Virtuelle Börsengänge Finanzaufsicht warnt Anleger vor Totalverlust

Die Bafin macht ernst: Die deutsche Finanzaufsicht warnt erstmals vor virtuellen Börsengängen (ICOs). Der milliardenschwere Markt ziehe Betrüger an. Anleger müssen sich demnach auf einen Totalverlust einstellen.

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Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht mit Sitz in Bonn und Frankfurt betritt mit ihrer Warnung Neuland. Quelle: dpa

Düsseldorf Die deutsche Finanzaufsicht warnt Verbraucher erstmals vor virtuellen Börsengängen. In der Verbraucherwarnung, über die das Handelsblatt vorab berichtet hatte, findet die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) deutliche Worte. Die sogenannten Initial Coin Offerings (ICOs) stellten „höchst spekulative Investments“ dar, die „erhebliche Risiken“ bergen.

„Anleger sollten sich darauf einstellen, dass auch ein Totalverlust ihrer Investition möglich ist“, warnt die Bafin. „Wie bei den meisten aktuellen Trends zieht das hohe öffentliche Interesse an ICOs auch Betrüger an.“

Die BaFin hat sich bislang nur allgemein zu Kryptowährungen wie dem Bitcoin geäußert, zu virtuellen Börsengängen – im Unterschied zu Aufsichtsbehörden in den USA, der Schweiz oder Singapur – aber geschwiegen. Nun warnt sie Verbraucher explizit vor den stark wachsenden Finanzierungsrunden. Sechs sogenannte ICOs sind aktuell in Deutschland angekündigt. Die Anbieter hoffen auf Einnahmen von bis zu 200 Millionen Euro.

ICOs werden von Start-ups vor allem aus dem Kryptowährungs-Bereich begeben. Der Begriff lehnt sich an die englische Bezeichnung eines klassischen Börsengangs an („Initial Public Offering“, IPO). „Durch die begriffliche Nähe wird der Eindruck erweckt, ICOs seien mit Aktienemissionen vergleichbar, was jedoch weder technisch noch rechtlich der Fall ist“, stellt die Bafin nun erstmals klar.

Anleger erwerben im Rahmen von ICOs sogenannte Coins oder Tokens. Diese digitalen Gutscheine bieten jedoch im Unterschied zu Aktien häufig kein Mitspracherecht für Anleger, sondern versprechen höchstens die Beteiligung an künftigen Gewinnen oder einen Zugang zum geplanten Service des Start-ups. Teilweise werden sie von den Anbietern als Spenden deklariert.

Zu den Risiken der im Rahmen von ICOs erworbenen Tokens zählt die Bafin die „häufig großen Preisschwankungen“. Es bestehe das Risiko eines „nicht liquiden oder gar nicht vorhandenen Zweitmarkts“ – Anleger könnten also im Zweifel auf erworbenen Gutscheinen sitzenbleiben. Problematisch sei auch, dass sich die über ICOs finanzierten Geschäftsmodelle typischerweise „in einem sehr frühen, meist experimentellen Stadium“ befänden. Die „behaupteten Funktionsweisen“ seien „aus Anlegersicht schwer zu überprüfen.“

Darüber hinaus bemängelt die Bafin, dass ICO-Anbieter oft keine regulierten Prospekte herausgeben, die Dokumentation sei „oft objektiv unzureichend, unverständlich oder gar irreführend“. ICOs wiesen eine „systembedingte Anfälligkeit (...) für Betrug, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung“ auf.

Die deutsche Finanzaufsicht kritisiert in ihrer Warnung die Politik: „Aufgrund fehlender gesetzlicher Vorgaben und Transparenzvorschriften ist der Verbraucher allein auf sich gestellt, wenn es daran geht, die Identität, Seriosität und Bonität des Token-Anbieters zu überprüfen“. Anleger sollten sich vergewissern, „dass sie die Vorteile und Risiken des Projekts beziehungsweise des Investments vollständig verstanden haben.“

Die Bafin betritt mit ihrer pauschalen Warnung vor ICOs Neuland. Bisher hat sie nur einzelne Produkte verboten beziehungsweise deren Vertrieb eingeschränkt. Im Frühjahr untersagte die Bafin Finanzdienstleistern beispielsweise, Differenzgeschäfte (CFDs) mit einer Nachschusspflicht an Privatkunden zu verkaufen. Bereits 2016 hatte die Behörde mit einem Verkaufsverbot von Bonitätsanleihen an Privatanleger gedroht. Die Finanzbranche konnte dies jedoch abwenden, indem sie den Namen und die Konditionen von Bonitätsanleihen änderte und sich verpflichtete, sie künftig nur noch an risikobereitere Privatanleger zu verkaufen.

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