Stelter strategisch

Für Panik ist es längst zu spät

Daniel Stelter Quelle: Presse
Daniel Stelter Unternehmensberater, Gründer Beyond the Obvious, Kolumnist Zur Kolumnen-Übersicht: Stelter strategisch

Die Börsen sind angeschlagen und es geht weiter bergab. Der jahrelange Super-Schulden-Zyklus geht weiter, deshalb bleiben Disziplin und Strategie gefragt.

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Wall Street Quelle: dpa

„If you`re going to panic, panic early“ heißt es an der Wallstreet. Sprich: wenn schon Panik, dann bitte rechtzeitig. Auf heute übertragen bedeutet dies: jetzt ist es zu spät, um in Panik zu verfallen. Regelmäßige Leser dieser Kolumne waren ohnehin vorgewarnt, spätestens als ich – sicherlich mit viel Glück im Timing – anlässlich der US-Zinserhöhung im Dezember die Baisse ausgerufen habe. Und auch das war schon spät, sind doch die Profis bereits im Sommer ausgestiegen. Dennoch: angesichts der Entwicklung bis heute können sich alle, die im Dezember aus den Märkten ausgestiegen sind, glücklich schätzen.

Doch das ist alles nur Taktik. Viel wichtiger ist es, gerade in Zeiten, in denen andere in Panik verfallen, an der Strategie festzuhalten.

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Denn genau dafür haben wir die Strategie. Diese muss berücksichtigen, dass

• wir uns in einer Überschuldungssituation befinden, die durch die Politik der Notenbanken in den letzten Jahren weltweit verschärft wurde;
• diese Überschuldung zunehmend die Realwirtschaft erdrückt und zu Stagnation und Deflation führt;
• die Kooperationsbereitschaft auf globaler Ebene abnimmt, und immer mehr Länder versuchen, durch eine Schwächung der eigenen Währung einen (kurzfristigen) Vorteil zu erzielen, und dies perspektivisch auch den Euro bedroht;
• die Bewertungen an den Finanzmärkten sich (immer noch) auf weit überhöhtem Niveau befinden, weshalb ohne Crash nur maue Renditen zu erwarten sind;
• Politik und Notenbanken im Falle einer neuen Krise radikale Maßnahmen ergreifen werden: Negativzinsen, Bargeldverbot und Helikopter-Geld, also direkte Staatsfinanzierung durch die Notenbanken.

So verdienen Sie Geld an der Börse
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Börsentafel Quelle: dpa
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Unser Portfolio muss deshalb alles überleben: Deflation, Zahlungsausfälle, Inflation. Wie hier immer wieder betont, geht es nicht um einen kurzfristigen Gewinn, sondern um den langfristigen kaufkraftbereinigten Vermögenserhalt – plus X. Natürlich sollte X möglichst groß und idealerweise positiv sein. Doch befinden wir uns mitten in einer Phase massiver Vermögensvernichtung und da ist schon derjenige Gewinner, der die Verluste in Grenzen hält.

Zur Erinnerung: das „Stelter Portfolio“ ist weder neu noch originell: je 25 Prozent sollte in Aktien, Gold, Liquidität und Immobilien angelegt sein, dies mit nur vorsichtiger Verschuldung und vor allem international gestreut. Eine Anpassung sollte turnusmäßig erfolgen, mindestens einmal im Jahr und möglichst kostengünstig. Wer so aufgestellt ist, hat zwar gegenüber dem Höchststand vom vergangenen Jahr einige Verluste erlitten, diese wurden aber durch die Erholung bei Gold etwas kompensiert.

