Tech-Aktien AOL versucht ein Comeback

Internet-Urgestein AOL verdient am Patentverkauf an Microsoft mehr als ein Milliarde Dollar. Die Aktie ist seit Monaten im Höhenflug. Erleben Anleger ein Comeback des lange siechen Ex-Börsenstars?

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Der Verkauf von Patenten an Microsoft brachte AOL einen schnellen Geldsegen - Doch reicht das aus für eine Rückkehr der Internet-Ikone? Quelle: dapd

„Bin ich schon drin?“, fragte Tennis-Promi Boris Becker in einem beliebten Werbespot um die Jahrtausendwende: Obwohl unbeholfen, weil in technischen Dingen ahnungslos, gelang dem Leistungssportler damals der Sprung ins Internet und die Nutzung von E-Mail mit Hilfe von America Online, kurz AOL – dem mit 30 Millionen Kunden damals größten Internet-Serviceanbieter weltweit. Dann kam es zur verhängnisvollen Fusion mit dem Medienkonzern Time Warner, AOL verpasste den Anschluss an das Hochgeschwindigkeitsinternet und der einstige Dotcom-Superstar der Börse siechte lange Jahre dahin.

AOL-Aktie klettert steil nach oben

„Bin ich schon drin?“, fragt sich heute wohl eher mancher Anleger, wenn er sieht, was für einen fulminanten Kursanstieg die Aktie in den vergangenen Monaten hingelegt hat. Nachdem die AOL-Aktie im Zuge eines krisenbedingten Börsentiefs im August 2011 einen neuen Tiefpunkt bei 10,06 Dollar markiert hatte, kletterte der Kurs wieder steil nach oben. Als AOL am Ostermontag nun den milliardenschweren Verkauf von Patenten an den IT-Giganten Microsoft bekannt gab, schoss der AOL-Kurs fast senkrecht in die Höhe - von 18,42 Dollar auf inzwischen mehr als 26 Dollar. Innerhalb von acht Monaten ist das ein Kursplus von 160 Prozent. Der Börsenwert von AOL stieg an nur einem Tag von 800 Millionen Dollar auf nun 2,5 Milliarden Dollar. Ist das die Rückkehr der Internet-Ikone AOL oder nur ein schnell verpuffendes Börsenfeuerwerk?

AOL: Aufstieg und Fall
1983-1989
1992 Quelle: rtr
1995 Quelle: AP
1998 Quelle: Atlantic/WEA
1999 Quelle: AP
2001 Quelle: AP
2003 Quelle: AP

Freude an der Börse dank Microsoft

Das Geschäft mit Microsoft kann sich in der Tat sehen lassen: AOL kündigte gestern an, mehr als 800 Schutzrechte und damit verbundene Anwendungen an Microsoft für mehr als eine Milliarde Dollar in bar abzutreten. Medienberichten zufolge hatten Patentanwälte den Wert des Rechtepakets eher in der Größenordnung von 300 Millionen Dollar vermutet. AOL hat darüber hinaus noch 300 weitere Patente, für die Microsoft nur eine Lizenz erhält. „Das ist ein wertvolles Portfolio, das wir schon seit Jahren im Blick haben“, sagte Microsoft-Chefjustiziar Brad Smith. Die Nachricht von dem Geschäft sorgte an der Börse für Begeisterung, die AOL-Aktie sprang sofort um fast 50 Prozent ins Plus. Besonders gut kommt bei den Investoren an, dass der Internetkonzern den Gewinn aus dem Patentgeschäft zum überwiegenden Teil als Sonderdividende an seine Aktionäre ausschütten möchte.

Der Abstieg von AOL

2001 schloss sich AOL mit dem Medienkonzern Time Warner zusammen - Und trennte sich nach anhaltenden Verlusten 2009 wieder von ihm. Quelle: dpa

Treue AOL-Aktionäre hatten in den vergangenen Jahren allerdings wahrlich nichts zu lachen: Die auf dem Höhepunkt des Dotcom-Börsenfiebers geschlossene Elefantenhochzeit mit dem Medienkonzern Time Warner erwies sich als riesiges Milliardengrab. Der Zusammenschluss hatte seinerzeit 182 Milliarden Dollar gekostet. 2009 trennten sich die ungleichen Partner wieder, seitdem schreibt AOL anhaltend Verluste. Das Kerngeschäft ist noch immer der klassische Internetzugang. Allerdings sinken die Kundenzahlen schon seit 2002, im Geschäft mit Online-Werbung verliert AOL den Anschluss an die übermächtige Konkurrenz von Google, Facebook & Co. 2007 zog sich AOL mit seinen Angeboten sogar aus dem deutschen Markt ganz zurück. Da war es dann schon eine gute Nachricht, als AOL-Chef Tim Armstrong Anfang Februar mitteilte, der prozentuale Kundenschwund wäre im abgelaufenen Quartal der geringste seit fünf Jahren.

