Stimmrechtsberater Bündnis gegen üppige Boni

Stimmrechtsberater leisten willfährigen Aufsichtsräten so harten Widerstand wie noch nie - auch für die Privatanleger. Doch frei von Interessenkonflikten sind sie dabei auch nicht.

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Aktionäre auf der Hauptversammlung der Münchner Rück. Quelle: imago images

Eigentlich wollte Bernd Pischetsrieder während der Hauptversammlung (HV) der Münchener Rück vor allem einen schönen Rahmen für den Abschied des langjährigen Vorstandschefs Nikolaus von Bomhard schaffen. Entsprechend warme Worte hatte er sich zurechtgelegt.

Doch vorher musste der Aufsichtsratschef des Münchner Dax-Konzerns seinen Aktionären noch Unangenehmes erklären. Kurz vor der HV hatten Stimmrechtsberater nämlich empfohlen, das vorgeschlagene Boni-Modell für die Versicherungsvorstände abzulehnen.

Und so versuchte Pischetsrieder nun mit versteinerter Miene, ein Problem aus der Welt zu schaffen, das für ihn eigentlich keins ist: Die Boni, sprach er, orientierten sich an langfristigen Zielen und schüfen keine Anreize, „unverhältnismäßig hohe Risiken“ einzugehen. Der Aufsichtsrat sei überzeugt, dass „das Vergütungssystem für das Geschäftsmodell richtig ist“. Doch das Werben um die Gunst der Anteilseigner war vergebens. Fast zwei Drittel der Aktionäre folgten der Empfehlung der Stimmrechtsberater und stimmten wenig später gegen die Boni. Machtmensch Pischetsrieder war düpiert.

Transparenz der Vergütungsberichte

Die Niederlage zeigt, wie auf Hauptversammlungen immer öfter Stimmrechtsberater die Regie führen, allen voran die beiden mit Abstand größten Anbieter Institutional Shareholder Services (ISS) und Glass Lewis. Sie wirken indirekt, aber effektiv, indem sie Fonds, Pensionskassen und Versicherungen raten, wie sie abstimmen sollen. Und weil immer mehr Investoren ihre Dienste in Anspruch nehmen, hat sich die Welt für Vorstände und Aufsichtsräte rapide gewandelt. Wer sich den Unmut von ISS und Co. zuzieht, der muss mit herben Abstimmungsniederlagen rechnen. In den nächsten Tagen könnte dies zwei Konzerne treffen: Aktionärsberater empfehlen auf den Hauptversammlungen von Deutscher Börse und Deutscher Bank am 17. und 18. Mai, mehrfach gegen das jeweilige Management zu stimmen. Der Einfluss von ISS, Glass Lewis und kleineren Beratern wie Hermes EOS ist stark gewachsen. Sie fordern Veränderungen ein, die auch dem Privatanleger nutzen. Ganz frei von Interessenkonflikten sind die Berater aber auch nicht. Investoren sorgen sich bereits um eine mögliche Übermacht und fragen: Wer kontrolliert eigentlich die Kontrolleure?

Reports mit klaren Empfehlungen

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Der Mann, der für Pischetsrieders Niederlage verantwortlich ist, tritt freundlich auf und spricht mit ruhiger Stimme. Thomas von Oehsen leitet hierzulande das Research des Marktführers ISS, der rund 1700 Investoren in aller Welt berät. „Wir erarbeiten jährlich Empfehlungen für rund 500 Hauptversammlungen in Deutschland“, sagt von Oehsen. Dafür wälzen er und sechs weitere Analysten im Berliner ISS-Büro Geschäftsberichte, prüfen Vergütungssysteme und checken den Hintergrund von Aufsichtsratskandidaten.

Auf Basis dieser und weiterer Informationen entscheiden sie, ob die Vorschläge des Unternehmens ihren Vorstellungen von guter Unternehmensführung (Corporate Governance) entsprechen. „Zwei bis drei Wochen vor der Hauptversammlung erhalten unsere Kunden einen Report mit Abstimmungsempfehlungen“, erklärt von Oehsen.

Im Münchener-Rück-Report rügten die ISS-Analysten etwa, dass das Unternehmen zwar die Kriterien nennt, an denen sich die Boni orientieren, aber nicht, welche Zielvorgaben für eine Auszahlung erreicht werden müssen. Diese Intransparenz lasse Spielraum für überhöhte variable Vergütungen.

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