Uwe Lang Das Wort zur Börse

Das Sein zählt, nicht der Schein. Kein anderer Finanzexperte verkörpert das so gut wie Uwe Lang – bekannt als der Börsenpfarrer. Er ist bodenständig und erfolgreich (damit). Wie er tickt und wie sein System funktioniert.

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Uwe Lang ist pensionierter Pfarrer und hält heute Seminare mit Tipps zur Geldanlage an der Börse Quelle: Pressebild

Emotionen sind nicht Uwe Langs Sache. Ruhig wartet der pensionierte evangelische Pfarrer auf seinem Stuhl bis alle im Saal des Parkhotels Schmid Platz genommen haben. Er verzieht keine Miene, wirkt fast ein bisschen schüchtern. Seine blau-lilafarbene, gebatikte Krawatte – modern in den Neunziger Jahren – sitzt leicht schief, das Nadelstreifen-Sakko auch.

In den Reihen vor dem 67-Jährigen beugen sich seine Jünger gespannt nach vorne auf die Tische: 34 Teilnehmer des Börsenseminars, die Mehrheit mit grauen oder wenigen Haaren, nur drei weiblichen Geschlechts. Langs aktuellster Indikator: „Ist die Teilnehmerzahl gering, geht es an der Börse aufwärts.“ Das Auditorium im Konferenzsaal lacht.

Die größten Risiken für die Märkte
Der internationale Bankenverband IIF hat die größten Risiken für die Märkte in den kommenden zwölf Monaten aufgelistet. Die Liste trägt den Titel "What worries us the most", zu deutsch: "Was uns am meisten besorgt". Der Verband vertritt mehr als 400 Finanzinstitute weltweit. Josef Ackermann steht seit 2003 an der Spitze der mächtigen Lobby-Organisation, die vor kurzem den Schuldenschnitt für Griechenland ausgehandelt hat. Mehrere Krisenherde auf der Liste des IIF sind in Europa angesiedelt. Wobei die Experten auch darauf hinweisen, dass nicht alles schiefgehen muss, was schiefgehen könnte. Quelle: Reuters
GriechenlandSpannend ist wie sich das Land nach dem zweiten Rettungspaket und dem Schuldenschritt entwickeln wird. Der große Unsicherheitsfaktor: Die Parlamentswahlen am 6. Mai. Umfragen deuten darauf hin, dass Kommunisten, linke und rechtsgerichtete Parteien, die gegen das Sparprogramm sind, mehr als 40 Prozent der Wähler für sich gewinnen könnten. Sie haben erklärt, sie würden das Sparprogramm entweder gar nicht umsetzen oder neu verhandeln wollen. Konservative und Sozialisten, die mit großen Verlusten rechnen müssen, haben sich dagegen schriftlich verpflichtet, die Maßgaben der Geldgeber umzusetzen. Sollte Griechenland die Auflagen nicht erfüllen, würden die Geldgeber ihre Hilfszusagen zurückziehen - damit stünde Griechenland die unmittelbare Pleite bevor.Auf welche Faktoren die Investoren achten sollten:- Fortschritte bei der Erfüllung ehrgeizigen neuen finanzpolitischen Ziele- Zusammensetzung der neuen Regierung- Aussichten für eine Erholung im zweiten Halbjahr 2012(Foto: Akropolis in Athen) Quelle: dpa