Alle Therapien erfolglos

AOL sucht bereits seit vielen Jahren nach einem neuen Erfolgsrezept und einem Heilmittel für das schrumpfende Geschäft mit Internetzugängen – allerdings bislang ohne durchschlagenden Fortschritt. 2008 übernahm AOL den Facebook-Konkurrenten Bebo für 850 Millionen Dollar – und hoffte auf den Social-Media-Boom. Nur zwei Jahre später verkaufte AOL das Unternehmen wieder – für nur noch zehn Millionen Dollar.

Um nicht noch mehr Kunden im Zugangsgeschäft zu verlieren, konzentrierte sich AOL zuletzt auf den Aufbau eines attraktiven inhaltlichen Angebots im Netz. Dazu übernahm AOL etwa die prämierte US-Onlinezeitung „Huffington Post“ für 315 Millionen Dollar, kaufte das lokale Nachrichtenportal Patch sowie den beliebten Technologie-Blog TechCrunch. Schon mit Time Warner wollte AOL sein inhaltliches Angebot stark verbessern. Die Kunden holten sich ihren Internetanschluss trotzdem von der Konkurrenz.

Die Anzahl der Kunden sinkt weiter

Große Blender - und was aus ihnen wurde
Die Gründer der Frankfurter Immobiliengruppe S+K, Stephan Schäfer und Jonas Köller, hat ein Schicksal ereilt, das vielen Blendern aus der Dotcom-Ära bereits zu Teil wurde: Sie landeten wegen mutmaßlichem Anlagebetrug in Untersuchungshaft. Zuvor haben sie es mit dem ergaunerten Geld richtig krachen lassen. Doch was ist aus den Bankrotteuren aus dem Jahr 2000 geworden?
Einer der bekanntesten Betrüger ist Florian Homm, bekannt als Großaktionär bei Borussia Dortmund. Am Neuen Markt war er zuvor schon bekannt als Gründer von Value Management & Research (VMR), die Firmen wie Toysinternational.com oder Comtelco an die Börse brachte. Eine angekündigte Fusion mit der Beteiligungsgesellschaft Knorr Capital scheiterte, Homm zog sich aus VMR zurück. Wenige Jahre später geriet er mit dem Hedgefonds Absolute Capital Management Holdings mit Investments bei Borussia Dortmund oder dem Finanzdienstleister MLP in die Schlagzeilen. Vielfach war ihm vorgeworfen worden, Kurse massiv zu manipulieren. Als der Hedgefonds 2007 unter Druck geriet, nahm Homm überstürzt seinen Hut und war seitdem untergetaucht. Seine Nachfolger in der Leitung des Fonds warfen ihm später vor, dass viele Investments einen weit geringeren Wert hätten, als ausgewiesen. Die Aktien des börsennotierten Hedgefonds verloren mehr als 90 Prozent ihres Wertes. Seit Februar 2011 läuft gegen Homm auch eine Klage der US-Börsenaufsicht SEC. Zuletzt wurde er in Liberia vermutet. 2012 tauchte der einst skrupellose Finanzinvestor wieder auf - um ein Buch über sein Leben vorzustellen und sich öffentlich reinzuwaschen. Er sei ein anderer Mensch, gehe mindestens zweimal wöchentlich zum Gottesdienst und wolle sich demnächst der SEC stellen, erzählt er der Financial Times Deutschland. Natürlich können Menschen sich ändern, aber der Eindruck einer PR-Masche zum Verkauf seines Buches bleibt doch bestehen - gerade wenn es stimmt, dass von seinem einzigen Vermögen nicht mehr viel übrig ist. Quelle: dpa/dpaweb
Im Januar 2012 wurde der gebürtige Kieler Kim Schmitz in Neuseeland festgenommen. Dem 38-jährigen wurde vorgeworfen, Mastermind hinter dem Raubkopien-Portal Megaupload zu sein. Die spektakuläre Verhaftung rückte auch die Dotcom-Ära wieder in Erinnerung, immerhin hatte Schmitz sein 25-Millionen-Dollar-Anwesen "Dotcom Mansion" getauft und sich selbst seit einiger Zeit ganz offiziell Kim Dotcom genannt... Quelle: REUTERS
Auch in der Zeit des Neuen Marktes war Schmitz eine der schillerndsten Figuren: Unvergessen sind seine Urlaube mit dem durch eine Dieter Bohlen-Affäre als "Teppich-Luder" bekannten Playboy-Bunny Janina... Quelle: rtr
Legendär auch seine Auftritte in der Harald-Schmidt-Show, wo Schmitz seinen eigenen Sessel mitbrachte (die vorhandenen waren ihm zu unbequem) und erzählte, wie er den Jet der Haffa-Brüder für eine halbe Million charterte, um einen Kurztrip in die Karibik zu unternehmen. Quelle: rtr
EM.TV Quelle: dpa
Comroad Quelle: Robert Brembeck für WirtschaftsWoche

