Ursachenforschung nach Börsenbeben Versicherer könnten Kursrutsch beschleunigt haben

Versicherer haben wohl nach der letzten Finanzkrise Kundengelder verstärkt in Fonds investiert, die eine „gemanagte Volatilität“ versprechen. Quelle: dpa

Die Kursverluste der vergangenen zwei Wochen könnten durch die Investment-Strategie der Versicherungskonzerne beschleunigt worden sein.

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Nach den jüngsten Kursturbulenzen an den internationalen Aktienmärkten waren Anleger in Europa und den USA am Montag wieder in Kauflaune. Der deutsche Leitindex Dax legte bis zum späten Nachmittag mehr als 1,5 Prozent zu und an der Wall Street starteten auch der Dow Jones und der S&P 500 deutlich im Plus.

Viele Marktexperten beschäftigen sich derzeit allerdings noch mit Ursachenforschung – wie konnte es überhaupt zu dem enormen Druck auf die Kurse kommen, der etwa dem Dax zeitweise ein Minus von rund elf Prozent gegenüber seinem Allzeithoch bescherte? Analysten an der Wall Street machen dafür jetzt nicht mehr nur Fonds und sogenannte Algo-Trader verantwortlich, deren Portfolien zu stark mit den Marktschwankungen verknüpft seien, sondern auch Versicherungskonzerne. Wie die Financial Times (FT) berichtet, könne ein Teil des Ausverkaufs an den Märkten auch mit den variablen Jahreszinsen der Versicherer zusammenhängen.

Laut dem Bericht haben Versicherer nach der letzten Finanzkrise Kundengelder verstärkt in Fonds investiert, die eine „gemanagte Volatilität“ versprechen. Damit sollen etwa bei Lebensversicherungen die variablen Zinsen gegenüber den Versicherten gesichert werden. Allerdings: Wenn die Volatilität steigt, stoßen solche Fonds riskante Positionen schnell ab. Nach Schätzungen des weltgrößten Hedgefonds, Bridgewater, sollen rund 350 Milliarden Dollar auf diese Weise investiert worden sein.

Aaron Sarfatti, Partner der Unternehmensberatung Oliver Wyman, schätzt gegenüber der FT, dass die Fonds in den vergangenen Tagen Aktienindex-Futures im Wert von 80 bis 100 Milliarden Dollar verkauft haben könnten. Experten zufolge liegt es in der Natur solcher Fonds, dass sie Aktien verkaufen, wenn die Kurse einbrechen. Dadurch allerdings sorgen sie selbst noch für weitere Kursverluste und können so eine Abwärtsspirale unterstützen.

Andere Marktbeobachter setzen in ihrer Rückschau noch eine Stufe höher an und analysieren, was in den vergangenen Wochen überhaupt erst zur Verunsicherung der Anleger geführt hat. Als die beiden Hauptursachen werden dabei immer wieder die Sorge vor einer Rückkehr der Inflation und der Anstieg der Renditen am Anleihemarkt genannt.

Tilmann Galler, globaler Marktstratege bei JP Morgan, beschwichtigt jedoch: So habe das durchschnittliche Lohnwachstum im Privatsektor in den USA zuletzt zwar den stärksten Anstieg seit Mai 2009 hingelegt, doch ein Teil des Anstiegs von 2,9 Prozent sei auf das ungewöhnlich kalte Wetter in der Erhebungswoche zurückzuführen. Auch, wenn der Preisdruck wegen steigender Ölpreise noch zunehmen könne, sei er „noch weit davon entfernt, große Besorgnis bei der US-Notenbank Fed auszulösen“. Auch den Renditeanstieg sieht Galler positiv und wertet ihn „als Anzeichen eines gesunden Wirtschaftswachstums“ und „nicht als Ergebnis einer überhitzenden Wirtschaft oder ultrawachsamer Zentralbanken“.

Als wesentlichen Auslöser für die Rücksetzer sieht er eine „rein technische Reaktion der Märkte auf eine lange und außergewöhnlich ruhige Phase an den Aktienmärkten“. In einigen Segmenten könne das zu „einseitigen Positionen und exzessiven Risikonahmen“ geführt haben. Trotz solcher Beschwichtigungen ist auch klar, dass der Aufwärtstrend an den Börsen nicht ewig anhalten kann.

„Aktien und Immobilien können Renditen abwerfen, die höher sind als das Wirtschaftswachstum, jedoch innerhalb gewisser Grenzen“, sagt etwa Lukas Daalder, Chefanlagestratege des Vermögensverwalters Robeco. Während in der Vergangenheit hohe Dividenden und steigende Unternehmensgewinne die Renditen in die Höhe getrieben haben, gibt sich Daalder davon überzeugt, „dass sich beides in den nächsten Jahrzehnten wohl nicht wiederholen wird“.

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