In den USA nimmt der Wahlkampf Fahrt auf. Im November 2012 wird der Präsident gewählt, und was immer man von Barack Obama halten mag: Der Aktienmarkt hat sich bisher gut unter ihm entwickelt. Glaubt man historischen Vergleichen, stehen die Chancen gut, dass sich Obama auch im Falle seiner Wiederwahl als guter Präsident für die Börsen erweisen wird. Entgegen der landläufigen Meinung erzielten die Aktienmärkte unter demokratischen Regierungen bessere Ergebnisse als unter republikanischen, obwohl man Letzteren eine wirtschaftsfreundlichere Politik unterstellt.
Glück ist entscheidend
Larry Summers, US-Finanzminister in der Regierung Bill Clinton und Obamas wirtschaftlicher Berater, belegt diese These mit Zahlen: Ein Vergleich des Wachstums des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 1949 bis 2011 ergibt eine durchschnittliche Wachstumsrate von 4,43 Prozent unter demokratischen und von nur 2,43 Prozent unter republikanischen Präsidenten. Nicht weniger deutlich ist der Unterschied in der Entwicklung des S&P 500 Index, der unter demokratischen zwölf, unter republikanischen Präsidenten nur sechs Prozent Anstieg pro Jahr im Durchschnitt aufwies. Warum das so ist, bleibt unklar. Der wichtigste Faktor für den Börsenerfolg einer Regierung sei – Glück. Das zumindest meint Barry Ritholtz, Herausgeber des Blogs „The Big Picture“. Ein wenig aber kommt es auf die Reaktion des jeweiligen Präsidenten auf die wirtschaftliche Situation an. „Man muss sich die jeweilige Wirtschaftslage beim Regierungsantritt des Präsidenten vor Augen halten“, erklärt Ritholtz. Die Demokraten Franklin D. Roosevelt und Bill Clinton und der Republikaner Ronald Reagan waren mit immensen Herausforderungen konfrontiert, und sie fanden die angemessene Antwort.
Ronald Reagan hatte zum einen Glück: Er kam im Jahr 14 eines 16 Jahre dauernden Bärenmarktes an die Macht und profitierte vom Können von Fed-Chef Paul Volcker, der zu Beginn seiner Amtszeit eine heftige Rezession bezwang. Weder für das Timing noch für Volcker, der unter Reagans Vorgänger Jimmy Carter seine Arbeit als Notenbankpräsident aufgenommen hatte, konnte Reagan etwas. Aber es war auch Reagans Reaktion auf die Wirtschaftskrise – zunächst Steuersenkungen und hohe Staatsausgaben, dann aber Ausgabenkürzungen und maßvolle Steueranhebungen – die einen entscheidenden Anstoß für den dann folgenden Boom gab.
Böses Erwachen
George W. Bush, unter dem der Aktienmarkt im Jahr 2001 abstürzte, hatte ein schlechtes Krisenmanagement. Dennoch kletterte der Dow Jones in Bushs Amtszeit am 9. Oktober 2007 auf sein Allzeithoch von 14.165 Punkten, bevor mit dem Platzen der Immobilienblase das böse Erwachen kam. Jeffrey Hirsch, Herausgeber des renommierten „The Stock Trader’s Almanac“, hält Zufall und weltweite Trends für wichtiger als die heimische Wirtschaftspolitik.
Franklin D. Roosevelt etwa profitierte vom Ende der weltweiten wirtschaftlichen Flaute, Bill Clinton vom durch Visionäre wie Bill Gates und Steve Jobs geschaffenen Bullenmarkt. „Am Ende ist es vernachlässigbar, welche Regierung am Ruder ist; aber Fakt ist: Die Legende von den börsenfeindlichen Demokraten ist falsch“, sagt Hirsch. Der Dow Jones wird sicher nicht nur deswegen weiter steigen, weil Barack Obama wiedergewählt werden sollte. UBS Wealth Management erwartet in seiner Analyse der US-Präsidentschaftszyklen für den nächsten Sommer eine Rally, die schnell in eine spekulative Blase führen werde. Danach werde die übliche schwierige Phase der ersten beiden Jahre des vierjährigen Präsidentschaftszyklus folgen, deren Tiefpunkt im Vorfeld der Zwischenwahlen zur Halbzeit der nächsten US-Präsidentschaft im Jahr 2014 zu erwarten sei.
Anleger, die an politische Börsen glauben, sollten auf die Obama-Rally setzen, dann aber von nächstem November an dem Markt für zwei Jahre fernbleiben.
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