US-Aktienmarkt Die Angst vor dem Schwarzen Montag

Der Crash vor genau 30 Jahren ruft ungute Erinnerungen wach. Manche Parallelen zur heutigen Situation sind verblüffend. Die gesamte ökonomische Situation zeigt aber auch deutliche Unterschiede.

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Das Foto vom 19. Oktober 1987 zeigt die Unruhe unter den Börsianern. Quelle: AP

New York Am Montag, den 19. Oktober 1987, fiel in New York der bekannte Aktienindex Dow Jones um 22,6 Prozent auf 1738,74 Punkte. Vorausgegangen waren am selben Tag schon Einbrüche an anderen Aktienmärkten, ausgehend von Hongkong.

Der Dow, der heute über 23.000 Punkten liegt, erholte sich damals aber innerhalb von etwa zwei Jahren wieder. Die US-Konjunktur nahm keinen tieferen Schaden. Doch der Schrecken saß tief, und mindestens alle zehn Jahre kommt das Ereignis wieder in Erinnerung.

Sind wir heute in einer ähnlichen Situation? Hedgefonds-Manager Brad Lamensdorf hat keinen Zweifel daran. Er sieht damals wie heute einen überschießenden Optimismus am Werk. „Je länger das andauert, desto schlimmer wird der Einbruch“, warnt er.

Peter Hooper, Ökonom bei der Deutschen Bank in New York, ist zurückhaltender. Das Bewertungsniveau des US-Aktienmarkts mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von gut 20 hält er nicht für überzogen: „Langfristig lag das KGV bei 15, aber der Durchschnitt ist durch Perioden wie die Depression der 30er-Jahre und die Inflation der 70er-Jahre geprägt, wo die Bewertung sehr niedrig lag.“ Er sieht in dem 1987er-Crash eher ein Marktereignis als eine wirtschaftliche Krise. „Es gab Sorgen, weil die Inflation auf über vier Prozent angestiegen war“, erinnert er sich.

Die Märkte nahmen eine Zinserhöhung der US-Notenbank (Fed) vorweg, was die Rendite der zehnjährigen US-Anleihen auf beinahe zehn Prozent hochtrieb. Damit wurden Zinspapiere immer attraktiver im Vergleich zu Aktien. Die Investoren schichteten Papiere um und irgendwann war die Dramatik nicht mehr zu bremsen.

Hoopers Meinung nach ist die heutige Situation nicht vergleichbar, Inflation und langfristige Zinsen seien ja sehr niedrig. Er warnt aber: „In ein oder zwei Jahren kann das anders aussehen, wenn die Inflation bis dahin anspringt.“

Analyst Chris Whalen bringt ebenfalls die Fed ins Gespräch, aber auf eine ganz andere Weise. „Der Crash von 1987 war die letzte Finanzkrise, bei der es privaten Märkten erlaubt war zu funktionieren. Seither hat die US-Regierung, das heißt in dem Fall die Fed, quasi ein Anrecht auf stabile Märkte geschaffen. Das Ausmaß der Staatseingriffe in die Märkte ist seitdem so angestiegen, dass sich die Frage stellt, ob die USA noch als Demokratie mit freien Märkten beschrieben werden können.“

Die Kritik zielt also gerade darauf, dass die Fed macht, was die Investoren von ihr verlangen: Sie lässt Vorsicht walten, um die Märkte ruhig zu halten. Das bringt die Frage auf, ob der langsame Rückzug der Fed aus ihrer expansiven Geldpolitik irgendwann zu einer Situation führt, die einen Einbruch ermöglicht.

Die schwierigste Frage ist, ob die Funktionsweise des Aktienmarktes einen tiefen Einbruch ermöglicht oder vielleicht sogar beschleunigt. 1987 spielte der sogenannte Programmhandel eine Rolle. Computer gaben automatisch bei bestimmten Schwellen Verkaufsaufträge und beschleunigten so den Kursverfall. Danach haben die Börsen bestimmte Regeln eingeführt, die derartige Reaktionen stoppen sollen. Aber seither ist ein guter Teil des Aktienhandels von der Börse New York auf eine Vielzahl von Plattformen abgewandert, was es noch schwieriger macht, den Markt zu durchschauen.

In den vergangenen Jahren gab es in mehreren Bereichen des Kapitalmarktes sogenannte Flash-Crashs, bei denen sehr kurzzeitig Kurse tief eingebrochen sind. Am bekanntesten wurde ein derartiges Ereignis im Jahr 2010, wiederum am New Yorker Aktienmarkt. Selbst nach Jahren ist nicht ganz klar, was dazu geführt hat. Umstritten ist heute auch, warum die Märkte so ruhig sind, und ob das eher ein gutes oder ein schlechtes Zeichen ist.

Sorgen bereitet zudem, dass die großen Banken, zum Teil auf Druck der Aufseher, sich aus dem Handelsgeschäft zurückgezogen haben, jedenfalls nach Möglichkeit keine eigenen Risikopositionen mehr eingehen. Damit würden bei einem starken Einbruch finanzkräftige Käufer fehlen, die bei niedrigen Kursen beherzt zugreifen und die Talfahrt stoppen.

Die historische Erfahrung zeigt aber auch: So lange Anleger sich noch fürchten, sind die Märkte noch nicht ausgereizt und ist der Absturz meist noch nicht da. Insofern haben Jahrestage wie der zum Schwarzen Montag 1987 einen Vorteil: Sie halten die Erinnerung an Risiken wach.

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