Währungswetten Spekulanten in der Bärenfalle

Selten waren sich die Investoren so einig: Mit dem Euro kann es nur abwärts gehen. Am Devisenmarkt gibt es so viele Wetten gegen den Euro wie nie. Doch die Spekulanten haben Europas Währung zu früh abgeschrieben.

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Devisenhändler in Chicago: Massive Wetten gegen den Euro. Quelle: handelsblatt.com

Der Euro legt zu - und keiner weiß warum. In den vergangenen Tagen stieg der Kurs unbeeindruckt von der Schuldenkrise fast auf 1,40 Dollar. Für einen Euro gibt es aktuell 1,3923 Dollar.

Dabei hagelt es täglich schlechte Nachrichten. Der Schuldenschnitt für Griechenland wird nicht nur wahrscheinlicher, er dürfte auch deutlich höher ausfallen als gedacht. Nach Schätzungen müssen die Gläubiger rund 60 Prozent ihrer Forderungen abschreiben. Ob alle europäischen Banken das verkraften, ist noch nicht klar.

Dass der Euro trotzdem steigt, dürfte manchen auf dem falschen Fuß erwischen. Spekulanten haben Milliarden auf einen fallenden Euro gesetzt. Gut möglich, dass sie den Euro zu früh abgeschrieben haben. „Alle haben damit gerechnet, dass der Euro noch einmal in Richtung 1,30 oder 1,25 Dollar einbricht. Entsprechend waren die spekulativen Investoren fast überwiegend auf der Verkäuferseite zu finden“, sagt Eugen Keller, Währungsstratege beim Bankhaus Metzler.

Den Aufwärtstrend des Euros hat das verstärkt: „Viele mussten erkennen, dass der Trend eher nach oben geht und ihnen hohe Verluste drohen. Das hat dazu geführt, dass Short-Positionen aufgelöst wurden, was den Euro-Kurs treibt“, erklärt Keller.

Im Börsenjargon spricht man in dem Fall von einer "Bärenfalle" - die Spekulanten sind reingetappt. Sie hatten so viele Wetten gegen den Euro abgeschlossen wie selten zuvor. Das belegen die Zahlen vom International Monetary Market (IMM) in Chicago, einem der weltweit größten Handelsplätze für Termingeschäfte auf Währungen.

Spekulanten häufen riesige Short-Positionen an

Anhand der offenen Positionen am IMM lassen sich Rückschlüsse ziehen, wie sich die spekulativ orientierten Anleger („Non-Commercials“) positionieren. Wenn sich hohe Short-Positionen summieren, also Euro-Kontrakte verkauft werden, erwarten viele Investoren einen sinkenden Kurs.

Über Wochen hielten sich Short- und Long-Positionen die Waage. Doch Anfang Oktober schlug das Pendel um. Innerhalb kurzer Zeit häuften die Spekulanten riesige Short-Positionen an. Es war die Zeit, in der die Staatsschuldenkrise zur Bankenkrise wurde. Die belgisch-französischen Dexia drohte das Geld auszugehen – sie hatte Milliardenkredite an die Schuldenstaaten verliehen. Nur durch einen Feuerwehreinsatz, besser gesagt durch Steuergelder, konnte die Bank gerettet werden.

Im selben Moment ergriffen die Investoren die Flucht aus dem Euro. Selten waren sie sich so einig: für den Euro kann es nur abwärts gehen. Aktuell sind gut 83 Prozent der Kontrakte, die in Chicago gehandelt werden, Wetten auf einen fallenden Euro. Anfang des Monats war die Zahl sogar noch etwas höher. „Das Niveau war so hoch wie zuletzt bei der Einführung des Euros“, sagt Ulrich Leuchtmann, Devisenexperte der Commerzbank.

Jetzt kommt es darauf an, was Europas Regierungschefs am Mittwoch auf ihrem Euro-Gipfel beschließen. Einerseits geht es um die Frage, wie hoch der Schuldenschnitt für griechische Anleihen ausfallen wird – 50 Prozent, 60 Prozent oder werden es sogar noch mehr? Anderseits herrscht Unsicherheit, auf wie viel die Banken freiwillig verzichten wollen und wie viel sie verkraften können. Außerdem wird es darum gehen, wie dem Rettungsschirm EFSF zu mehr Feuerkraft verholfen werden kann. Eine Variante sieht die Gründung einer Zweckgesellschaft vor, in die private Investoren oder auch staatliche Vermögensfonds einzahlen. Dieses Geld würde der EFSF dann als Sicherheit nutzen, um weiteres am Kapitalmarkt aufnehmen zu können.

Zahlreiche andere Probleme

An den Märkten erwartet kaum jemand, dass bei dem Treffen der große Wurf herauskommt. „Dass die Verschuldungskrise dann schon gelöst ist, kann niemand erwarten. Die Händler fragen sich inzwischen, ob bei dem kommenden Gipfel überhaupt etwas heraus kommt“, kommentiert Torsten Gellert, Deutschland-Chef des Devisenbrokers FXCM.

Umgekehrt heißt das: Wenn die Erwartungen so gering sind, braucht es nur wenig, um sie zu übertreffen. „Ich halte es für wahrscheinlich, dass die Marktteilnehmer es mit höheren Kursen für den Euro honorieren würden, wenn jetzt endlich Entscheidungen aus der Politik kämen“, sagt Gellert. Dann müssten die Spekulanten ihre Wetten gegen den Euro so schnell es geht abbauen, kurzfristig könnte das den Euro wie schon in den vergangen Tagen stützen.

Auf lange Sicht sieht es nach Meinung der Experten weniger gut aus: „Selbst wenn man in Sachen Griechenland einen Schritt vorankommen sollte, bleiben zahlreiche andere Probleme bestehen“, sagt Keller. „Diese Aufräumarbeiten werden die Euro-Zone noch auf Jahre schwächen.“

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