US-Aktien Niedrige Lohnkosten pushen die Börse

Die Löhne in den USA steigen schneller als in anderen Teilen der Welt. Das trifft einige Aktien hart, Konzerne mit niedrigen Lohnkosten können aber profitieren. Wer gewinnt, wer verliert?

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Lohnsteigerungen in den USA. Quelle: Bloomberg

Was lange währt, wird endlich gut, sagt der Volksmund. Für die Arbeitnehmer in den USA währte das Warten auf eine reale Gehaltserhöhung ziemlich lang: Die Inflation gegengerechnet, hatten die meisten seit den Siebzigern immer weniger in der Tasche. Das aber ändert sich seit Kurzem; während die Lohnkosten steigen (siehe Grafik), liegt die Inflation am Boden. Und der reale Lohnanstieg dürfte sich fortsetzen, wenn nicht gar beschleunigen, meinen Ökonomen. Die gute Nachricht für Arbeitnehmer wird allerdings auf Kosten einiger Unternehmensgewinne gehen und die Aktien von Firmen mit hohen Lohnkosten unter Druck bringen.

Dass die Löhne wieder steigen werden, steht für die meisten Volkswirte fest. Anfang dieses Monats gab die US-Regierung bekannt, dass die Stundenlöhne im Mai um 2,5 Prozent höher waren als ein Jahr zuvor. Eine Reihe von Unternehmen hat höhere Lohnabschlüsse mit ihren gewerkschaftlich organisierten Mitarbeitern vereinbart, so wie zuletzt die Kaufhauskette Macy’s.

Die meisten Umfragen deuten ebenfalls auf Lohnsteigerungen hin, so etwa eine Untersuchung des US-Kleinunternehmensverbandes National Federation of Independent Business. Selbst ein etwas langsameres Beschäftigungswachstum wird die Löhne nicht niedrig halten, meint der Wirtschaftsexperte Don Rissmiller von Strategas Research Partners. Denn die Gehälter sind typischerweise ein spätzyklischer Faktor: Das heißt, sie laufen der Geschäftsentwicklung um zwei oder drei Quartale hinterher.

Die schwärzesten Tage der Börsengeschichte
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16. Oktober 1989 – der Dax-Absturz Quelle: AP
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07. Januar 2016 – und wieder ein Drachen-Kursbeben Quelle: dpa

Im Mai wurde in den USA ein Beschäftigungswachstum von nur 38.000 Jobs verzeichnet, doch das ist für die zweite Hälfte einer Aufschwungsphase typisch: Bei niedriger Arbeitslosigkeit beginnen die Löhne zu steigen, die Unternehmen stellen weniger neue Arbeitskräfte ein. „Wir gehen jetzt in die Spätphase des aktuellen Konjunkturzyklus“, so Rissmiller, „von jetzt an werden die Löhne weiter steigen.“

Index der US-Arbeitskosten (ohne Landwirtschaft) seit 2006, in Punkten. Für eine detaillierte Ansicht bitte auf die Grafik klicken.

Die Lohnkosten sind sehr unterschiedlich

Doch mehr Geld für die Mitarbeiter bedeutet in der Regel: weniger für die Aktionäre. Davon sind besonders arbeitsintensive Firmen betroffen, bei denen die Lohnkosten einen größeren Teil des Umsatzes verschlingen – und auf die Gewinnmargen drücken. Durch Investments in effiziente Unternehmen kann man als Anleger den negativen Folgen des Lohndrucks zumindest die Spitze nehmen. Unter günstigen Rahmenbedingungen werden Lohnzuwächse durch steigende Produktivität kompensiert und drücken kaum auf die Unternehmensgewinne. Das passierte Ende der Neunzigerjahre in der IT-Branche. In anderen Branchen aber lässt sich der Lohnzuwachs kaum mit Produktivitätssteigerung kompensieren.

