Stelter strategisch

Langfristiger Wohlstand? Nicht in Deutschland!

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Produktivität steigern

Natürlich gäbe es Möglichkeiten, die Produktivität pro Kopf zu steigern. Naheliegend sind Investitionen in Bildung, Innovation und Infrastruktur. Diese werden nicht im erforderlichen Maße getätigt, da unsere Regierenden lieber soziale Wohltaten verteilen, als in die Zukunft zu investieren. Selbst wenn es zu einer Steigerung der Ausgaben käme, so ist Geld alleine nicht ausreichend, um die eklatanten Unterschiede in der schulischen Leistung von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund zu überwinden. Das soziale Umfeld, die Bildungsnähe und die kulturellen Unterschiede lassen sich – wenn überhaupt – nur langsam ändern.

Deutschland ist wahrlich nicht das einzige Land, welches vor einem Rückgang der Erwerbsbevölkerung und einer verschlechterten Produktivitätsentwicklung steht. Die gesamte westliche Welt steht vor ähnlichen Herausforderungen. Einigen Ländern, wie den USA, Singapur und der Schweiz gelingt es in diesem Umfeld, weiterhin qualifizierte Menschen aus aller Welt anzuziehen, die das BIP pro Kopf in den Zielländern weiter steigern. Nur so ist erklärlich, wie die USA trotz miserabler Leistungen bei der Bildung der eigenen Bevölkerung (481 PISA-Punkte in Mathematik vs. 613 in Shanghai und 514 bei uns) die neuen Industrien derart dominieren. Die Gründerszene in Kalifornien wird von zugewanderten Talenten getragen. 

Internationaler Kampf um Talente

Damit droht Deutschland nicht nur die Strukturverschiebung zulasten der produktiven Industrien, sondern zugleich ein zunehmend schwieriger Kampf um die Talente der Zukunft. Andere Länder bieten mehr wirtschaftliche Freiheit und geringere Abgabenlasten. Bei aller Zuwanderungseuphorie wird nämlich zu gerne vergessen, dass wir auch seit Jahren eine Abwanderung haben. Meist sind es die besser Gebildeten, die im Ausland ihre Zukunft sehen. Angesichts der absehbar spürbar steigenden Abgabenlast – wie sonst soll eine kleinere Erwerbsbevölkerung mit sinkender Produktivität die Kosten einer alternden Gesellschaft und der Zuwanderung bewältigen? – wird der Reiz zur Auswanderung in den kommenden Jahren noch deutlich zunehmen. Mit der zwangsläufigen Folge, dass das BIP pro Kopf weiter sinkt.

Das sind die wettbewerbsfähigsten Länder der Welt
Deutschland Quelle: dpa
Schweden Quelle: dpa
Dänemark Quelle: dpa
Norwegen Quelle: dpa
Luxemburg Quelle: dpa
Kanada Quelle: dpa
Schweiz Quelle: dpa

Damit sinkt der Anteil Deutschlands am weltweiten Wohlstand relativ und pro Kopf in den kommenden Jahrzehnten. Dies muss bei der Kapitalanlage berücksichtigt werden.

Im Jahr 1899 hatte Großbritannien einen Anteil von 25 Prozent an der weltweiten Börsenkapitalisierung, Deutschland einen von 13 Prozent und die USA einen Anteil von 15. Ende 2015 lag der Anteil Großbritanniens noch bei 6,9 Prozent, der von Deutschland bei 3,1 Prozent und der der USA bei immerhin 52,3 Prozent. Entsprechend lag die reale Rendite von US-Aktien bei über sechs Prozent in diesem Zeitraum, der von Aktien aus Großbritannien bei etwas über fünf und der von deutschen Aktien bei weniger als zwei Prozent.

Natürlich hängt die deutsche Underperformance auch mit zwei verlorenen Kriegen zusammen. Doch letztlich ist es aus Sicht der Kapitalanleger egal, aus welchen Gründen der Wohlstand sinkt. Anleger sind am besten woanders investiert.

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