Strombörse Energiepreis-Poker zulasten der Verbraucher

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Achterbahnfahrten beim Strompreis

Das bittere Fazit aus einem Jahr Energiewende
Kühltürme des Braunkohlekraftwerkes der Vattenfall AG im brandenburgischen Jänschwalde (Spree-Neiße) Quelle: dpa
Freileitungen verlaufen in der Nähe eines Umspannwerkes bei Schwerin über Felder Quelle: dpa
Die Flagge Österreichs weht auf einem Hausdach Quelle: dpa
Ein Strommast steht neben Windkraftanlagen Quelle: AP
Windräder des Windpark BARD Offshore 1 in der Nordsee Quelle: dpa
Eine Photovoltaikanlage der Solartechnikfirma SMA Quelle: dpa
Euroscheine stecken in einem Stromverteile Quelle: dpa

Dass solche Achterbahnfahrten beim Strompreis realistisch sind, zeigt ein Blick auf den Staat New York. Dessen Gouverneur Andrew Cuomo will das Atomkraftwerk Indian Point 3 abschalten. Als Ende Februar der Atommeiler zeitweise vom Netz musste, schnellte an der New Yorker Börse der Strompreis von 3 auf 25 US-Cent je Kilowattstunde hoch. New York fehlt es an Leitungen ins Umland, um Strom zu importieren. Falls nicht ausreichend Ersatz für abgeschaltete Kraftwerke geschaffen wird, drohen Engpässe.

Stärker schwankende Börsenpreise werden für Stromproduzenten und -abnehmer zum Problem. Um Kosten und Erträge zu glätten, müssen sie sich mit Derivaten, Finanzprodukten auf den Strompreis an der Börse, absichern. Ein Energieerzeuger kann zum Beispiel direkt oder über ein Finanzinstrument zu einem Termin in sechs Monaten an der Börse eine fixe Menge Strom zu einem heute schon feststehenden Preis verkaufen. Fällt der Strompreis unter das heutige Niveau, gleicht der Gewinn aus dem Finanzinstrument die Einbußen beim verkauften Strom aus. Die Absicherung gegen schwankende Preise kostet allerdings Geld, das die Stromerzeuger auf ihre Preise draufschlagen werden.

Genaue Wetterprognosen wichtig

Schon jetzt, so Martin Schelker, leitender Stromhändler bei EnBW, sichere sich der Energiekonzern mit Terminkontrakten auf Kohle, Strom und CO2-Verschmutzungsrechte ab. Diese drei Komponenten seien wesentliche Elemente für den Strompreis und die Marge, die EnBW aus der Vermarktung des Kraftwerksparks erziele. Für die kurzfristige Vermarktung sind genaue Wetterprognosen zur Einschätzung der Preisentwicklung zunehmend wichtig. EnBW beschäftige daher Meteorologen in ihrem Analysten-Team.

Auch Vattenfall will in Wetter-Know-how investieren. „Insbesondere Windprognosen sind wegen der Offshore-Anlagen in der Nordsee wichtiger geworden“, sagt Alfred Hoffmann, Leiter Kraftwerkseinsatz und -vermarktung Zentraleuropa bei Vattenfall. Falle viel Wind an, fahre der Stromkonzern seine konventionellen Kraftwerke herunter oder speichere Energie in seinen Pumpspeicherkraftwerken, dafür fließe mehr Ökostrom ins Netz.

Grafik Windenergie

In der Strompreis-Falle

Wenn mehr Ökostrom ins Netz kommt, fällt der Börsenpreis für Strom. Private Haushalte profitieren jedoch kaum vom sinkenden Börsenpreis. Denn der Börsenpreis trägt nur etwa ein Drittel zum Strompreis für Haushalte bei. Die Ökostrom-Umlage und die wegen des Netzausbaus steigenden Netzentgelte bleiben beim Börsenpreis außen vor. Sinkt der Börsenpreis, steigt im Gegenzug die Ökostrom-Umlage. Diese Umlage gleicht die Differenz zwischen Börsenpreis und der staatlich garantierten Einspeisevergütung für Wind- oder Solarstrom aus. Stromerzeuger und Industrie reichen die Ökostrom-Umlage voll an ihre Kunden weiter. „Nur wenn wir einen funktionierenden Wettbewerb auf dem Strommarkt hätten, wären die Erzeuger gezwungen, die sinkenden Börsenpreise zulasten ihrer Marge weiterzugeben“, sagt Thomas Pilgram, Geschäftsführer bei Clean Energy Sourcing in Leipzig.

Marktteilnehmer an den Börsen aber profitieren durchaus von den dank Solar- und Windeinspeisung stärker schwankenden Preisen. Je stärker der Strompreis schwankt, desto lukrativer wird die Strombörse für Spekulanten. Wenn nicht nur Angebot und Nachfrage den Preis machen, sondern auch Wind und Sonnenschein, bleibt genügend Raum für riskante Wetten. Bei diesen spekulativen Geschäften mischen vor allem Hedgefonds und Investmentbanken mit.

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