Eigentlich wollte Bernd Pischetsrieder während der Hauptversammlung (HV) der Münchener Rück vor allem einen schönen Rahmen für den Abschied des langjährigen Vorstandschefs Nikolaus von Bomhard schaffen. Entsprechend warme Worte hatte er sich zurechtgelegt.
Doch vorher musste der Aufsichtsratschef des Münchner Dax-Konzerns seinen Aktionären noch Unangenehmes erklären. Kurz vor der HV hatten Stimmrechtsberater nämlich empfohlen, das vorgeschlagene Boni-Modell für die Versicherungsvorstände abzulehnen.
Und so versuchte Pischetsrieder nun mit versteinerter Miene, ein Problem aus der Welt zu schaffen, das für ihn eigentlich keins ist: Die Boni, sprach er, orientierten sich an langfristigen Zielen und schüfen keine Anreize, „unverhältnismäßig hohe Risiken“ einzugehen. Der Aufsichtsrat sei überzeugt, dass „das Vergütungssystem für das Geschäftsmodell richtig ist“. Doch das Werben um die Gunst der Anteilseigner war vergebens. Fast zwei Drittel der Aktionäre folgten der Empfehlung der Stimmrechtsberater und stimmten wenig später gegen die Boni. Machtmensch Pischetsrieder war düpiert.
Transparenz der Vergütungsberichte
Wie transparent sind die Vergütungsberichte der Dax-Unternehmen? Die Studie "Blackbox der Vorstandsvergütung" des Flossbach von Storch Research Institutes gibt Antworten. Es konnten maximal 5 Punkte für absolute Transparenz erreicht werden. Spitzenreiter ist HeidelCement mit einem Wert von 3,5.
3,3
3,3
3,3
3,3
3,3
3,3
3,0
3,0
2,8
2,8
2,8
2,8
2,5
2,5
2,3
2,3
2,3
2,3
2,3
2,0
2,0
2,0
1,5
1,5
1,3
1,3
1,0
1,0
0,8
Die Niederlage zeigt, wie auf Hauptversammlungen immer öfter Stimmrechtsberater die Regie führen, allen voran die beiden mit Abstand größten Anbieter Institutional Shareholder Services (ISS) und Glass Lewis. Sie wirken indirekt, aber effektiv, indem sie Fonds, Pensionskassen und Versicherungen raten, wie sie abstimmen sollen. Und weil immer mehr Investoren ihre Dienste in Anspruch nehmen, hat sich die Welt für Vorstände und Aufsichtsräte rapide gewandelt. Wer sich den Unmut von ISS und Co. zuzieht, der muss mit herben Abstimmungsniederlagen rechnen. In den nächsten Tagen könnte dies zwei Konzerne treffen: Aktionärsberater empfehlen auf den Hauptversammlungen von Deutscher Börse und Deutscher Bank am 17. und 18. Mai, mehrfach gegen das jeweilige Management zu stimmen. Der Einfluss von ISS, Glass Lewis und kleineren Beratern wie Hermes EOS ist stark gewachsen. Sie fordern Veränderungen ein, die auch dem Privatanleger nutzen. Ganz frei von Interessenkonflikten sind die Berater aber auch nicht. Investoren sorgen sich bereits um eine mögliche Übermacht und fragen: Wer kontrolliert eigentlich die Kontrolleure?
Reports mit klaren Empfehlungen
Diese 36 Deutschen besitzen zusammen so viel wie die Hälfte der Deutschen
Der aktuelle Bericht der Entwicklungshilfeorganisation Oxfam-Bericht zeigt: Im Jahr 2016 besaßen die acht reichsten Männer der Welt zusammengenommen 426 Milliarden Dollar und damit mehr als die gesamte ärmere Hälfte der Weltbevölkerung (3,6 Milliarden Menschen mit insgesamt 409 Milliarden Dollar). Es gibt jedoch auch eine Liste reicher Deutscher, deren Vermögen dem der ärmeren Hälfte der deutschen Bevölkerung entspricht.
