Weimer wird Chef der Deutschen Börse Vollendung eines Unvollendeten

Theodor Weimer folgt Carsten Kengeter als Chef der Deutschen Börse nach. Das ist eine solide, aber keine visionäre Wahl. Also das, was die Börse gerade braucht.

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Der Aufsichtsrat der Deutsche Börse AG hat heute Theodor Weimer (57) zum Vorstandsvorsitzenden ernannt. Weimer ist derzeit Sprecher des Vorstandes der Münchener HypoVereinsbank (HVB). Quelle: HypoVereinsbank

Seit Wochen rätselte die Frankfurter Finanzszene über die Frage, wer denn wohl Carsten Kengeter an der Spitze der Deutschen Börse folgen wird. „Es soll jetzt auch Theo Weimer im Gespräch sein“, sagte ein Kenner des Finanzplatzes noch vor zwei Wochen im vertraulichen Gespräch. Und lachte.

Das sagt schon viel aus über den Mann, der nun am ersten Januar tatsächlich an die Spitze des Echborner Dax-Konzerns rückt. An den 57-jährigen Chef der HypoVereinsbank hatten erst mal nur wenige gedacht. Immer wieder fielen dagegen die Namen von Bankerin Dorothee Blessing, Ergo-Chef Markus Rieß, Deutsche-Bank-Vorstand Marcus Schenck und sogar abwegige Kandidaten wie der frühere Staatssekretär Jörg Asmussen und der bei Bilfinger krachend gescheiterte Ex-Ministerpräsident Roland Koch wurden immer mal wieder genannt.

Dass Weimer beim lustigen Kandidatenraten nur selten vorkam, hat ganz sicher nichts mit seiner Qualifikation zu tun. Ein Abgleich mit dem von Börse-Aufsichtsratschef Joachim Faber formulierten Stellenprofil lässt ihn sogar als logische Wahl erscheinen. Als früherer Berater und Goldman-Sachs-Banker kennt er die Finanzwelt inhaltlich und persönlich bestens, anders als Kengeter hat er die schnelle Welt des Investmentbankings nun aber schon seit fast zehn Jahren hinter sich gelassen. Mit der HVB hat er zwar nur die Tochter eines italienischen Konzerns, aber doch ein großes Unternehmen mit eher traditionellem Geschäftsmodell geführt, Kontakt zu den Aufsichtsbehörden hat er in der Funktion reichlich gehabt. Und seine Bilanz in München lässt sich durchaus sehen.

Weimer ist jedoch zuletzt schlicht ein wenig in Vergessenheit geraten. Das lag auch an den Vorgaben der Konzernmutter aus Mailand, die ihm etwa Interviews und Pressekonferenzen untersagt hatte. Zu viel Selbstständigkeit war Konzernchef Jean-Pierre Mustier suspekt. Der frühere Berufssoldat nahm die HVB an die kurze Leine. Mit Weimer hatte er in der Vergangenheit durchaus mal über Kreuz gelegen, zuletzt pflegten beide aber ein professionelles Arbeitsverhältnis. Gerade erst hatte der HVB-Chef seinen Vertrag bis 2020 verlängert.

Dass er trotzdem für einen neuen Job ansprechbar sein würde, war in der Finanzwelt seit Jahren ein offenes Geheimnis. So hatte Weimer sich durchaus Hoffnungen auf den Chefposten bei der Commerzbank gemacht, war da aber nie ernsthaft im Rennen. Der dynamische Manager machte weiter seinen Job, wirkte zuletzt mitunter aber etwas frustriert. So verließ er etwa vorzeitig einen Abendtermin mit dem Hinweis, dass er noch etwas anderes, besseres vorhabe. Dass ihn die Vorgaben aus Mailand ausbremsten, war auch bei einem Abendessen in Frankfurt spürbar. Da rollte er bei den dahin genuschelten Ausführungen von Mustiers Vorgänger Federico Ghizzoni immer gelangweilter die Augen.

Nun kann er noch mal beweisen, dass er das Zeug zum Dax-Chef hat. Geld dürfte für ihn da kaum eine Rolle spielen, in kleiner Runde ließ er immer mal wieder fallen, dass er es finanziell nicht mehr nötig habe zu arbeiten. Sein Ehrgeiz aber dürfte dem leidenschaftlichen Radrennfahrer keine Ruhe lassen. Eine neue Aufgabe dürfte für ihn weit wichtiger gewesen sein als die privaten Vorzüge des Wechsels nach Eschborn. Schließlich ist Weimer seit fast zehn Jahren zwischen seiner privaten Altbauvilla in Wiesbadener Halbhöhenlage und einem Münchner Hotel gependelt.

Mit 57 Jahren hat Weimer noch Perspektiven, ist aber keine ganz große Zukunftslösung mehr. Nach dem Hickhack um die geplatzte Fusion mit London und die möglichen Insiderdeals von Kengeter muss der neue Chef aber eh erst mal für Ruhe sorgen und die frustrierten Mitarbeiter neu motivieren. Das könnte Weimer, den die Kollegen bei der HVB für seine überaus klaren Ansagen schätzen oder fürchten, gelingen. Auch die dringend notwendigen strategischen Impulse wird er der Börse aber geben können. Es muss ja nicht gleich der nächste Fusionsplan sein.

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