PortugalNach dem Schuldenschnitt für Griechenland rückt die Staatsverschuldung Portugals in den Fokus. Das Problem: Das Land muss seine ehrgeizigen Haushaltsziele erfüllen, darf gleichzeitig aber nicht das Wachstum abwürgen. Dass Portugal wie geplant im zweiten Halbjahr 2013 auf den Kapitalmarkt zurückkehren kann, gilt als unwahrscheinlich.Auf welche Faktoren die Investoren achten sollten: - Spreads portugiesischer Staatsanleihen - Fortschritt der versprochenen Sparmaßnahmen- Weitere Hilfszusagen der Geberländer, falls Portugal nicht wie geplant an den Kapitalmarkt zurückkehren kann (Foto: Demonstranten vor dem Parlament in Lissabon) Quelle: dapd
Demonstration auf dem "Puerta del Sol"-Platz in Madrid Quelle: dpa
IrlandIrland ist das einzige EU-Land, in dem ein Referendum über den neuen EU-Fiskalpakt vorgeschrieben ist. Der Fiskalpakt soll künftig eine stärkere Kontrolle der Länderhhaushalte ermöglichen. Bei einer Umfrage für die „Sunday Business Post“ gaben 49 Prozent der Iren an, für das neue Regelwerk stimmen zu wollen. Bei der ersten Umfrage vor drei Wochen lag die Zustimmung noch fünf Prozent niedriger. 33 Prozent der Befragten wollen gegen den Fiskalpakt stimmen und 18 Prozent waren noch unentschlossen. Die Abstimmung wird voraussichtlich im Mai oder Juni stattfinden. Der Vertrag kann allerdings auch ohne ein Ja aus Irland in Kraft treten. Trotzdem wäre ein Scheitern ein schlechtes Signal für die Märkte.Auf welche Faktoren die Investoren achten sollten:- Wirtschaftsleistung im Anschluss an die neue Welle von Sparmaßnahmen- Meinungsumfragen im Hinblick auf das geplante Referendum- Aufstieg der Sinn Fein in Umfragen. Die Partei gilt als politischer Arm der IRA. (Foto: Irische Flagge neben Europäischem Pendant in Brüssel) Quelle: Reuters
Naher OstenNach Meinung der Experten des IIF könnten die steigenden geopolitischen Risiken in dieser Region zu einem neuen Ölpreisschock und oder zu Versorgungsunterbrechungen führen. Neben dem möglichen Konflikt zwischen dem Iran und westlichen Mächte über das Atomprogramm des Landes weisen sie auch auf die Unruhen und den beginnende Bürgerkrieg in Syrien hin. Aber auch die Herausforderungen bei der Wiederherstellung der Stabilität in Libyen sind ein Thema der Region. Zudem bestehe die Gefahr von politischen Spaltungen im Irak.Auf welche Faktoren die Investoren achten sollten:- Auswirkungen neuer Sanktionen gegen den Iran- Gefahr eines direkten militärischen Konflikt könnte zu einer Störung des Öl-Handel durch die Straße von Hormus führen- Bereitschaft von Saudi-Arabien die fehlenden Ölversorgung auszugleichen.- Ausmaß der Erholung der libyschen Produktion(Foto: Die Flaggen des Iran und der nationalen iranischen ölgesellschaft (NIOC) auf einem iranischen Gasfeld.) Quelle: dpa
ÄgyptenFür das Land besteht die Gefahr einer Währungskrise. So sind die offiziellen Währungsreserven deutlich geschrumpft. Auch der Tourismus und die ausländischen Direktinvestitionen sind angesichts der immer noch nicht zur Ruhe gekommenen politischen Lage sehr schwach.Auf welche Faktoren die Investoren achten sollten:- Einigung über einen Kredit des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Höhe von 3,2 Milliarden US-Dollar.- Präsidentschaftswahlen Ende Mai(Foto: Ägyptische Demonstranten auf dem Tahrir Platz in Kairo) Quelle: dapd

