Jetzt ist also passiert, was einige Beobachter schon lange erwartet haben: China ist in den weltweiten Wettlauf um die schwächste Währung mit eingestiegen. Nach Japan und der Eurozone war es nur eine Frage der Zeit. Natürlich wäre ein Währungskrieg in niemandes Interesse. Dazu sind die Wirkungen, wie wir seit der großen Depression der 1930er Jahre wissen, viel zu dramatisch. Am Ende eines Währungskrieges würde es nur Verlierer geben. Doch wenn es andere schon machen – wer kann China verdenken, dann auch mitzumachen?
Exporteur von Deflation
Damit exportiert die Volkswirtschaft mit dem größten deflationären Druck fallende Preise in alle Welt. Nach einem schuldenfinanzierten Überinvestitionsboom, der zu Fehlinvestitionen von bis zu sechs Billionen US-Dollar geführt hat, fallen die Produzentenpreise in China nun schon seit 40 Monaten. Schuldner, die versuchen um jeden Preis an Liquidität zu kommen, achten nicht mehr auf Gewinne. Es geht nur noch um Cash. Die sinkende Importnachfrage nach Rohstoffen und Industriegütern trifft auf eine Welt, die im Vertrauen auf den endlosen chinesischen Boom ebenfalls erhebliche Überkapazitäten aufgebaut hat.
Zum Autor
Daniel Stelter war von 1990 bis 2013 Unternehmensberater bei der Boston Consulting Group (BCG), zuletzt als Senior Partner, Managing Director und Mitglied des BCG Executive Committee. Seit 2007 berät Stelter internationale Unternehmen zu den Herausforderungen der fortschreitenden Finanzkrise. Zusammen mit David Rhodes verfasste er das 2010 preisgekrönte Buch „Nach der Krise ist vor dem Aufschwung“. Weitere Bücher folgten, aktuell hat Stelter eine Replik auf das Buch „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ des französischen Ökonomen Thomas Piketty unter dem Titel „Die Schulden im 21. Jahrhundert“ veröffentlicht. Stelter ist Gründer des auf Strategie und Makroökonomie spezialisierten Forums „Beyond the Obvious“, das Antworten auf die wirtschaftlichen und finanzpolitischen Fragen unserer Zeit sucht.
Jeder sucht in diesem Umfeld den eigenen Vorteil, am besten über eine schwächere Währung. Dies steht hinter dem Versuch der japanischen Regierung, mit Abenomics die Wirtschaft aus der Deflation zu befreien; dies steht hinter der Strategie der EZB, den Euro zu schwächen. Nun, nachdem der Renminbi seit Anfang 2014 handelsgewichtet um rund zehn Prozent zugelegt hat, zieht China die Notbremse und setzt ebenfalls auf eine Exportbelebung durch eine weichere Währung. Dabei bin ich angesichts der erheblichen Auslandsschulden der chinesischen Unternehmen überzeugt, dass es zu keinem raschen weiteren Kursverlust kommen wird. Eher werden wir einen gemächlichen Abstieg sehen.
Doch zur Besorgnis genügen bereits die fallenden Produzentenpreise in China. Es braut sich weltweit ein deflationäres Szenario zusammen. Dabei ist es völlig richtig, dass Deflation keineswegs gleich mit Depression gleichgesetzt werden muss, wie dass die Amerikaner tun. Die Wirtschaftsgeschichte kennt lange Phasen fallender Preise, die mit deutlichem Wirtschaftswachstum einhergingen.
Japanisches Szenario
Allerdings waren dies Phasen mit geringer Verschuldung. Heute leben wir in einer überschuldeten Welt mit erheblichen Überkapazitäten. Sieben Jahre nach der letzten akuten Krise ist die Geldpolitik immer noch sehr locker. In Europa soll so der Euro gerettet werden, und selbst in den USA ist die Erholung ausgesprochen schwach. Schwaches Wachstum mit fallenden Preisen – das verheißt nichts Gutes. Europa und die USA drohen in ein japanisches Szenario zu fallen: Geringes Wachstum, chronische Deflation, schrumpfende (oder im Falle der USA stagnierende) Erwerbsbevölkerung, zunehmende Verteilungskonflikte und außer Kontrolle geratene Verschuldung.
Die Politik und die Notenbanken werden sicherlich alles versuchen, um dieses Szenario, vor dem der IWF schon seit längerem warnt, zu verhindern. Japan hat dies bekanntlich in den vergangenen Jahrzehnten auch versucht - ohne den gewünschten Erfolg. Als Investor muss man sich darauf einstellen, dass es uns ähnlich ergeht.
Diversifikation im Szenario der Deflation
Regelmäßig habe ich an dieser Stelle den Wert der Diversifikation gepredigt. Liquidität, Anleihen, Gold, Aktien und Immobilien in globaler Streuung sind demnach der beste Weg, um in allen Szenarien Vermögen zu erhalten und perspektivisch auch zu mehren. Gilt das auch im Falle der Deflation?
Liquide Mittel in verschiedenen Währungen sind fester Bestandteil eines soliden Portfolios. Dabei denke ich unter anderem an Schweizer Franken, Singapur Dollar und US-Dollar. Vordergründig ist Liquidität die beste Geldanlage in Zeiten der Deflation. Schließlich würde das Geld mit jedem Tag an Kaufkraft gewinnen. Problematisch ist jedoch, dass die Politik der Negativzinsen in diesem Szenario noch radikaler umgesetzt wird, und man auf dem Bankkonto faktisch einer Besteuerung unterliegt.
Hinzu kommt, dass im Zuge der Deflation immer mehr Schuldner in Zahlungsschwierigkeiten geraten werden und ihre kreditgebenden Banken ins Wanken bringen. Dann werden Bankgläubiger zur Sanierung mit herangezogen werden. Bankguthaben sind somit in einigen Ländern – auch Deutschland – nicht sicher. Bargeld bietet sich noch als Alternative an. Dabei werden die Bemühungen, die Nutzung von Bargeld in Zukunft einzuschränken, zunehmen. Heute kann man Bargeld noch unbegrenzt abheben und verwenden. In Zukunft könnte dies erheblichen Beschränkungen unterliegen. Dennoch spricht das Szenario der Deflation für eine Erhöhung der Bargeldquote.