Ulrich Stephan "Der schwache Euro ist Europas Lichtblick"

Deutsche Bank-Chefanleger Ulrich Stephan erklärt, was in den nächsten Monaten für Dax und Dow spricht und warum die Angst vor einer Blase an den Anleihemärkten begründet ist.

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Was Analysten für 2015 erwarten
Deutsche BankDie Anlagestrategen sind verhalten optimistisch, zumindest was den deutschen Aktienmarkt angeht. Ende 2015 sehen sie den Dax bei 11.500 Punkten. Während die USA mit einem prognostizierten Wachstum von 3,5 Prozent zur Lokomotive werden dürfte, rechnen die Analysten für Deutschland nur mit einem Plus von 0,8 Prozent. Zugewinne könnte es dank des schwachen Euro bei exportorientierten Industrien geben. Ende 2015 sieht die Deutsche Bank den Euro bei 1,15 Dollar. Anleihen werden dagegen nicht mehr so attraktiv sein. Die Renditen bleiben extrem niedrig, Chancen gibt es lediglich bei US-Unternehmensanleihen mit guter Bonität. Auch Schwellenländeranleihen könnten für Risikofreudige interessant werden. Insbesondere Indien wird für die Deutsche Bank zur attraktiven Region. Quelle: REUTERS
Der Vermögensverwalter Allianz Global Investors ist ein Tochterunternehmen der Allianz. Quelle: imago images
CommerzbankDie Commerzbank sieht den Dax Ende 2015 bei 10.800 Punkten, ist also nicht ganz so optimistisch wie die Deutsche Bank, was den Leitindex angeht. Einig sind sich beide aber, was mögliche Staatsanleihekäufe der EZB angeht. Mit einem sogenannten Quantitative Easing (QE) rechnen beide Institute in der ersten Jahreshälfte. Anschieben könnten den Dax steigende Unternehmensgewinne dank des schwächeren Euro. Das könnte auch Dividenden begünstigen. Die Bank rechnet für den Dax mit einer Dividendenrendite von knapp über drei Prozent. Besonders hohe Dividendenrenditen erwarten die Analysten bei Medienpapieren wie Freenet und RTL sowie Immobilienkonzernen wie DIC Asset oder TAG. Als negative Einflussfaktoren verweist die Commerzbank nicht nur auf die wahrscheinliche Zinserhöhung der Fed, sondern auch auf niedrigere Wachstumsraten in China. Quelle: dpa
Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba)Was den Dax betrifft ist die Landesbank etwas pessimistischer als die Großbanken. Relativ konservativ rechnet sie mit einer Spanne zwischen 8300 und 10.000 Punkten. Zwar erwarten die Analysten eine leichte Erholung der Weltwirtschaft, einen breiten Aufschwung sehen sie allerdings nicht. Lediglich hinsichtlich der USA scheinen sich alle einig zu sein, auch die Helaba erwartet ein Wachstumsplus von rund drei Prozent für die größte Volkswirtschaft. Für Deutschland erwartet die Landesbank ein Plus von 1,3 Prozent - mehr als die Deutsche Bank. Im Portfolio rät die Helaba zu einer leichten Anhebung der Aktienquote. Anleihen sollten dagegen zugunsten von Immobilien leicht reduziert werden. Quelle: dpa
Julius BärDie Schweizer Privatbank sieht die Devisenmärkte und Wechselkursentwicklungen ebenfalls im Fokus der Entwicklungen des nächsten Jahres. Auch die Schweizer sehen die USA als Wachstumsanführer, während die Euro-Zone mit einem Plus von nur 0,8 Prozent eher ein Bremsklotz ist. Die schwächelnde Nachfrage der Euro-Zone sei vor allem für die Schweiz ein Nachteil, heißt es. Für Investoren dagegen gelte es, Kurs zu halten, liquide zu bleiben und nach Wachstumsthemen Ausschau zu halten, so die Analysten. Mögliche Bereiche für Wachstumsthemen sind laut den Privatbankern E-Autos, digitale Technologien, Energieinfrastruktur und Bildung. Quelle: REUTERS
FidelityDie Fondsgesellschaft gibt sich optimistisch, auch für Deutschland. "Wenn die geopolitischen Risiken in den Hintergrund treten und die Notenbanken die Wirtschaft weiter unterstützen, hat Deutschland beste Voraussetzungen, um 2015 an den moderaten Aufwärtstrend anzuknüpfen", schreibt Fondsmanager Christian von Engelbrechten. Auch Fidelity sieht Impulse seitens des Euro für die exportorientierten Unternehmen. Eigentliche Stütze der Konjunktur sei aber der heimische Konsum - der Verbraucher, der konsumiert statt spart, treibt die Wirtschaft an. Durch die steigenden Gewinne sieht Fidelity auch am Aktienmarkt gute Chancen und rechnet mit einer Dividendenrendite von im Schnitt drei Prozent. Quelle: REUTERS
DZ BankAktuell sei das Gewinnwachstum der Dax-Unternehmen noch zu hoch geschätzt, sagen die Analysten der DZ Bank. Die Rahmenbedingungen für Aktien bleiben dennoch dank expansiven EZB-Maßnahmen und einem Mangel an Anlagealternativen positiv. Trotzdem erwarten die DZ Banker keine großen Kurssprünge, der Leitindex habe kaum noch Potenzial. Bis zum Jahresende 2015 rechnet die Bank nicht mit einem Anstieg über 9500 Punkte - und auch schwankungsanfälliger könnte der Index werden. Konservativen Anlegern raten die Experten daher zu "Dividendenaristokraten". Risikofreudigere Investoren könnten dagegen im ersten Quartal Chancen bei den Zyklikern haben. Quelle: REUTERS