Uwe Lang ist anders. Wer ihn und seine Botschaften hören will, muss nach Adelsried bei Augsburg reisen, nicht in die Finanzzentren Frankfurt, Zürich oder London, dafür nur wenige Autominuten von seinem Wohnort Dinkelscherben entfernt. Der harte Kern seiner Jünger kommt aber ohnehin aus der Nachbarschaft.

Uwe Lang ist einer von uns. Er ist ein Autodidakt, ein leidenschaftlicher Schachspieler, einer dem man vertrauen kann – als Pfarrer schon von Amts wegen. „Lang ist authentisch und bodenständig geblieben“, schätzt eine der drei Teilnehmerinnen an ihm. Das Image passt, die Frisur auch. Einige Spitzen seines Haarkranzes stehen leicht ab – Typus zerstreutes Genie, nicht aalglatter Wall-Street-Banker. Der Börsenpfarrer braucht keinen Projektor, kein Flipchart – nur das Wort Langs.

Der perfekte Einstiegszeitpunkt

Wie viel Dividende die Konzerne zahlen
Dax-Werte Quelle: dapd
Adiddas Quelle: dapd
AllianzDer Versicherungsriese Allianz will an der Dividendenhöhe nicht rütteln und wie im Vorjahr 4,50 Euro je Aktie ausschütten. Angesichts der niedrigen Bewertungen der Finanzwerte an der Börse ist die Dividendenrendite relativ hoch: knapp 5,0 Prozent. Hauptversammlung ist am 9. Mai. 100 Prozent der Allianz-Aktien sind im Streubesitz. Auch hier hält die BlackRock Inc. mehr als fünf Prozent der Anteile. Zum aktuellen Kurs-Chart Quelle: dapd
BASFDer Chemiekonzern hat vom Aufschwung profitiert und will die Dividende von 2,20 Euro im Jahr 2011 in dieser Dividendensaison auf 2,50 Euro je Aktie erhöhen -das ist mehr als erwartet. Die Dividendenrendite läge dann bei 3,81Prozent (gemessen am Kurs vom 5.3.2012). Über den Dividendenvorschlag stimmen die Aktionäre am 27. April ab. BASF ist das DAX-30-Unternehmen mit dem zweithöchsten Privatanlegeranteil in Deutschland. Rund ein Viertel der Aktien sind in Privathand. Größter Einzelaktionär ist – richtig - BlackRock Inc. mit 5,35 Prozent.Zum aktuellen Kurs-Chart Quelle: dpa
Bayer Quelle: dpa
Beiersdorf Quelle: AP
BMW Quelle: dpa

Er predigt: „Kaufen Sie jetzt Aktien!“ Eigentlich sei es ganz einfach. „Der faire Wert des Dax liegt aktuell bei 7439 Punkten deutlich über dem derzeitigen Kurs.“ Das hat der Börsenpfarrer ausgerechnet, wie er immer alles ausrechnet. Der nüchterne Zahlenmensch passt wie Faust aufs Auge zu seiner Anlagemethode – einer quantitativen, statischen Vorgehensweise, einer Kombination aus Trendfolge und Fundamentalanalyse.

Die Idee dazu entsprang natürlich nicht irgendeiner Eingebung Langs, sondern stammt von anderen Börsenexperten, die sie bereits vor ihm gehabt und erforscht haben: James O’Shaughnessy, Robert Levy, Michael O’Higgins.

Doch Lang schafft es, die Sprache seiner Gemeinde zu sprechen. Er spricht über seine Erfahrungen als Privatanleger zu anderen Privatanlegern. Er bietet Tipps für die Dame, der die internationale Wertpapierkennnummer ISIN fremd ist, wie auch dem Herrn aus der Schweiz, der nach ganz speziellen Knock-Out-Produkten fragt. Wirklich kritische Nachfragen gibt es beim Heimspiel in Adelsried nicht – dafür Applaus vor jeder Pause. Man verehrt Lang, wahrscheinlich für seine Ehrlichkeit. „Aktien sind im Moment alternativlos“, sagt er.

Schon allein deswegen müssten sie eigentlich höher bewertet sein. „Der Euro ist eine ausgezeichnete Währung. Er war nie gefährdet, doch es klingt besser für Politiker, wenn sie den Euro retten, als die Banken zu retten.“ Bei zwei Billionen Euro Staatsschulden in Deutschland und zehn Billionen Vermögen sei ihm nicht bange. „Solange das Vermögen schneller wächst als die Schulden.“ „Die Apple-Aktie würde ich nicht kaufen“ oder „Machen Sie sich nicht zu viel Arbeit an der Börse, benutzen Sie Freitagsschlusskurse anstelle von täglichen“ - das sind klare Aussagen.

Das System des Börsenpfarrers

Uwe Lang in einem Börsenseminar Quelle: Ulrich Hanke

Lang ermittelt zunächst einen guten Einstiegspunkt oder Signale zum Ausstieg. Dafür zieht er eine Methode heran, die er die „9-Monats-H-T-Methode“ nennt. Diese habe der Experte selbst erst spät entdeckt, „so vor vier oder fünf Jahren“, erzählt er. Lang beobachtet 700 verschiedene Aktien. Erreicht eine von diesen ein Neun-Monatshoch oder Tief, ist dies für den Pfarrer ein Zeichen.

Das Verhältnis von Hoch- und Tiefstkursen spiegelt die Stimmung an der Börse wieder. Je konstanter es über die vergangenen Wochen war, desto besser ist das Signal. Aktuell liegt es bei 59 Hochs gegen 19 Tiefs.

Weiteres Kriterium ist die Zinsstrukturkurve. „Das ist der Indikator, dem ich am meisten vertraue“, sagt Lang, der die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer sicher hat. Er hat den Indikator eingeführt, nach dem auch sein System bei der Lehman-Pleite durchfiel. Dabei beobachtet er das Verhältnis von kurzfristigen zu langfristigen Zinsen. Werden für kurzfristige Anleihen mehr Zinsen gezahlt, als für welche mit langen Laufzeiten, dann signalisiert dies eine Rezession – und die ist nicht gut für Aktiengesellschaften.

