Gestartet als Spiel- und Anarchogeld von Internet-Verrückten, wird die Webwährung Bitcoin mehr und mehr salonfähig. Kürzlich lobte Ben Bernanke, Präsident der US-Notenbank Federal Reserve, Bitcoins als interessante Innovation. Auch sein chinesischer Amtskollege bezeichnete das Cybergeld wohlwollend als inspirierende Entwicklung. Selbst das bodenständige Bundesfinanzministerium hat die Cyberwährung im August als privates Geld und Recheneinheit anerkannt (WirtschaftsWoche 35/2013). Und John Donahoe, der Chef des größten Online-Handelsportals Ebay, stellte sogar in Aussicht, irgendwann einmal darüber nachzudenken, ob die Konzerntochter PayPal Bitcoins als Zahlungsmittel akzeptieren könnte.
Der zarte Lorbeer hat den Bitcoins zwar noch nicht zum breiten Durchbruch als universelles Zahlungsmittel verholfen, wohl aber den Kurs in die Höhe schnellen lassen. Das spektakuläre Platzen der ersten Bitcoin-Blase im Frühjahr scheint vergessen (siehe Grafik). Unternehmen, bekannte Investoren und Spekulanten haben den Kurs auf mehr als 600 Euro getrieben, in Dollar notiert, knackte er vergangene Woche erstmals die 1.000er-Marke. Schon feiern Bitcoin-Fans die Geburt eines neuen, virtuellen Geldes, Skeptiker dagegen warnen vor einer Spekulationsblase. Auch in Deutschland wächst das Interesse. Doch viele Anleger, Verbraucher und Unternehmer wissen wenig darüber, wie Bitcoins entstehen und genutzt werden können. Gastronomen und Händler fragen sich, ob sie Bitcoins künftig von ihren Kunden akzeptieren müssen.
Hier die Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Phänomen Bitcoin:
Was sind Bitcoins und woher kommen sie?
Der Name kommt aus dem Englischen und setzt sich aus dem Wort für die digitalen Dateneinheiten in Computern (Bits) und für Münzen (Coins) zusammen. Ein Internet-Freak oder eine Gruppe mit dem Decknamen Satoshi Nakamoto hat die binären Münzen 2009 ausgetüftelt, um eine Privatwährung unabhängig von Staaten oder Zentralbanken zu schaffen. Bitcoins entstehen, indem mathematische Aufgaben gelöst werden. Dafür werden Hochleistungscomputer benötigt, die mehrere Wochen für eine digitale Münze brauchen. Bitcoin-Produzenten, sogenannte „Miner“, schließen ihre Rechner zusammen, um schneller zu sein.
Der Programmcode erlaubt, dass insgesamt nur 21 Millionen Bitcoins geschöpft werden können. Etwa zwölf Millionen wurden bisher erzeugt. Bitcoins existieren nur virtuell, werden im Computer oder Smartphone gespeichert und können über das Internet weltweit versandt werden.
Ein Risiko
Welche Vorteile bieten Bitcoins?
Bitcoins sind unabhängig von Notenbanken, die den Wert des Geldes indirekt durch Leitzinsen und Geldmengensteuerung beeinflussen. Ihre limitierte Zahl soll galoppierende Inflation und Wertverluste von Sparguthaben verhindern. Jeder kann mit einem einfachen Computerprogramm mit Bitcoins bezahlen. Und das unerkannt, ohne Gebühren und weitgehend unabhängig von Kontrollen und Einschränkungen durch Behörden, Banken oder Finanzdienstleister. Bitcoins verbinden damit die positiven Eigenschaften von Bargeld, das anonym ist, aber umständlich mitgeführt und übergeben werden muss, mit der umkomplizierten Bezahlung per Kreditkarte, die Banken und Behörden allerdings minutiös nachvollziehen können. Kein Wunder, dass in den USA ein Geheimportal blühte, das Drogendealer und deren Kunden vernetzte und die Zahlung in Bitcoins abwickelte.
Welche Gefahren drohen?
Bitcoins können wie Bargeld gestohlen werden und in fremde Hände fallen. Gehen die Computer, Smartphones oder USB-Sticks, auf denen sie gespeichert sind, verloren, sind auch die Bitcoins weg. Verlust oder die Sperrung von Guthaben droht auch, wenn Hacker Computer oder Handys ausspähen oder Tauschbörsen und Zahlungsdienstanbieter schließen. Dann können Nutzer bei fallenden Kursen ihre Münzen nicht mehr verkaufen. Ein Risiko für Bitcoin-Besitzer sind die stark schwankenden Kurse. Da der Vorrat begrenzt ist, lässt eine steigende Nachfrage den Preis rasant steigen und ebenso schnell wieder abstürzen, wenn das Interesse nachlässt.
Wie erhält man Bitcoins?
Online-Wechselstuben wie Mt. Gox in Japan oder Bitcoin.de in Deutschland tauschen offizielle Währungen wie Dollar und Euro in Bitcoins und zurück. Der Wechselkurs richtet sich nach Angebot und Nachfrage auf diesen Tauschportalen. Die US-Startups Lamassu und Robocoin haben in den USA, Kanada, Australien, Irland oder der Slowakei auch schon erste Bitcoin-Geldautomaten ausgeliefert. Diese spucken Bitcoin-Guthaben in lokaler Währung aus und ermöglichen Bareinzahlungen auf das Bitcoin-Konto des jeweiligen Nutzers. Die Automaten eignen sich daher vor allem für Reisende, um leicht an Devisen zu kommen und Restbestände schnell wieder einzahlen zu können.
