Wirecard, Ströer Wie dubiose Studien den Aktienmarkt schocken

Sowohl die Aktien von Wirecard als auch Ströer-Papiere mussten in diesem Jahr bereits abrupte Kurseinbrüche durch Analystenstudien verkraften. Anleger stehen Kursabstürzen bei einzelnen Aktien oft hilflos gegenüber.

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Werbeanbieter Ströer Quelle: dpa

Die Börse ist manchmal ein Tollhaus: Erst treiben Anleger einzelne Aktien in schwindelerregende Höhen - und dann kann ein einziger, suspekter Vorwurf die Papiere zum Absturz bringen. So geschehen in diesem Jahr bereits zweimal, und zwar bei dem Zahlungsabwickler Wirecard und bei dem Werbespezialisten Ströer.

In beiden Fällen lösten teils dubiose Studien mit schweren Anschuldigungen einen Kurssturz aus, von dem die Hintermänner stark profitierten - weil sie zuvor auf fallende Kurse gewettet hatten. Fachleute sprechen von sogenannten „Leerverkäufen“.

Die Folgen der Kombination aus Studie und Aktienwette sind für den Kurs und damit für die Anleger fatal: „Kleinanleger können sich gegen solche Attacken kaum wehren“, sagte Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler von der Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Deshalb sei nun die harte Hand der Aufsichtsbehörde Bafin gefragt.

Angriffe auf Wirecard und Ströer


Doch nach aktuellem Stand kann die Bafin nur dann wirksam gegen die Hintermänner vorgehen, wenn ihnen Marktmanipulation, also etwa die Verbreitung falscher Informationen, nachgewiesen werden kann - und das ist in der Praxis überaus schwer. Neuesten Zahlen zufolge hat die Behörde 2014 zwar 224 neue Verdachtsfälle untersucht, doch nur bei einigen wenigen kam es in diesem Zeitraum auch zu Verurteilungen in einem Strafverfahren. Diese Zahlen sind bereits seit einigen Jahren recht stabil.

In den beiden aktuellen Fällen sind die in den Raum geworfenen Vorwürfe sehr detailliert und reichen teils bis tief in das Dickicht des deutschen und internationalen Bilanzrechtes hinein. Bei solch komplexen Sachverhalten müssen sich selbst Experten erst in die Materie einlesen.

Entscheiden in Sekunden

Diese Zeit jedoch haben professionelle Investoren nicht, von den Privatanlegern ganz zu schweigen. Denn an der Börse muss innerhalb von Sekunden entschieden werden, ob Aktien nach schlechten Nachrichten abgestoßen werden oder nicht. Deshalb handelten Portfolio-Manager in solchen Fällen oft lieber nach dem Motto „im Zweifel gegen den Angeklagten“, sagte Frank Schneider vom Handelshaus Alpha. Dabei fällt die Entscheidung für einen Verkauf der Aktien oft umso leichter, je besser sie bis dato gelaufen sind. Wenn dann auch noch andere Investoren panisch den Daumen senken, kann eine Kettenreaktion folgen.

Allerdings spielt schon eine Rolle, wer die Vorwürfe verbreitet. Im Falle Wirecard hatte man von dem angeblichen Analysedienst Zatarra zuvor noch nie etwas gehört und die Urheber der Berichte wollen anonym bleiben. Inzwischen haben die Papiere rund die Hälfte ihres Einbruches wieder wettgemacht.

Hedgefonds bekennt sich

Bei Ströer liegt der Fall etwas anders. Hier hat sich der Hedgefonds Muddy Waters offen zu der Attacke bekannt. Laut dem Börsenverlag Bernecker wird er von Experten inzwischen zu den einflussreichsten Investoren in den USA gezählt.

Die betroffenen Unternehmen jedenfalls wehrten sich ihrerseits mit detaillierten Stellungnahmen heftig gegen die Attacken. Wirecard sprach von verleumderischen Anschuldigungen, Ströer von einer bewusst irreführenden Darstellung bereits bekannter Fakten. Wirecard hat darüber hinaus sogar in seinem neuesten Jahresbericht und auch gegenüber Profi-Investoren mehr Details zum Geschäftsverlauf als zuvor bekanntgegeben.

Eine höhere Transparenz gilt auch unter Experten als probates Mittel, sich bereits vorbeugend gegen solche Attacken zu wappnen. Denn der Fachmann David Lewis von Astec Analytics hält besonders solche Unternehmen für anfällig, deren Geschäftsmodelle schwierig zu verstehen seien. Recht immun hingegen erscheinen Börsendickschiffe etwa aus dem Dax, weil bei ihnen die schiere Masse der umlaufenden Aktien Manipulationen erschwert.

Als Spezialist für die Auswertung von Leerverkaufsdaten hält Lewis aber auch den Anlegern einen Spiegel vor: Manche hofften wohl, dass allein die Furcht vor der vollen Härte des Gesetzes schon Abschreckung genug ist, falsche Informationen zu verbreiten. Oder andersherum: Wer weniger naiv das Geschehen an der Börse verfolgt, lässt sich nicht so schnell von vermeintlichen Enthüllungen ins Bockshorn jagen.

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