Gemäßigt optimistisch. So gibt sich die Deutsche Bank in ihrem Ausblick auf die Entwicklung an den Kapitalmärkten im kommenden Jahr. In Deutschland gilt das vor allem für den Aktienmarkt. Die Anlagestrategen von Deutschlands größter Bank sehen den Dax Ende 2015 bei 11.500 Punkten - klingt machbar, deutet aber nicht auf ein Wachstumswunder hin, wie Chef-Anlagestratege Ulrich Stephan im Interview erklärt.

WirtschaftsWoche Online: Herr Stephan, nach sehr volatilen Zeiten steigen die Aktienkurse jetzt wieder. Sind das bereits die ersten Anzeichen für Staatsanleihekäufe der Europäischen Zentralbank (EZB), das sogenannte Quantitative Easing (QE)?

Ulrich Stephan: Wahrscheinlich schon. EZB-Chef Mario Draghi hat ja bereits mehrfach von weiteren Maßnahmen gesprochen. Auch das Wort Staatsanleihen fiel. Zuletzt sind die Kurse nach Draghis Satz 'Wir werden das tun, was wir tun müssen' deutlich gestiegen. Der Markt preist das jetzt ein, die Kurse dürften also zunächst weiter steigen. Wir rechnen damit, dass die EZB im Frühjahr 2015 damit anfangen wird, Staatsanleihen zu kaufen.

Zur Person

Und falls sich die EZB doch noch anders entscheidet?

Das Enttäuschungspotenzial im Markt wäre schon groß. Weiten die Notenbanker ihre Anleihekäufe nicht aus, könnte es zu deutlichen Kursrückschlägen kommen.

Obwohl die bisherigen Lockerungsübungen der EZB kaum gefruchtet haben?

Ja. Denn Europa wird versuchen, den Amerikanern nachzueifern.

Die US-Notenbank Fed lässt ihr milliardenschweres Anleihekaufprogramm gerade auslaufen. Wäre in der Euro-Zone denn eine ähnliche Wirkung zu erwarten?

Nein, die amerikanische Wirtschaft ist deutlich stärker an den Kapitalmarkt gekoppelt als die europäischen Volkswirtschaften. Hier sind Kredite die Treiber. Und die Kreditvergabe an Unternehmen ist trotz der bisherigen Maßnahmen seitens der EZB weiterhin zu niedrig.

Ulrich Stephan ist Chefanlagestratege bei der Deutschen Bank.

Warum sollte das mit QE anders werden?

Das ist tatsächlich fraglich. Denn dafür muss die Liquidität in der Realwirtschaft ankommen. Bisher hat das kaum funktioniert, da die Unternehmen sich bei Investitionen weiter zurückhalten. Durch strukturelle Reformen müssen unbedingt die Rahmenbedingungen für steigende Investitionen geschaffen werden. Mittlerweile gibt es allerdings noch einen anderen Faktor, der die Wirkung von QE begünstigen könnte.

Nämlich?

Der schwache Euro. Gegenüber dem Dollar dürfte der Euro in den nächsten Monaten weiter abwerten. Unter anderem, weil die Fed 2015 erstmals die Zinsen wieder leicht erhöhen könnte. Wir sehen den Euro Ende nächsten Jahres bei etwa 1,15 Dollar. Davon profitieren vor allem die exportorientierten Unternehmen in der Euro-Zone. Wenn deren Gewinne steigen sind auch Investitionen wieder ein Thema, die Nachfrage wird angekurbelt. Wir sollten aufhören, die Devisenentwicklung schlecht zu reden. Der schwache Euro ist der Lichtblick für Europa.

Bis die USA irgendwann gegensteuern.

Ich glaube nicht, dass wir einen Währungskrieg sehen werden. Ein wachsendes Europa ist auch für die USA gut, außerdem ist die amerikanische Volkswirtschaft weniger offen als die der Euro-Zone. Und zurzeit ist der stärkere Dollar fundamental gerechtfertigt, die US-Wirtschaft erholt sich. Wir erwarten für die USA 2015 ein Wachstum von 3,5 Prozent. Für Europa und Deutschland liegt unsere Prognose jeweils nur bei 0,8 Prozent.

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