Leider ist das momentan in den meisten US-Unternehmen der Fall. In den vergangenen zwölf Monaten ist die Produktivität um gerade einmal 0,7 Prozent gestiegen. „Die Produktivität ist derzeit keine Hilfe, die Löhne tun weh“, sagt Dubravko Lakos-Bujas, Strategieexperte bei JP Morgan. Laut Lakos-Bujas lässt sich der Unterschied zwischen Unternehmen, die unter Lohnzuwächsen leiden, und jenen, die relativ immun sind, an drei wesentlichen Merkmalen festmachen. Arbeitsintensive Unternehmen mit relativ niedrigen Umsätzen je Mitarbeiter sind stärker betroffen. Firmen mit geringeren Nettogewinnmargen – ein Indikator für mangelnde Preismacht – leiden ebenfalls mehr unter dem Effekt als margenstärkere Betriebe; und kleine Firmen sind gegenüber großen im Nachteil, weil sie keine Einsparungen über Skaleneffekte erzielen können.

Finanzkrise wirkt noch nach

Für Anbieter zyklischer Konsumgüter, wie den Bekleidungshersteller VF Corp., die Hotelkette Marriott oder Darden Restaurants, sind diese Kennziffern sehr ungünstig. Ihre Umsätze je Mitarbeiter liegen mit 245.000 Dollar deutlich unter dem Durchschnitt der 500 Unternehmen im Standard & Poor’s 500 Index, der 432.000 Dollar beträgt. Höhere Löhne und Gehälter würden, makroökonomisch gesehen, normalerweise als höhere Konsumausgaben zurückkommen, doch das Geld wird derzeit eher für Gesundheit und Technologie ausgegeben als für Bekleidung oder Restaurants. FedEx, Tenet Healthcare und Jacobs Engineering stehen ebenfalls auf der Liste.

Chip-Hersteller Infineon setzt auf Elektroautos, KTG verschiebt die Couponzahlung und der Fonds CSR Ertrag Plus nimmt die Bundesbank zum Vorbild. Aktien, Anleihen und Fonds für die private Geldanlage.
von Frank Doll, Anton Riedl, Annina Reimann, Heike Schwerdtfeger

Für die Börse spielt das Thema bisher kaum eine Rolle. David Kostin, Strategieexperte bei Goldman Sachs, hat die Kurse der 50 arbeitsintensivsten Unternehmen in einem Korb mit jenen der 50 am wenigsten arbeitsintensiven verglichen und festgestellt, dass sich die Aktien der arbeitsintensiven Gruppe bis vor Kurzem besser entwickelten. „Wir scheinen jedoch an einem Wendepunkt angelangt“, sagt Kostin.

Das wären gute Nachrichten für Unternehmen wie Netflix oder Nike, Maschinenbauer Deere, Pharmawert Express Scripts und Chipgigant Qualcomm, die allesamt niedrigere Lohnkosten im Verhältnis zum Gesamtumsatz und zur Marge haben. „Aktien von Unternehmen mit hohen Lohnkosten werden schlechter laufen als der Durchschnitt“, prognostiziert Kostin.

An der Börse mehren sich die Anzeichen eines neuen Aufschwungs. Doch die zarten Frühlingsboten bedeuten noch nicht wirklich die Wende.

Man sollte annehmen, dass es nicht nur Unternehmen wie Netflix oder Facebook gibt, die weniger negativ betroffen sind, sondern auch echte Gewinner steigender Löhne. Etwa Finanzdienstleister. Deren Kunden müssten mehr Geld für Konsumentenkredite haben. Eigentlich. Davon ist jedoch bisher nichts zu spüren, denn der kurzfristig positive Lohneffekt wird noch immer von den Langfristfolgen der schwersten Finanz- und Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg überlagert.

Unternehmen wie Synchrony Financial, Discover Financial, American Express und Capital One mussten sogar mehr faule Kredite als im Vorjahr berichten; ihre Aktien stürzten teilweise zweistellig ab. Die Aktien solcher auf Konsumenten spezialisierter Finanzdienstleister werden im Schnitt nur noch mit dem Zehnfachen des prognostizierten Jahresgewinns für 2016 gehandelt; doch ein Schnäppchen sind sie damit laut Ed Yardeni von Yardeni Research immer noch nicht. Ein starker Lohnzuwachs vor allem in mittleren und unteren Einkommensgruppen werde zwar den Verbraucherkreditmarkt stützen, meint Yardeni, „doch die Abschreibungen auf uneinbringliche Kredite von vor 2008 werden gleich hoch bleiben oder sich bestenfalls sehr langsam vermindern“.

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