Wahrscheinlich wird die Aktie des IT-Kultkonzerns Apple seine jüngsten Zugewinne einige Zeit lang halten können, ist die Aktie doch erstmals seit Ende April wieder auf mehr als 600 Dollar geklettert und befindet sich im Aufwärtstrend. Zuvor waren Apple-Papiere von ihrem Allzeithoch am 10. April bei 644 Dollar bis Mai auf 528 Dollar gefallen und haben nun mit ihrem Wiederanstieg bis dato folglich eine veritable Fahrt zur Hölle und zurück hingelegt. Zeitlich fiel das Tief im Mai interessanterweise genau mit dem Börsengang des sozialen Netzwerkes Facebook zusammen.
Der Apple-Aktienkurs wird wahrscheinlich bis in den Herbst hinein weiter nach oben klettern. Der Grund liegt in der simplen Tatsache, dass Apple bei Anlegern in der von Ängsten gebeutelten High-Tech-Welt als größtes Unternehmen weltweit als relativ sicherer Hafen gilt.
Erwartungen reduziert
Technologie-Analysten reduzieren ihre Erwartungen schon seit einiger Zeit an allen Ecken und Enden der Branche. Als Hauptgründe nennen sie Zurückhaltung bei IT-Ausgaben, die Auswirkungen des starken Dollar (die meisten der US-Technologieunternehmen verkaufen den Großteil ihrer Produkte im Ausland), eine Abschwächung am PC-Markt und die miese Konjunkturentwicklung. Inzwischen hat die Zeit der Vorankündigungen begonnen, und die Befürchtungen der Analysten werden von der Realität mehr als bestätigt. Seagate Technology, ein neben Western Digital führender US-Hersteller von Festplatten, ließ verlautbaren, das Unternehmen werde die bisherigen Umsatzerwartungen im vierten Quartal um rund eine halbe Milliarde Dollar verfehlen. Dies veranlasste die Analysten umgehend zu weiteren Abstufungen ihrer Schätzungen und Kursziele für die Aktie.
Der Kurs der Seagate-Aktie reagierte nach der Ankündigung allerdings kaum. Offensichtlich hatte sich die Wall Street in den Wochen zuvor bereits auf einen schwachen Ausblick eingestellt. Aber der kritische Punkt in dem von Seagate veröffentlichten Bericht – und dieser ist speziell in Bezug auf Apple wichtig – ist die Tatsache, dass die Preise für Plattenlaufwerke fallen, und das, wie aus der Ergebnisvorschau hervorgeht, stärker als erwartet.
Seagate und Western Digital befinden sich schon seit Jahren unter massivem Konkurrenzdruck und deshalb, je nach steigender oder fallender Nachfrage, in einem ausgeprägten zyklischen Auf und Ab mit starken Preisschwankungen und hohem Preisdruck in schwachen Zeiten.
Kaum Optimismus
In den vergangenen 18 Monaten haben die beiden Festplatten-Unternehmen eine Reihe großer Konkurrenten aufgekauft. Dies führte zu einer gewissen Konsolidierung in dem Segment und gab Anlass zu Hoffnung auf eine stabilere Preisentwicklung. Aber das Schreckgespenst Preisverfall ist offenbar nicht dauerhaft gebannt. Steve Luczo, Vorstandschef von Seagate, meint zwar, er erwarte im laufenden Quartal eine „stabile“ Preisentwicklung bei Plattenlaufwerken, aber geteilt wird dieser Optimismus an den Finanzmärkten allgemein nicht. „Die Preise könnten in den nächsten Quartalen um jeweils rund vier Prozent fallen“, sagt etwa Shebly Seyrafi, Analyst bei FBN Securities. „Seagate erwartet für das im September endende Quartal eine durchschnittlich relativ stabile Preisentwicklung, aber wir sehen da Abwärtspotenzial“, so Seyrafi weiter, der die Aktie dennoch zum Kauf empfiehlt.
Seagate-Aktien zum Schleuderpreis
Seagate ist nämlich spottbillig. Die Aktie notiert derzeit gerade einmal zum Vierfachen des für das laufende Jahr erwarteten Gewinns von sieben Dollar je Aktie. Und das Unternehmen bezahlt vier Prozent Dividende. Diese wurde erst zu Jahresbeginn um 39 Prozent angehoben. Außerdem hat es eine Ermächtigung zum Rückkauf von eigenen Aktien im Wert von 2,3 Milliarden Dollar gegeben; genug um rund 23 Prozent der Seagate-Aktien zu erwerben – also fast ein Viertel aller umlaufenden Papiere.
Es gibt sehr viel, was für die Aktie spricht. Aber es gibt auch eine Reihe von Punkten, die Anlass zu Besorgnis geben. Zuallererst ist da die Sorge, das Auf und Ab zwischen Boom-Phasen und Fast-Pleiten könnte doch nicht dauerhaft gebannt sein. Auch der wachsende Erfolg von Apple stellt für Laufwerkhersteller eine Bedrohung dar. Apple verwendet in seinen Laptops zunehmend Flash-Speicherchips anstelle von Plattenlaufwerken, und das verheißt nichts Gutes für die langfristigen Absatzaussichten von Laufwerken für Personal Computer. Schließlich ist auch der Erfolg des Apple-Tablet-Rechners iPad als Alternative zum Laptop keine gute Nachricht für die Branche, weil Apple dort keine klassische Festplatte verbaut.
