Wall Street Börsen zittern vor Ben Bernanke

Die Anleger wollen wissen, wann die amerikanische Notenbank ihre Geldpolitik strafft. Manche Akteure tippen bereits aktiv darauf. Andere fürchten es bloß. Nur Analysten bleiben noch gelassen.

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US-Notenbankchef Ben Bernanke: Wann strafft er die lockere Geldpolitik in Amerika? Das fragen sich Investoren weltweit. Quelle: AFP

New York Wann und in welchem Ausmaß strafft die US-Notenbank Fed die geldpolitischen Zügel? Das ist die entscheidende Frage, um die sich die weltweiten Börsen in der neuen Woche drehen. In den vergangenen Tagen waren Anleger gern auf Nummer sicher gegangen und hatten Gewinne eingestrichen.

An den europäischen Börsen sind die seit Mitte April erzielten Gewinne etwa zur Hälfte wieder abgeschmolzen. An der Wall Street betrug der Wochenverlust des Dow-Jones-Index 1,2 Prozent, an der US-Technologiebörse Nasdaq 1,3 Prozent. Im Gegenzug kletterten die Renditen für US-Staatsanleihen, die als sicherer Hafen gelten, auf den höchsten Stand seit 14 Monaten.

Im Mai hatte Fed-Chef Ben Bernanke gesagt, falls sich die Beschäftigungslage nachhaltig aufhelle, könne das Tempo der Konjunkturhilfen "auf einer der nächsten Sitzungen" gedrosselt werden. Damit hatte er die aktuelle Nervosität befeuert. Doch unmittelbar erwartet das Gros der Analysten noch keine Änderung.

Denn während die US-Konjunktur eine solide Erholung zeigt, hinkt der Stellenmarkt hinterher. Einige Experten spekulieren darauf, dass die Fed zum Jahresende ihre monatlichen Anleihenkäufe von derzeit 85 auf 65 Milliarden Dollar zurückfahren könnte. "Nur sehr schwache Daten werden den Exit bis in das nächste Jahr verzögern können", sagt Commerzbank-Analyst Bernd Weidensteiner.

Die Mitglieder der US-Notenbank sind zum Teil sehr unterschiedlicher Auffassung, wann der Ausstieg beginnen soll. Die jüngste Verwirrung an den Märkten nennt Fred Dickson, Chef-Stratege von D.A. Davidson & Co, einen Sommersturm. "Kein großer, aber genug, um die Leute etwas nervös zu machen." Nächste Woche könne es durch Bernanke mehr Klarheit geben, auch wenn die meisten Fed-Beobachter wohl nicht alle Details bekämen, auf die sie hoffen.


Renditen von US-Anleihen sind stark gestiegen

Die Anleger am US-Anleihenmarkt sind im Gegensatz zu den Aktieninvestoren schon viel sicherer, dass die Federal Reserve nun bald Ernst macht. Viele setzen darauf, dass die US-Notenbank ihr 2,5 Billionen Dollar schweres Anleihen-Kaufprogramm bald drosseln oder gar ganz einstellen könnte.

Die Investoren macht dies zunehmend nervös, und es führt zu starken Schwankungen am Rentenmarkt. Viele Anleger fürchten, dass die Fed ihre Geldpolitik strafft und somit als Käufer von Anleihen ausfällt. Investoren trennen sich deshalb von Bonds, was die Kurse drückt und die Renditen steigen lässt.

In den vergangenen sechs Wochen sind die Renditen für Anleihen mit zehnjähriger Laufzeit auf 2,19 von 1,60 Prozent gestiegen. Im Gegenzug fielen die Kurse für die Bonds, was zu deutlichen Abflüssen vonseiten der Rentenfonds und einer schwachen Nachfrage bei Anleihe-Auktionen geführt hat.

"Es gibt keine anderen Stimmen mehr am Markt", sagt Gang Hu, Analyst bei Credit Suisse in New York. "Es gibt nur wenige große Spieler und sie alle folgen ziemlich genau der Fed. Wenn die Fed rausgeht, wollen sie auch rausgehen."

Analysten sind da skeptischer. Da die Fed von ihrem anvisierten Ziel einer Arbeitslosenquote von 6,5 Prozent aber noch ein gutes Stück entfernt ist, rechnen viele zunächst mit keiner Kehrtwende. Aktuell liegt die Quote am Jobmarkt bei 7,6 Prozent.

Deshalb sind einige Experten skeptisch, was den Zeitpunkt der Straffung angeht. Tad Rivelle, Bond-Investmentchef bei TCW, gibt dem Markt noch zwölf bis 18 Monate, bis die Fed die Zügel anzieht. Auch Michael Schumacher, Zinsstratege bei UBS, sieht die Märkte auf dem Holzweg, wenn sie auf baldige Schritte spekulieren. "Wir sind der Meinung, dass das eine komplette Fehlinterpretation und sehr unwahrscheinlich ist."


Investoren ziehen viel Geld aus Rentenfonds ab

Dass Schumachers Stimme bisher ungehört bleibt, zeigt sich an der steigenden Volatilität am US-Bondmarkt. Der Merrill Lynch Move Index, der die künftige Volatilität bei langlaufenden Anleihen misst, sprang am vergangenen Montag mit 84,7 Zählern auf den höchsten Stand seit fast einem Jahr. Anfang Mai lag er noch mit rund 50 Punkten auf dem niedrigsten Niveau der vergangenen Jahre.

In der Woche zum 5. Juni zogen Investoren nach Daten des Investment Company Institute (ICI) 10,9 Milliarden Dollar aus Rentenfonds ab. Das war der stärkste Abfluss seit Mitte Oktober 2008, als die Finanzkrise in den USA die Börsen durcheinanderwirbelte.

Nach ICI-Daten hatten Rentenfonds bis Juni 21 Monate in Folge Zuflüsse verzeichnet. In der abgelaufenen Woche war zudem die Nachfrage nach neu aufgelegten Anleihen mit drei-, fünf- und dreißigjähriger Laufzeit spürbar zurückgegangen.

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