Platz 36 der reichsten Deutschen belegt Traudl Engelhorn mit einem Vermögen von insgesamt 3,8 Milliarden Dollar. Demgegenüber steht die Summe von 299,2 Milliarden Dollar: So viel besitzt die ärmere Hälfte der deutschen Bevölkerung zusammen an Immobilien, Bargeld, Kunst, Autos, Aktien und sonstigen Wertgegenständen.
Ebenfalls je 3,8 Milliarden Dollar beträgt das Vermögen der Brüder Herz, deren Familie mit Tchibo verbunden ist. Michael Herz und Wolfgang Herz sind Anteilseigner an Maxingvest.
Auch das Vermögen des im Mai 2016 verstorbenen Heinz-Georg Baus beläuft sich auf insgesamt 3,8 Milliarden Dollar. Der gelernte Schreiner und Glaser gründete 1960 das Unternehmen Bauhaus.
Ralph Dommermuth, Gründer, Vorstandsvorsitzender und größter Aktionär der United Internet AG, kommt auf ein Vermögen von 4,2 Milliarden Dollar.
Bernard Broermann , Gründer der Asklepios Kliniken, besitzt ein Gesamtvermögen von 4,3 Milliarden Dollar.
Die Unternehmerfamilie Reimann ist eine der wohlhabendsten Familien Deutschlands. Den Kern der Gesellschafterfamilie bilden Renate Reimann-Haas, Holdingsprecher Wolfgang Reimann sowie die Cousins Matthias Reimann-Andersen und Stefan Reimann-Andersen. Jeder der vier besitzt ein Vermögen von 4,4 Milliarden Dollar.
Die Gesellschafterin der Schaeffler AG, Maria-Elisabeth Schaeffler, kommt auf ein Vermögen von 4,5 Milliarden Dollar.
Milchmagnat Theo Müller besitzt ebenfalls 4,5 Milliarden Dollar.
Der in Heidelberg geborene Unternehmer Hans Peter Wild, zu dessen Unternehmen die Marke Capri-Sonne gehört, besitzt ein Vermögen von 4,7 Milliarden Dollar. Mittlerweile lebt Wild in der Schweiz.
Auf exakt fünf Milliarden Dollar beläuft sich das Vermögen des ehemaligen Eigentümers der Massa-Märkte, Karl-Heinz Kipp.
Ludwig Merckle, Sohn von Ruth und Adolf Merckle, ist Geschäftsführer der Merckle Unternehmensgruppe und sitzt bei diversen Unternehmen im Aufsichtsrat. Merckles Vermögen beläuft sich auf 5,1 Milliarden Dollar.
Günther Fielmann, Mehrheitsaktionär der Fielmann AG, besitzt 5,3 Milliarden Dollar. Damit belegt er Platz 20 unter den reichsten Deutschen.
Bernhard Aloys Wobben gilt als Pionier im Bereich Windenergie. Der Gründer des Windenergieanlagenherstellers Enercon kommt auf ein Gesamtvermögen von 5,4 Milliarden Dollar.
Heinrich Otto Deichmann, Leiter des Schuheinzelhändlers Deichmann, besitzt ein Vermögen von 5,6 Milliarden Dollar.
Wolfgang Marguerre ist Gründer, Eigentümer und CEO der Octapharma AG. Er besitzt ein Vermögen von 6,1 Milliarden Dollar.
Der im Oktober 2016 verstorbene Curt Engelhorn war bis 1997 Mitgesellschafter des Pharma-Unternehmens Boehringer Mannheim, das seine Familie an Hoffmann-La Roche verkaufte. Engelhorns Vermögen beläuft sich auf 6,2 Milliarden Dollar.
Walter Droege kommt auf ein Vermögen von 6,4 Milliarden Dollar. Er ist Gründer und Leiter des Beratungs- und Investmentunternehmens Droege International Group AG mit Sitz in Düsseldorf.
