Strombörse Zocker treiben den Strompreis

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Stromriesen im Visier

Logos der vier großen Engergiekonzerne EnBW (l, oben), RWE (r, oben), Vattenfall (l, unten) und Eon (r, unten). Quelle: dpa

Normalerweise weichen die Prognosen nur leicht vom tatsächlichen Verbrauch ab. Anfang Februar war die Differenz so hoch, dass die Bundesnetzagentur Verdacht schöpfte. Dabei unterstellte sie folgendes Szenario: Weil die Franzosen wegen des Kälteeinbruchs mehr Strom verheizten, schoss der Börsenpreis für kurzfristig gehandelten Strom nach oben (siehe Grafik). Im Börsen-Intraday-Handel für Strom, der frühestens nach 45 Minuten geliefert wird, stieg der Preis am besonders frostigen 7. Februar zeitweise bis auf 380 Euro je Megawattstunde. Normal sind etwa 50 Euro je Megawattstunde.

Bedarf klein gerechnet

Den Händlern war der Börsenpreis zu hoch. Um nicht teuren Strom kaufen zu müssen, rechneten sie den Bedarf ihrer Kunden nach unten. Wegen der falschen Prognosen floss ein Teil des in Deutschland erzeugten Stroms nach Frankreich. Die Bedarfslücke mussten die Netzbetreiber füllen. Die Händler wetteten darauf, dass dieser Strom aus den Reservekraftwerken (Regelenergie) billiger sein werde als der an der Börse gehandelte. Die Regelenergie wird nicht an der Börse gehandelt, weil sie nur für Störfälle oder kurzfristige Verbrauchsabweichungen vorgesehen ist. Sie ist nicht dazu da, um Kosten im Stromeinkauf zu optimieren.

Riskante Wetten

Derzeit fahndet die Netzagentur nach den Schuldigen. Infrage kommen vor allem Händler der Stromanbieter. Die Töchter von RWE und E.On bestreiten jedoch eine Beteiligung. E.Ons Stromhandel etwa reklamiert, man habe während der Kälteperiode durch massive Unterstützung der Netzbetreiber in Deutschland dazu beigetragen, die Stromversorgung zu sichern. RWE will sogar mehr Bedarf angemeldet haben, als tatsächlich benötigt wurde. Stromanalyst Tobias Federico von Energy Brainpool in Berlin glaubt, dass die Händler, die sich auf die Notreserve verlassen haben, mit ihren Wetten ein hohes Risiko eingegangen sind. Erst in einigen Wochen ziehe der Netzbetreiber Bilanz und rechne aus, was der Strom aus den hastig angeworfenen Reservekraftwerken tatsächlich gekostet habe. „Der Preis für diese Regelenergie könnte über dem Börsenpreis liegen, der Anfang Februar zu zahlen war“, sagt Federico. Wie hoch er ausfällt, hängt davon ab, welche Kraftwerke zugeschaltet wurden und zu welchen Kosten diese Strom produziert haben. Je mehr Regelenergie nachgefragt wird, desto höher ist der Preis, weil das zuletzt hochgefahrene Kraftwerk immer das teuerste ist.

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