrsbeschränkungen und Staatsbankrotten. Eine Argumentation, die ich nachvollziehen kann. Allerdings passt das nicht so richtig zu der Tatsache, dass Argentinien in der vergangenen Woche eine 100-jährige Anleihe begeben hat, die immerhin mehr als dreimal überzeichnet war.

Sind das nur dumme Investoren, die man nicht vor einer unwirtschaftlichen Investition schützen konnte? Ich für meinen Teil jedenfalls hätte lieber argentinische Aktien statt Anleihen und übrigens auch lieber als Aktien von saudi-arabischen Firmen.

Den Käufern der Anleihe ist das sicherlich egal. Denn wie hier schon anlässlich der 100-jährigen Staatsanleihen von Irland und Belgien erläutert, kaufen sie die Papiere ja nicht mit eigenem Geld, sondern mit unserem.

Dabei, egal ob wir wollen

Womit wir beim Punkt sind: als Investoren in Indexfonds und in Fonds, die sich eng am Index orientieren, sind wir dabei, egal ob wir nun wollen oder nicht. Je mehr der Trend in Richtung „passives investieren“ (was nicht so passiv ist, wie es dargestellt wird) geht, desto geringer wird die Rendite der „passiven“ und desto größer die Chance für die wirklich „aktiven“ Investoren. Gerade in den kommenden Monaten wird sich das zeigen.

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