Der Investor und Bankier, August von Finck, kommt auf ein Gesamtvermögen von 7,6 Milliarden Dollar.
Der SAP-Mitgründer Dietmar Hopp besitzt ein Vermögen von 7,9 Milliarden Dollar.
Schraubenkönig Reinhold Würth besitzt 8,1 Milliarden Dollar.
Udo und Harald Tschira sind die Söhne von Klaus Tschira, einem der Mitgründer des Softwareunternehmens SAP. Ihr Vermögen beläuft sich auf 9,3 Milliarden Dollar.
Ebenfalls ein SAP-Mitgründer ist Hasso Plattner. Sein Vermögen beläuft sich auf 9,5 Milliarden Euro. Damit ist er der zehntreichste Deutsche.
Klaus-Michael Kühne ist Verwaltungsratsmitglied und größter Einzelaktionär des Logistikdienstleisters Kühne + Nagel. Außerdem ist er Anteilseigner des HSV. Kühne besitzt ein Vermögen von zehn Milliarden Dollar.
Heinz Hermann Thiele ist Eigentümer der Knorr-Bremse AG und steht bei Vossloh dem Aufsichtsrat vor. Er besitzt ein Vermögen in Höhe von 11,7 Milliarden Dollar.
Michael Otto, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Otto Gruppe, besitzt ein Vermögen von 15,4 Milliarden Dollar.
Stefan Quandt, BMW-Großaktionär, besitzt 15,6 Milliarden Dollar.
Dieter Schwarz, Gründer und Eigentümer der Schwarz-Gruppe, besitzt ein Vermögen von 16,4 Milliarden Dollar. Damit ist der Lidl- und Kaufland-Chef der fünftreichste Deutsche.
Auf Platz vier folgt der bereits verstorbene Unternehmer Georg Schaeffler. Sein Vermögen beläuft sich auf 18,1 Milliarde Dollar.
Susanne Klatten, Tochter von Herbert und Johanna Quandt, ist mit einem Vermögen von 18,5 Milliarden Dollar die reichste Frau Deutschlands
Theo Albrecht, Gründer von Aldi Nord, ist posthum der zweitreichste Deutsche. Sein Vermögen beläuft sich auf 20,3 Milliarden Dollar.
Der verstorbene Aldi-Gründer Karl Albrecht Jr. und seine Tochter Beate Heister, geborene Albrecht, sind die reichsten Deutschen. Zusammen besitzen sie ein Vermögen in Höhe von 25,9 Milliarden Dollar.
Der Mann, der für Pischetsrieders Niederlage verantwortlich ist, tritt freundlich auf und spricht mit ruhiger Stimme. Thomas von Oehsen leitet hierzulande das Research des Marktführers ISS, der rund 1700 Investoren in aller Welt berät. „Wir erarbeiten jährlich Empfehlungen für rund 500 Hauptversammlungen in Deutschland“, sagt von Oehsen. Dafür wälzen er und sechs weitere Analysten im Berliner ISS-Büro Geschäftsberichte, prüfen Vergütungssysteme und checken den Hintergrund von Aufsichtsratskandidaten.
Auf Basis dieser und weiterer Informationen entscheiden sie, ob die Vorschläge des Unternehmens ihren Vorstellungen von guter Unternehmensführung (Corporate Governance) entsprechen. „Zwei bis drei Wochen vor der Hauptversammlung erhalten unsere Kunden einen Report mit Abstimmungsempfehlungen“, erklärt von Oehsen.
Im Münchener-Rück-Report rügten die ISS-Analysten etwa, dass das Unternehmen zwar die Kriterien nennt, an denen sich die Boni orientieren, aber nicht, welche Zielvorgaben für eine Auszahlung erreicht werden müssen. Diese Intransparenz lasse Spielraum für überhöhte variable Vergütungen.