S&P 500 Die drei Verrücktheiten der US-Börse

Die Indizes kratzen an Rekordständen, aber das Marktgeschehen weist seltsame Züge auf. Wenige Titeln bestimmen den gesamten Trend, die Kurse steigen trotz der Skepsis der Anleger.

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Händler an der Wall Street. Quelle: dpa

New York In der vergangenen Woche sind nach einer Aufstellung der Analysegesellschaft Lipper netto 4,6 Milliarden Dollar aus US-Aktienfonds abgeflossen, davon mehr als vier Milliarden aus Fonds mit heimischen Dividendenpapieren. Das Muster ist nicht neu. Im gesamten März sind acht Milliarden aus dem Bereich abgeflossen. Zugleich hat der S&P 500, wichtigster US-Aktienindex, einen Höhenflug hingelegt, der ihn fast bis zu alten Rekordmarken brachte. Erstaunlich – die Anleger wenden sich ab, die Kurse steigen trotzdem.

Die Beispiele zeigen: Der US-Aktienmarkt spielt verrückt. Und zwar in mehrfacher Hinsicht, wie etwa George Walker, Chef der Vermögensverwaltung Neuberger Berman, herausstellt. Einmal steigen die Kurse, obwohl die Anleger Geld aus Fonds abziehen. Und dann hängt die US-Börse von einigen wenigen Aktien ab.

Das war 2015 besonders deutlich. In dem Jahr legte das Schwergewicht Amazon um 118 Prozent zu. Alphabet A, der Mutterkonzern von Google, schaffte 47 Prozent und Facebook 34 Prozent. Netflix stellte mit 134 die anderen Werte sogar noch in den Schatten. Nur Apple, lange Zeit der wichtigste Motor am US-Aktienmarkt, lag bereits im Minus und hat seither noch mehr an Wert verloren.

Seit Anfang des Jahres hat vor allem Facebook mit einem Plus von 13 Prozent Kurs gehalten. Amazon liegt ebenfalls gut mit knapp acht Prozent. Alphabet und Netflix sind dagegen deutlich ins Minus gerutscht. Wer sich die großen Gewinner seit Januar im S&P 500 anschaut, findet Namen wie Southwestern, Energy, NRG Energy, Murphy Oil und Cabot Oil & Gas. SieDie profitieren von der Erholung des Ölpreises nach tiefem Fall.

Und damit sind wir bei der dritten Verrücktheit des US-Aktienmarktes: seiner Abhängigkeit vom Öl, und zwar weit über den Energiesektor hinaus. Während jede ökonomische Vernunft dafür spricht, dass niedrige Ölpreise gut sind für ein Land, dessen Wirtschaft von den Verbrauchern getrieben wird, sieht die Realität an der Börse anders aus. Immer wieder steigen die Kurse, wenn der Ölpreis steigt. Und sie fallen dann, wenn er fällt. Zum Teil folgt das der ökonomischen Entwicklung: Die Volkswirte haben lange Zeit den positiven Effekt auf den Konsum überschätzt, weil die Amerikaner viel von dem, was sie beim Tanken sparen, auf die hohe Kante legen oder zum Abbau von Schulden nutzen. Trotzdem dürfte nach einer weitverbreiteten Einschätzung der direkte Zusammenhang zwischen Kursen und Ölpreis nicht gerechtfertigt sein.


Fed ist ein Grund für die Verrücktheiten

Was ist der Grund für diese Verrücktheiten? Ein wichtiger Grund ist die Fed, die US-Notenbank. Sie versucht immer wieder, die Zinsen zu erhöhen und so die Geldpolitik zu normalisieren. Aber immer wieder zuckt sie dabei zurück, zuletzt nach den relativ schwachen Arbeitsmarktdaten vom vergangenen Freitag. Die Anleger schwanken zwischen der Sorge vor steigenden Zinsen und dem Vertrauen, dass die Fed ihnen letztlich doch nicht die Unterstützung versagt. Das erzeugt seit langem ein weitverbreitetes Unbehagen unter Investoren. Man fürchtet, auf einer gewaltigen Kursblase zu sitzen, sieht aber so recht auch keine Alternative zu Aktien. Das lähmt die Märkte und erlaubt es relativ wenigen Teilnehmern, die Kurse Stückchen für Stückchen weiter hochzutreiben.

Wie geht es weiter? Es gibt zwei drastisch auseinanderliegende Szenarien. Nach dem einen sitzen wir tatsächlich auf einer Kursblase, die sich irgendwann mit der verspäteten Normalisierung der Geldpolitika auflöst. Nach der anderen warten sehr viele Anleger eigentlich nur darauf, dass sich die Verhältnisse normalisieren, um dann wieder einzusteigen. Wie fast immer dürfte die Wahrheit in der Mitte liegen. Die Fed wird die Zinsen nur erhöhen, wenn die Wirtschaft einigermaßen robust weiterläuft, das mindert die Gefahr, dass eine Kursblase allzu deutlich platzt. Umgekehrt wird die weitere Normalisierung ein Balanceakt bleiben, der vorsichtige Anleger auch in den nächsten Monaten nicht zum Einstieg einlädt.

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