Kooperationen sollen die AOL-Misere beenden: Bereits seit 2011 versucht sich der Konzern zusammen mit Yahoo und Microsoft in einer Werbeallianz. Für die Expansion der „Huffington Post“ suchte AOL namhafte Kooperationspartner in den jeweiligen Ländern: „El País“ in Spanien, „La Republicca in Italien, „Le Monde“ in Frankreich. In Deutschland sollen die Verhandlungen noch laufen. Aber obwohl sich die Online-Zeitung gut entwickelt und ihre Nutzerzahlen steigen, stagnieren die Kundenzahlen bei der Mutter AOL. Zudem machten immer wieder Meldungen die Runde, wichtige Köpfe hätten den Internetkonzern enttäuscht oder im Streit verlassen.

Bleibt es beim kurzzeitigem Geldsegen?

Der Verkauf der Patente ist daher zunächst nur ein frischer Geldsegen für die Aktionäre. Dem Unternehmen hilft das Geschäft jedoch auf Dauer nicht weiter. Stattdessen werden Patentrechte und -einnahmen abgegeben, der Gewinn daraus nicht für Investitionen verwendet. Derzeit bekriegen sich die Technologieschwergewichte vor allem im boomenden mobilen Internetgeschäft. Unzählige Gerichte auch in Deutschland müssen sich mit gegenseitigen Vorwürfen des Ideenklaus befassen. Beste Abwehrwaffe ist ein umfangreicher Katalog an Patenten. Deshalb kauft der Internetkonzern Google auch den verlustreichen Handyhersteller Motorola Mobility für 12,5 Milliarden Dollar. Motorola und AOL sind Vorreiter in ihren Branchen und besitzen entsprechend viele grundlegende Patente. Die Transaktion der AOL-Patente an Microsoft soll bis Ende 2012 abgeschlossen sein. Sollte sie doch noch scheitern, zahlt Microsoft rund 210 Millionen Dollar an Entschädigung. Zu der Patentauktion wurde AOL vom Großaktionär Starboard Value, einem Hedgefonds, gedrängt.

Für Aktionäre ist der Einstieg in AOL-Aktie riskant. Zum einen ist das Papier bereits gut gelaufen, zum anderen drohen erneute Rückschläge, weil der rasche Kursanstieg nach einer Korrektur schreit und die Sanierungsmaßnahmen noch keinen durchschlagenden Erfolg gezeitigt haben. Die Perspektiven sind für AOL-Aktionäre längst nicht so gut wie für Microsoft-Investoren: Der Software-Riese aus Redmond hat sich mit einem Paket von Patenten für die zunehmenden Streitigkeiten mit Wettbewerbern gerüstet, die Gewinnmarge im Kerngeschäft mit Betriebssystemen und Bürosoftware ist enorm. AOL hingegen ist seine Hauptprobleme noch immer nicht los, schreibt immer noch rote Zahlen im operativen Geschäft und gilt selbst als möglicher Übernahmekandidat.

Aktionäre sollten also tun, was auch dem Hedgefonds Starboard Value wichtig war: Gewinne rechtzeitig mitnehmen – solange es noch geht.

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