Die Nachricht klingt banal: Am 17. November 2015 teilt ein feines Family Office namens Günther Holding mit, dass sie mehr als 30 Prozent der Aktien der M.A.X. Automation AG hält. Eine Pflichtmitteilung, die Börsengesetze verlangen es so, reine Routine also. Doch als die Meldung morgens um viertel nach neun auf dem Bildschirm im Büro von Georg Issels aufpoppt, ist es für ihn vorbei mit der Routine. Issels springt auf und läuft ins Büro seines Geschäftspartners Hans Peter Neuroth. Sie besprechen sich kurz. Minuten später greift Issels zum Telefonhörer und ordert 40.000 Aktien der M.A.X., eines Spezialisten für Umwelttechnik und Automatisierung. Kaufpreis: knapp eine Viertelmillion Euro.
Issels und Neuroth sitzen im Vorstand der Kölner Beteiligungsgesellschaft Scherzer. Issels hat schütteres graues Haar, trägt zum dunkelblauen Anzug ein weißes Hemd mit kantigen Manschettenknöpfen. Seine Firma ist darauf spezialisiert, sogenannte Sondersituationen am Aktienmarkt zu erkennen, zum Beispiel eine Übernahme. Im Fall von M.A.X. wittert Issels eine Chance: „Als wir sahen, dass die Günther-Gruppe einsteigt, war das ein Zeichen, dass ein strategischer Investor kommt und mehr will.“ Am Ende vielleicht sogar eine Komplettübernahme.
Für Anleger, die die Aktien von Übernahmezielen früh genug im Depot haben, kann sich das richtig lohnen. Wenn große Investoren ganze Unternehmen schlucken, müssen sie den Aktionären großzügige Angebote machen. Im vergangenen Jahr gab es für einige börsennotierte deutsche Gesellschaften solche Offerten. Die Käufer boten zwischen 20 und 60 Prozent mehr, als die Aktie in den 100 Tagen vor dem Angebot an der Börse im Schnitt kostete. Wer rechtzeitig einstieg, fuhr eine stattliche Rendite ein.
Der Übernahmezug steht unter Volldampf. Im vergangenen Jahr wurden Deals im Wert von 183 Milliarden Euro mit und von deutschen Unternehmen abgewickelt oder angekündigt, wie Daten des Finanzdatenportals Thomson One zeigen. Das ist der höchste Wert seit dem Boomjahr 2000. Gerade chinesische Investoren schlugen hierzulande zu. Sie investierten laut der Unternehmensberatung EY bis Oktober umgerechnet elf Milliarden Euro in deutsche Unternehmen, ein Rekord. Den größten Fisch zog der chinesische Elektronikkonzern Midea an Land. Eine viereinhalb Milliarden Euro schwere Offerte erfreute die Aktionäre des Roboterherstellers Kuka. Sie verdienten bei Mideas Fischzug kräftig mit (siehe Grafik unten).
2017 werden sich Anlegern mit deutschen Aktien wieder einige solcher Chancen bieten. Christoph Ohme, Fondsmanager bei der DWS, glaubt, dass der Trend zu Übernahmen anhalten wird. „Die Treiber sind nach wie vor vorhanden.“ Die Gründe:
- Vor allem die niedrigen Zinsen spielen Käufern in die Karten. „Beim aktuellen Zinsniveau sind auch Übernahmen, die mit viel Kredit finanziert werden, gut machbar.“
- Das maue Wirtschaftswachstum spricht für weitere Transaktionen. „Unternehmen fällt es in diesem Umfeld schwer, aus eigener Kraft zu wachsen“, so der Fondsmanager. Mehr Umsatz und Gewinn können sie stattdessen einfach durch Zukäufe einsammeln.
- Als Käufer könnten 2017 neben Chinesen auch amerikanische Investoren in Deutschland auftreten. Der schwache Euro macht Investitionen hierzulande billiger.
- Investoren sitzen auf viel Geld. Jens Kengelbach leitet den Fachbereich Übernahmen und Fusionen bei der weltweit tätigen Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG). „Die Kassen von Hedgefonds sind gut gefüllt, und auch die Unternehmen selbst halten Bargeldbestände auf Rekordniveau“, sagt er. Sein Fazit: „Ein Ende des Booms bei Übernahmen ist nicht absehbar.“