Die größten Skandale und Pleiten im Börsenjahr 2015
Politische Einflussnahme an den Finanzmärkten prägte das Börsenjahr 2015 – und löste Kurskapriolen zu Lasten der Anleger aus. Etwa im Sommer: Mit einer Hinhaltetaktik versuchte die neugewählte griechische Regierung von Alexis Tsipras, ihre Verhandlungsposition gegenüber der EU um neue Hilfskredite zu stärken. Leidtragende waren die Besitzer griechischer Staatsanleihen und die Sparer.Quelle: Schwarzbuch Börse, Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) Quelle: dpa
Auf dem Höhepunkt der Verwerfungen schlossen die griechischen Banken vorübergehend und der Handel mit griechischen Wertpapieren war bis Anfang August ausgesetzt. Als der Handel wieder erlaubt war, stiegen Staatsanleihen des Krisenstaats auf neue Jahreshochs. Der griechische Aktienmarkt hingegen brach weiter ein und erreichte Ende August den tiefsten Stand seit Mitte 2012. Quelle: dpa
Doch nicht nur in Griechenland, auch in China bekamen Börsianer die Kraft staatlicher Einflussnahme zu spüren: So war der Schanghai Index der Aktien aus der ersten Reihe von Mitte 2014 bis Mitte 2015 zunächst um 150 Prozent gestiegen, unter anderem weil Chinas Führung über einen Staatsfonds sehr viel Geld in den Aktienmarkt gepumpt hatte. Die Blase platzte dann jedoch, als die Zentralbank die extrem lockeren Regeln für Wertpapierkredite verschärfte und Sparer darüber hinaus einen Rückzug der staatlichen Stützungskäufe fürchteten. Quelle: REUTERS
Von Mitte Juni an verlor der Schanghai-A-Index in nur drei Wochen ein Drittel an Wert. Der Versuch, über staatliche Verordnungen die Börsenkurse zu stabilisieren, schlug zunächst fehl. Es folgte eine zweite Ausverkaufswelle. Peking setzte daraufhin zwischendurch rund zwei Drittel aller Aktien vom Handel aus. „Die mangelnde Transparenz der chinesischen Politik hinsichtlich des wahren Zustands der heimischen Wirtschaft wird im Börsenjahr 2016 zu den größten Unsicherheitsfaktoren zählen“, heißt es im Schwarzbuch. Quelle: dpa
Anders als im Vorjahr haben einige einzelne Dax-Werte an der Börse ordentlich Wert vernichtet. So etwa die Versorger. Nach der politisch gewollten Abkehr von der Atomenergie ringen alle großen Energieunternehmen in Deutschland um eine neue Strategie. 2015 hagelte es Rekordverluste, vor allem für Eon und RWE. Quelle: dpa
Für die größten Vermögensverluste für Anleger sorgte jedoch Volkswagen mit dem Eingeständnis, die Abgaswerte seiner Dieselmotoren manipuliert zu haben. Am 21. September verlor der Wolfsburger Autokonzern ein Drittel seines Börsenwerts. Der Sippenhaft-Effekt verursachte auch zweistellige Kurseinbrüche bei den anderen Autokonzernen im Dax sowie den zahlreichen Zulieferern in MDax und SDax. Vorstandschef Martin Winterkorn musste seinen Hut nehmen. Quelle: dpa
Und es wird teuer für VW: Analysten beziffern die Gesamtkosten aus drohenden Gerichtsverfahren auf 30 bis 45 Milliarden Euro. „Noch offen ist dabei eine vermutete Schadensersatzpflicht gegenüber Anlegern, da Volkswagen aus Sicht vieler Anwälte und der SdK den Kapitalmarkt möglicherweise zu spät über die Manipulationen informierte“, heißt es im Schwarzbuch. Quelle: dpa

Hinzu kommt, dass Aktien, die unter Qualitätsgesichtspunkten ausgewählt werden – wie hier erläutert - deutlich weniger Kursverluste erzielen als der breite Markt. So finden sich in meinem Portfolio schon lange keine Finanzwerte mehr. Ich kaufe keine Aktien von Unternehmen, deren Bilanzen ich nicht verstehe, die vor allem den Ertrag der Mitarbeiter steigern und deren Strafzahlungen die Dividenden übersteigen. Deshalb halte ich auch nichts von Indexfonds, die zwangsläufig Unternehmen enthalten, deren Geschäftsmodell zerstört wurde (Versorger) oder strukturell noch nie Geld verdient haben (Fluggesellschaften).

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