Teurer Heizstoff Russland dreht den Gaspreis hoch

Die russische Gazprom will die Gaspreise in Europa um zehn Prozent anheben. Für Rabatte sieht der Gas-Riese keinen Anlass. Warum sich die Verbraucher in Deutschland trotzdem keine großen Sorgen machen müssen.

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Europa bleibt für den russischen Gas-Förderer Gazprom ein wichtiger Markt – trotzdem sieht es für Rabatte keinen Anlass. Quelle: dpa

Moskau/Düsseldorf Die russische Gazprom hat Preiserhöhungen von zehn Prozent im Europageschäft angekündigt: „2017 wird sich die Preisspanne zwischen 180 und 190 Dollar pro 1.000 Kubikmeter einpegeln“, sagte der stellvertretende Gazprom-Chef Alexander Medwedew auf dem Investorentag des Konzerns in Singapur. Im vergangenen Jahr exportierte der russische Staatskonzern sein Gas in die EU-Länder noch für durchschnittlich 167 Dollar.
Die Preisanhebung ist keine große Überraschung. Im vergangenen Jahr ist bereits der Ölpreis von seinen Tiefs bei 28 Dollar pro Barrel auf das Doppelte gestiegen. Gazprom hat seine Lieferungen in den meisten Fällen an den Ölpreis gekoppelt. Die Gaspreise folgen damit der Entwicklung des Öls in einem zeitlichen Abstand von sechs bis neun Monaten. Schon im vergangenen Sommer hatte Medwedew daher davon gesprochen, dass die „Talsohle erreicht“ sei. Damals hatte Gazprom noch einem Abschlag von 30 Dollar pro 1.000 Kubikmeter auf seinen Exportpreis zugestimmt. Allerdings hat Gazprom mit jedem Land geheime Separatverträge. Je kleiner die Konkurrenz, desto höher auch der Preis, den Gazprom diktiert.

Für neue Rabatte sieht der russische Gas-Riese in Europa keinen Anlass: Immerhin konnte Gazprom seinen Marktanteil 2016 von 31 auf 34 Prozent steigern. Auch in der Menge erreichte der Export nach Europa mit 179,3 Millionen Kubikmeter ein Allzeithoch „Im Gegensatz zum Sport stellen wir unsere Rekorde ohne die Einnahme von Doping auf, also ohne Subventionen, für die im Endeffekt der Verbraucher zahlen muss“, kommentierte Medwedew das Rekordergebnis des Konzerns mit einem ironischen Seitenhieb auf die Dopingaffäre russischer Athleten.

Ob die europäischen Energieversorger nun die Preiserhöhung an den Verbraucher weitergeben, ist noch unklar. Fest steht jedoch, dass sie in der Vergangenheit nur unwesentlich von den fallenden Gaspreisen profitierten: Laut Eurostat kostete die Kilowattstunde private Haushalte im ersten Halbjahr 2016 6,61 Cent gegenüber dem Hochstand von 6,89 Cent pro Kilowattstunde im zweiten Halbjahr 2013, während im gleichen Zeitraum der Gazprom-Exportpreis von 380 Dollar auf 170 gesunken ist.
Einen direkten Einfluss auf den Endkundenpreis von deutschen Gasverbrauchern habe die Preiserhöhung von Gazprom nicht, heißt es bei den Berliner Gaswerken Gasag, einem der größten Gasversorger in Deutschland. „Mit einer diversifizierten Einkaufsstrategie schützt die Gasag sich und ihre Kunden vor singulären Einflüssen auf den Gaspreis“, erklärte das Unternehmen auf Anfrage. Wenn die Preiserhöhung von Gazprom nachhaltig wäre und weitere relevante Märkte dem russischen Beispiel folgen sollten, würde aber auch die Gasag auf die geänderten Rahmenbedingungen „reagieren“, erläuterte eine Unternehmenssprecherin.
Beim Oldenburger Energieversorger EWE rechnet man wegen der milden Witterung aktuell eher mit einer geringeren Nachfrage und damit einhergehend auch mit niedrigen Gaspreisen. Denn in der Regel bestimme immer noch Angebot und Nachfrage den Preis, erklärte ein Unternehmenssprecher.


Deutsche Versorger schützen ihre Kunden vor Preissteigerungen

Gleichzeitig haben aber einige deutsche Versorger noch langfristige Gasbezugsverträge – etwa mit Gazprom, die an den Ölpreis gekoppelt sind. Aufgrund leicht gestiegener Ölpreise in den vergangenen Monaten könnten vertragsbedingt auch die Gaspreise bei manchen Versorgern steigen. Bei EWE betont man jedoch, über keine nennenswerten ölpreisgebundenen Langfristverträge mehr zu verfügen.
Beim Düsseldorfer Energieversorger Uniper will man die Aussagen von Gazprom-Vizechef Medwedew nicht kommentieren. Erdgas gebe es aber nicht nur in Russland, sondern auch in anderen Gegenden der Welt, teilt das Unternehmen mit, das in Deutschland mit die meisten Gaskunden versorgt. Im mehrjährigen Vergleich sind die Gaspreise in Deutschland aber zuletzt gesunken. Ein Anstieg käme da nun wohl nicht allzu überraschend.

Trotz der höheren Preise werden sich die europäischen Verbraucher also mittelfristig keine allzu großen Sorgen um ihre Heizkosten machen. Denn wenn die Preiserhöhung auch etwas bedrohlich klingt, so ist Russland doch auch am europäischen Verbraucher interessiert: Während die russische Führung zuletzt mehrfach eine wirtschaftliche Wende gen Osten angekündigt hat, bleibt der Energiesektor konservativ. Europa sei und bleibe für Gazprom der wichtigste Markt, machte Medwedew deutlich. Trotz der Preiserhöhung ist die Konzernführung überzeugt, den Marktanteil halten zu können. Neben Medwedew hatte sich zuvor schon der Aufsichtsratsvorsitzende, Ex-Premier Viktor Subkow optimistisch geäußert, das Exportvolumen „mindestens“ auf dem derzeitigen Niveau halten zu können.

Das liegt auch an der rückläufigen Öl- und Gasförderung in der Nordsee. Konkurrenz durch Fracking fürchtet Gazprom ebenfalls nicht: Vorstandsmitglied Oleg Aksjutin sprach von einem „Schiefergasfieber“, das sich aber in Europa nicht nach amerikanischem Vorbild wiederholen lasse. Die Förderkosten seien zu hoch, um den Wettbewerb mit Erdgas zu bestehen, ist die Gazprom-Führung inzwischen überzeugt.
Mit den Prognosen bei Gazprom ist es allerdings so eine Sache: 2008 hatte Vorstandschef Alexej Miller noch Gaspreise von 500 bis 1.000 Dollar pro 1.000 Kubikmeter vorausgesagt. Davon ist der Markt trotz der jüngsten Erholung noch weit entfernt.
Zum stabilen Marktanteil sollen auch mehrere Pipelineprojekte beitragen, von deren Gelingen Gazprom trotz Widerstands aus Brüssel weiter überzeugt ist. Beim Projekt Nordstream 2, der Erweiterung der Ostseepipeline, sei die EU verpflichtet, alle Genehmigungen zu erteilen, da das Projekt technologisch eine Kopie von Nordstream 1 sei, das genehmigt wurde, meinte Medwedew. Auch bei Turkstream hofft Moskau immer noch darauf, die Leitung durch das Schwarze Meer in die Türkei später weiter Richtung Südeuropa zu verlängern.

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