Wertorientierte Investoren schätzen die Aktien zwar, aber zunächst ist niemand überzeugt, Seagate und Western Digital hätten die Schwelle in eine neue, bessere Welt bereits überschritten.
Dominanz ungebrochen
Apple hingegen ist ein Unternehmen, das sein Schicksal offenbar sicher und erfolgreich zu steuern weiß – dank einer Bruttogewinnspanne von geschätzten rund 50 Prozent beim Mobiltelefon iPhone und seiner Fähigkeit, die Preise für all seine Produkte nachhaltig konstant zu halten.
Ungebrochene Dominanz
Der Markt für Smartphones und Tablet-Computer wurde in der jüngsten Vergangenheit richtiggehend überschwemmt von neuen Produkten. Alle diese Neuerscheinungen haben etwas für sich, aber keine kann die Dominanz von Apple auch nur in einer dieser Produktkategorien ernsthaft infrage stellen.
Zu diesen Neueinführungen zählen beispielsweise der Surface-Tablet-Computer von Microsoft, das Nexus 7 Tablet vom Suchmaschinenriesen Google, das Galaxy S III Smartphone von Samsung Electronics und das One Smartphone von HTC. Gerüchten zufolge hat auch der Online- Versandhändler Amazon mehrere Tablet-Modelle in der Pipeline.
Diese Produkte haben alle ihre Daseinsberechtigung und finden ihre Abnehmer, aber nicht eines davon kann bei technologieverliebten Anhängern die gleiche Begeisterung wecken wie das jeweils neueste Produkt der Kultmarke aus dem kalifornischen Cupertino.
Erwartungsgetriebene Kursdynamik
Dennoch wird der von Apple für den 24. Juli erwartete Bericht für das zweite Quartal nicht unbedingt helle Begeisterung an der Börse hervorrufen. Die positiven Neuigkeiten von Apple konzentrieren sich immer stärker auf das vierte und erste Quartal, wenn üblicherweise die großen Neuerungen vorgestellt werden.
Doch sobald der September da ist, wird der Kurs der Aktie fast traditionell in gespannter Erwartung des neuesten iPhone-Modells auch schon zu steigen beginnen. Bei Apple ist die erwartungsgetriebene Kursdynamik noch immer voll intakt.
Nun aber genug zu Apple. Wie steht es um die übrigen großen Werte an der US-Technologiebörse Nasdaq? Im bisherigen Jahresverlauf hatten vorwiegend Gesellschaften mit geringer und mittlerer Kapitalisierung die Nase vorn, allen voran der Chiphersteller Cirrus Logic, der rund 80 Prozent Kursgewinn verbuchte. Cirrus macht 65 Prozent seines Umsatzes mit Apple, speziell mit Chips zur Kodierung und Dekodierung von akustischen Signalen für das iPhone und iPad.
Weitere Top-Ten-Performer
Auf Platz drei liegt Stratasys, ein Hersteller von 3-D-Druckern. Diese Geräte eröffnen Designern, Planern und Konstrukteuren die Möglichkeit, auf Basis der Konstruktionsdaten innerhalb von Minuten funktionsfähige Prototypen herzustellen. Die Stratasys-Aktie hat seit Jahresbeginn bereits 72 Prozent zugelegt.
Unter den übrigen Top-Ten-Performern finden sich Equinix, ein globaler Anbieter von Rechenzentrumsdienstleistungen, mit dessen Service Amazon und viele andere Internet-Stars die Rechenkapazität ihrer Plattformen verbessern; Skyworks Solutions, ein Hersteller von Chips zur mobilen Datenübertragung, der ebenfalls Apple beliefert; und der Softwareanbieter ACI Worldwide, der Software für die Zahlungsabwicklung von Banken und anderen Organisationen herstellt.
Cirrus und Skyworks haben das höchste Risikopotenzial, aber auch die besten Ertragschancen von allen diesen Unternehmen, weil das Schicksal beider Unternehmen wesentlich davon abhängt, ob ihre Produkte im nächsten iPhone enthalten sein werden.
Hausse von September an?
Die Cirrus-Aktie kostet derzeit rund 26 Dollar, das heißt, sie wird zum 15-Fachen des für das laufende Jahr erwarteten Gewinns von 1,69 Dollar je Aktie gehandelt. Das ist nicht billig, egal, wie hoch Apple die Produkte schätzen mag. Als günstig gilt ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von zehn und niedriger. Skyworks liegt mit einem KGV von 14 etwas besser als Cirrus, ist im aktuellen Markt jedoch keineswegs ein Schnäppchen.
Für ähnlich starke Kurssteigerungen im weiteren Jahresverlauf, wie sie bereits Cirrus und Skyworks hingelegt haben, gibt es kaum aussichtsreiche Kandidaten, aber gerade die beiden könnten von September an erneut Auftrieb erhalten, wenn die Gerüchteküche um das nächste iPhone zu brodeln beginnt.
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