TV-Kritik „Der Banker“ „Das Eis an der schwächsten Stelle angeknackst“

Er verdiente Millionen an einem Tag, jetzt bricht er als erster das Schweigen: Investmentbanker Rainer Voss spricht schonungslos über Banken aus der Innensicht. Gerade für die Euro-Krise verheißt der Film nichts Gutes.

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Investmentbanker Rainer Voss spricht in dem Film „Der Banker“ schonungslos über den Eigenhandel der Banken und gibt einen Ausblick auf die Euro-Krise. Quelle: Pressebild, Arte

Düsseldorf „Da entscheiden Menschen“, sagt Rainer Voss. „Und wenn man denen sagt, hört auf, dann hören die auf.“ Gleichsam einer These sagt diesen Satz ein Insider am Schluss dieses Films. Rainer Voss war Trader bei mehreren Investmentbanken, hat von seinem Platz auf dem Trading Floor aus Millionen verdient. Nun ist er einer der ersten der Branche, der redet.

Und Regisseur Marc Bauder lässt ihn reden: Eineinhalb Stunden dreht sich der Arte-Film nur um ihn. Er wird interviewt in einem leerstehenden Bankgebäude in Frankfurt, nur durchsetzt von eindrucksvoll sprechenden Bildern. Voss redet pragmatisch und schonungslos: einer, der es erlebt hat. Gerede von „dem Markt“ und „den Banken“ wischt er beiseite. Wenn die leitenden Banker es wollten, könnte die weltweite Spekulation gestoppt werden. Es klingt so einfach, so offensichtlich. Doch es hallt nach, dass das nicht passieren wird. Warum, davon erzählen die 90 Minuten Film.

Freilich ist es nicht alltäglich, wie Bauder die Spielfilmlänge füllt. Kaum ein Regisseur hat es bisher geschafft, ein Interview so sparsam und gleichzeitig so aufregend zu inszenieren. Zu Recht ist „Der Banker“ deshalb für den Deutschen Filmpreis nominiert. Denn natürlich wird keine 90 Minuten am Stück gesprochen. Im Gegenteil, der Film legt ein gemäßigtes Tempo vor, lässt Thesen beim Zuschauer einsinken.

Die Pausen werden von Ansichten des leeren Bankenturms durchzogen, die nicht treffender die Themen illustrieren und die Zuschauer verstören könnten. Voss erzählt vom Hochfrequenzhandel: Die Kamera zeigt Bündel von Kabeln, die auf dem Trading Floor wie Stroh aus leeren Serverschränken quillen.


Gefühl für die reale Welt verloren

Dann kreist das Gespräch um seine Familie. „Warst Du ein guter Vater?“, will der Reporter wissen. Noch während Voss die Frage abkanzelt, sehen die Zuschauer einen Kinderspielplatz, aus einiger Entfernung von oben. Ganz ähnlich muss der Blickwinkel eines Traders ausgesehen haben, der seine Kinder nur durch die dicken Glasscheiben der Fassade aufwachsen sah.

Der Film stellt nicht fest, „wie es ist“. Stattdessen lässt er Voss konsequent subjektiv erzählen. Gerade das aber gibt dem Zuschauer am Ende das Gefühl, die Finanzkrise nachhaltiger verstanden zu haben, als zahlreiche Fakten-Sendungen es zu lehren vermochten. Voss selbst ist in seinen Aussagen dabei so schonungslos mit sich selbst wie mit dem System.

Er vergleicht: Drei Trader erzielten an den Finanzmärkten den Umsatz eines mittelständischen Unternehmens mit 100 Beschäftigten. Irgendwann sei ihm das Gefühl abhanden gekommen, dass sein Handeln Auswirkungen auf die reale Welt habe. Als Trader sei er eigentlich nie in wirklich federführender Position gewesen, stellt er klar, stets eher nur ein „Chefschrauber am Band von Daimler“. Aber: „Mir fällt kein anderer Job ein, bei dem man in einer solchen Position so viel Schaden anrichten kann.“

Die einzige Stelle, an der Voss das Interview abbricht, ist die, als es darum geht, ob das Handeln der Banker kriminell sei. Anleger hätten nicht gewusst, wie die Finanzprodukte funktionierten, auf die sie ihr Geld setzen. Trotzdem wehrt er sich gegen den Vorwurf der kriminellen Energie: „Wir reden hier nicht über albanische Hütchenspieler.“ Finanzprodukte, wie sie vor der Krise flächendeckend an Kommunen und mittelständische Unternehmen verkauft wurden, würden in einer speziellen Situation für ein Unternehmen Sinn machen und für andere nicht.


Es nimmt kein gutes Ende

Die Entwicklung dieser Finanzinstrumente bindet Voss an die weltweite finanzielle Deregulierung Ende der 1980er-Jahre, in der Zeit von Margaret Thatcher und Ronald Reagan. Vorher sei Deutschland ein „kuschliger Kapitalmarktzoo“ gewesen, heute hingegen liefe die Realwirtschaft der Finanzwirtschaft hinterher. „War die Deregulierung Ursache dafür? – Nein“, sagt Voss. „War sie Voraussetzung? – Ja.“

Schließlich gibt Voss noch einen Ausblick über den weiteren Verlauf der Euro-Krise. Es sei eine klare Linie zu erkennen: Hedgefonds-Manager hätten „das Eis an der schwächsten Stelle angeknackst“: Griechenland. Dann Portugal, Spanien, Italien, immer ein Stück größer. Er beschreibt, wie Fonds die Staaten erpressen können und das auch regelmäßig täten, um Gewinn zu machen. Welches Land kommt als nächstes? „Frankreich“, sagt Voss. Und dann? „Game over.“

Wenn der Chef einer großen Investmentbank verkünden würde, alle Trader in seinem Haus zu entlassen, die weiter auf einen Zusammenbruch von Euro-Krisenstaaten wetten, fände die Spekulation sofort ein Ende. Mit dieser Hypothese schließt Voss. Da sind sie wieder, die Menschen, deren Entscheidungen das System tragen. So etwas sei absolut möglich, sagt Voss, nur finge keiner an. Also gehe es nach der Krise weiter wie vor der Krise, der Markt sei nicht lernfähig. „Dass das ein gutes Ende nimmt, das glaube ich keine Sekunde.“

Fazit: Dieser Film sollte Teil des Wirtschaftsunterrichts an Schulen werden. Ein schonungsloser Blick darauf, wo wir mit unserem Finanzsystem stehen. Journalistisch und filmisch eindrucksvoll umgesetzt durch die Regiefinesse von Marc Bauder – uneingeschränkte Empfehlung.

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