Hat der Pfarrer so die himmlischen Einstiegspunkte gefunden, investiert er in Aktien mit einem Aufwärtstrend, auch Momentum genannt. Dabei zieht er die relative Stärke nach Robert Levy heran, ein Modell bei dem der aktuelle Aktienkurs mit dem 15-Monatsdurchschnitt verglichen wird. Aktien, die 20 Prozent oder mehr über ihrem Durchschnittskurs liegen, sind kaufenswert.

„Weil Siegeraktien oft die Sieger bleiben“, erklärt Lang. Die Letzten werden eben doch nicht die Ersten sein. Wer die Aktien behält, mit denen er im Verlust ist, handele zwar emotional verständlich, aber auch falsch. Gewinn laufen lassen, Verluste begrenzen, heißt eine Börsenregel, an die sich ein Teilnehmer des Seminars erinnert. Warum er nicht auch schwache Aktien leerverkauft, will einer Privatanleger von Uwe Lang in der Pause wissen. Seine Antwort: „Damit habe ich persönlich schlechte Erfahrungen gemacht – wegen starken Schwankungen.“ Es kann schon ein Kreuz mit der Geldanlage sein – auch für den Profi.

Kein System für den Bierdeckel

Deutsche Aktien mit hohem Staatseinfluss
Commerzbank Quelle: dapd
Deutsche Börse Quelle: dapd
Deutsche Post Quelle: dpa
Logo der Deutschen Telekom Quelle: APN
E.On-Gebäude Quelle: dapd
RWE-Gebäude Quelle: dpa
Volkswagen Quelle: dpa

Damit ist es aber noch nicht getan. Langs System passt schließlich nicht auf einen Bierdeckel – das wäre auch schlecht fürs Geschäft. Lang filtert noch die fundamental günstig bewerteten Titel heraus. Sie sollten ein Kurs-Umsatz-Verhältnis (KUV) von unter 1,07 haben – dem langfristigen, weltweiten Mittelwert. „Die SAP-Aktie kaufe ich deshalb seit Jahren nicht“, sagt der Prediger.

Uwe Langs Lieblinge

Kaufempfehlungen der Börsensignale

ISIN | Aktie | BrancheRSLKUVKBV
DE0005565204 | Dürr | Autozulieferer178,70,72,7
HK0992009065 | Lenovo | Computer148,40,44,8
US92826C8394 | VISA | Finanz146,0k. A.3,3
NL0000235190 | EADS | Maschinen142,60,62,2
US7960502018 | Samsung | Elektronik132,11,11,8
DE0005103006 | Adva Optical | Telekomm. 125,10,90,3
JP3788600009 | Hitachi | Elektronik119,80,31,6
DE0006483001 | Linde | Chemie118,51,82,1
JP3780200006 | Pioneer Group | Elektronik118,20,31,6
DE000GSW1111 | GSW Immobilien | Beteiligungen 118,0k. A.1,0
DE0006599905 | Merck KGaA | Pharma/Kosm.116,00,61,7
RSL = Relative Stärke nach Levy (Aktueller Kurs/15-Monatsdurchschnitt *100); KUV = Kurs-Umsatz-Verhältnis; KBV = Kurs-Buchwert-Verhältnis; Stand: 2.4.2012; Quelle: Börsensignale

Ab einem KUV von 4, würde er definitiv keine Ausnahme mehr machen. Dass er alle Entscheidungen dem heimischen Computer im Keller und seinen Excel-Tabellen überlässt, davon ist er allerdings 2008 wieder abgekommen. Die Seminarteilnehmer stimmen ihm zu.

Die Weissagung des Uwe Lang

Bereits ein Jahr vor der Einführung des Dax, 1987, startete Lang seinen Börsenbrief. Damals hatte er lediglich 30 Abonnenten, erzählt er, und damals wollte ihm ein halbes Jahr keiner glauben, dass ein Crash bevorsteht. Jetzt, 25 Jahre später, sein Buch „Aktienberater“ allein ist mittlerweile in der 14. Auflage erschienen, prophezeit er eine Hausse – und wieder sind seine Zuhörer skeptisch.

Der Dax könnte bis Ende des Jahres noch auf 8000 bis 10.000 Punkte steigen – glaubt der Börsenpfarrer. Ob es wirklich so weit kommt, weiß nur Gott, und mit dem spricht Lang nicht über die Geldanlage. Schade eigentlich.

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