Wo bezahlt man mit Bitcoins?
Lange war der Online-Drogenmarktplatz Silk Road in den USA die wichtigste Akzeptanzstelle. Bei der Schließung im Oktober beschlagnahmte die amerikanische Bundespolizei FBI 170.000 Bitcoins mit einem derzeitigen Wert von über 100 Millionen Euro. Die Universität von Nikosia auf Zypern will jetzt die Zahlung von Studiengebühren per Bitcoins akzeptieren. Das ist konsequent angesichts der schlechten Erfahrungen, die Zyperns Sparer und Unternehmer mit ihrem Bankensystem gemacht haben, indem sie bei der Sanierung des maroden Finanzsektors des Landes Kontoguthaben verloren. Diverse herkömmliche Internet-Händler und Online-Dienste akzeptieren Bitcoins inzwischen ebenfalls, darunter die Blogplattform WordPress, die populäre Nachrichtenseite Reddit, der Speicherdienst Mega des berüchtigten Kim Dotcom oder die private Zimmervermittlung 9Flats. Auch in manchen deutschen Hotels, Bars und Restaurants kann neuerdings per Smartphone-App mit Bitcoin bezahlt werden. Der deutsche Einzelhandel und große Internet-Versender verschmähen Bitcoins bisher. Sie bedienen sich bewährter Zahlungsinstrumente wie Kreditkarten und PayPal. Sexspielzeugversender wie Beate Uhse und Co. oder Datingportale ermöglichen ihren Kunden auch schon durch neutral klingende Firmenadressen diskrete Überweisungen.
Bitcoins als Geldanlage?
Wer verdient an Bitcoins?
Immer mehr Investoren setzen auf Bitcoins, darunter bekannte US-Risikokapitalgeber wie Marc Andreessen und Ben Horowitz, die zum Beispiel Facebook finanzierten. Sie stecken ihr Geld in junge Firmen, die Tauschbörsen und andere Dienste rund um das virtuelle Geld anbieten. Die beiden US-Investoren Tyler und Cameron Winklevoss, die durch den Streit um die Erfindung von Facebook bekannt wurden, haben hohe Bitcoin-Bestände angehäuft.
Sollten Unternehmen Bitcoins als Zahlungsmittel akzeptieren?
Zurzeit akzeptieren vor allem Szenekneipen oder kleinere Internet-Händler Bitcoins. Für sie steht das Image, modern und cool zu sein, im Vordergrund. Wer die Währung in seiner Kneipe oder dem Online-Shop annimmt, muss die in Bitcoin notierten Preise aber permanent an den schwankenden Wechselkurs anpassen. Dabei helfen Anbieter wie der von 12.000 Unternehmen genutzte Zahlungsdienstleister Bitpay. Nach Ansicht von Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer eignen sich Bitcoins aber nicht als Massenwährung, weil kein Geschäft bereit sei, dauernd die Preise zu ändern.
Cyberwährung Bitcoin: Anlagealternative oder Zockereldorado?
Warum schwankt der Kurs so?
Das steigende Interesse von Investoren und Anlegern trifft auf ein begrenztes Angebot, weil die Bitcoin-Geldmenge limitiert ist und es Zeit braucht, neue Münzen zu schöpfen. Zuletzt war vor allem die Nachfrage aus China enorm, die dortige Bitcoin-Börse ist inzwischen zum weltweit größten Handelsplatz für die Cyberwährung geworden. Grund war die Akzeptanz von Bitcoin durch eine Tochter von Baidu, dem chinesischen Pendant zu Google. Auch bleiben vielen Chinesen wegen galoppierender Immobilienpreise und betrügerischer Aktienmärkte wenig Möglichkeiten, ihr Geld anzulegen.
Wie sicher sind Bitcoins?
Wer Geld von der Bank nimmt und in Bitcoins tauscht, sollte sich im Klaren sein, dass Guthaben in Cyberwährung keinen Einlagenschutz genießen. Sie gelten als Sondervermögen wie Gold und Aktien, daher greift der gesetzliche Schutz für Spareinlagen nicht. Und die freiwillige Einlagensicherung der privaten Banken gilt nur für Guthaben in EU-Währungen. Wegen ihrer steigenden Popularität geraten Bitcoins aber auch in den Fokus der Finanzaufseher. Sie wollen den Umgang mit der Privatwährung sicherer machen und weiten deshalb die Kontrolle über die Wechselstuben und Anbieter aus.
Taugen sie als Geldanlage?
Nein, die Internet-Währung ist nichts für schwache Nerven und schon gar keine sichere Altersvorsorge. Kritiker bezeichnen Bitcoins gar als „Schneeballsystem“, selbst die Europäische Zentralbank ging dem Vorwurf in einer Studie nach. Die Autoren wollten sich nicht festlegen, bezeichneten Bitcoins aber als „hochriskantes System“. Risikofreudige Anleger können allerdings einen kleinen Teil ihres Geldes in Bitcoins investieren, um von Kurssprüngen zu profitieren, oder mit Zertifikaten auf fallende Kurse wetten.