Wall Street Die Zocker-Papiere kehren zurück

Auf der Jagd nach höheren Renditen entwickeln Fonds und Banken immer neue Anlageklassen. Damit nährt die New Yorker Finanzbranche gerade die Mentalität, die 2007 die globale Finanzkrise ausgelöst hatte.

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Die Wall Street: Durch die Hintertür kehren fragwürdige Finanzinnovationen zurück auf die Bretter, die die Welt zum zittern bringen können. Quelle: ap

Eine Aufzählung vorweg: JPMorgan Chase bietet einen Swap-Kontrakt an, der an einen Index von spekulativ eingestuften Krediten gekoppelt ist und es Investoren leichter macht, Wetten auf die Verbindlichkeiten einzugehen. Goldman Sachs plant für bis zu zehn Milliarden Euro strukturierte Investments, die Verbindlichkeiten in Wertpapieren mit einer Spitzen-Bonitätseinstufung bündeln. Und ProShares bietet seit letzter Woche börsengehandelte Fonds an, die durch Kreditausfallswaps auf Unternehmensanleihen unterlegt sind.
Wie es scheint kehrt die Wall Street allmählich zu den Finanzinnovationen zurück, die vor sieben Jahren zur Ausweitung der Rally bei Verbindlichkeiten beitrugen und dann die schlimmste Finanzkrise seit der Weltwirtschaftskrise verschärften. Die Papiere erleben ein Comeback, da Investoren nach neuen Wegen suchen, um die Renditen zu steigern. Die wurden nämlich durch die Hilfsmaßnahmen der Zentralbanken ordentlich gedrückt. Gleichzeitig erlauben die neuen Papiere den Hedgefonds und anderen Investoren, billiger auf einen Kursrutsch zu wetten, nachdem Junkbonds seit 2008 eine Rally von 145 Prozent vorzuweisen haben.

„Es ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass der Markt ein Hoch erreicht hat, wenn sich derartige neue Strukturen häufen“, sagt Lawrence McDonald, Chef-Stratege bei Newedge USA und Autor des Buches „A Colossal Failure of Common Sense“ über den Kollaps von Lehman Brothers 2008. „Als der Markt 2007 seinen Scheitelpunkt erreichte, gab es diese Art von Innovation und viele Investoren waren sich damals nicht darüber im Klaren. Diese Produkte sind ein eindeutiger Risiko- Indikator.“

JPMorgan vermarktet Total-Return-Swaps, die an den iBoxx USD Liquid Leverage Loan Index von Markit gekoppelt sind, eine Benchmark für den 750 Milliarden Dollar schweren LBO-Markt, wie Morgan Stanley in einer Studie am 11. Juli schrieb. Total-Return Swaps erlauben Investoren, Gewinne zu steigern, weil sie auf einen größeren Pool von Verbindlichkeiten wetten können, aber nur eine relativ kleine Summe an Sicherheiten zur Unterlegung der Handelsgeschäfte vorhalten müssen.

Derartige Derivate gibt es seit Jahren, doch bislang waren sie nie an einen Index gebunden. Damit steht den Investoren eine Benchmark zur Verfügung, die ein schnelleres und leichteres Handeln erlaubt. In ähnlicher Weise schwoll der Markt für Kreditausfallswaps in den Jahren vor der Finanzkrise an.
„Einige Fonds müssen mehr Fremdkapital einsetzen, um Renditen zu erzielen wie sie ihre Investoren erwarten”, sagt Peter Tchir, Leiter Makro-Strategie bei Brean Capital LLC in New York. “Wir bewegen uns auf eine Phase zu, in der es noch ausgefallenere Produkte geben wird. Damit wird mit Sicherheit die Grundlage für mehr Probleme in der Zukunft gelegt.“ Die neuen Swaps nähren auch einen wachsenden Appetit zur Absicherung gegen Verluste bei LBO-Krediten, schrieb Sivan Mahadevan, Stratege bei Morgan Stanley, in der erwähnten Studie.

Der Hunger wächst

Goldman Sachs plant laut einem Bericht von Standard & Poor's vom 24. Juni, ihren ersten strukturierten Bond mit einem Emissionsvolumen von einer Milliarde Dollar. Die Papiere, die wohl im September an den Markt kommen, sind durch einen revolvierenden Pool aus festverzinslichen Vermögenswerten unterlegt, darunter forderungsbesicherte Papiere (ABS).
Die geplanten Finanzierungen wurden von Analysten von Société Générale SA mit Collateralized Debt Obligations verglichen, die den Eigenheim-Boom angeheizt haben. Dabei wurden risikoreiche Kredite in Wertpapieren gebündelt, die häufig mit einem Spitzen-Rating von „AAA“ vermarktet wurden.
ProShares hat in der vergangenen Woche mit dem Handel eines börsennotierten Fonds begonnen, mit dem Investoren mit Kreditausfallswaps gegen Junk Bonds wetten können. Der ProShares CDS Short North American High Yield Credit ETF wird mindestens 80 Prozent seiner Vermögensweite in Kreditswaps investieren, die an einen Benchmark-Index gebunden sind, wie aus einer Mitteilung vom 23. Juli hervorgeht.

Das Auftauchen der neuen Derivate erinnert an die Phase vor der Krise, sagt Stephen Blumenthal, Vorstandsvorsitzender von CMG Capital Management. „Die Wall Street neigt dazu, jede Menge Produkte anzubieten, wenn es Appetit auf eine bestimmte Aktiva- Kategorie gibt“, erläuterte Blumenthal.
Die risikoreichste Art von Derivaten hat während der Kreditkrise die Verluste für Investoren verstärkt. Dazu gehörten so genannte synthetische CDOs, bei denen Kreditswaps an Verbindlichkeiten von Finanzinstituten wie Lehman, Washington Mutual und dem Bondversicherer Ambac Financial Group gebunden waren. Alle drei genannten Firmen brachen in der Krise 2008 zusammen.
Der frühere Fed-Chef Paul Volcker hat Kreditswaps und CDOs dafür verantwortlich gemacht, dass das Finanzsystem „an den Rand des Ruins“ gebracht wurde.
„Man kann sich ziemlich sicher sein, dass einige große Fonds jetzt zu einer Bank gehen und sagen, ich will short gehen und wie können wir ein Instrument schaffen, mit dem wir ein großvolumiges Handelsgeschäft eingehen können“, sagt McDonald von Newedge. „Der Ursprung der nächsten Krise wird nicht auf der Sell-Side liegen, sondern wahrscheinlich von da kommen, wo nicht ausreichend Liquidität ist, der Buy-Side.“

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