Zinspolitik Wie die Macht des Dollars langsam zerbröckelt

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Die Folgen der Niedrigzinspolitik

Das Reich der Mitte hat seit Mitte 2014 bis heute schon knapp 20 Prozent seiner Währungsreserven verloren – weil angesichts der problematischen Wirtschaftslage das Kapital das Land verlässt und die chinesische Zentralbank versucht, durch Dollar-Verkäufe den Wechselkurs der eigenen Währung zu stützen. Im August vergangenen Jahres folgte auf eine in Aussicht gestellte US-Zinserhöhung die Abwertung des Renminbi-Außenwerts. Die Sorge vor einem „Deflationsschock“ ließ weltweit die Aktienkurse fallen. Die Fed vertagte daraufhin die Zinserhöhung – zog sie dann im Dezember aber doch durch. Die Botschaft: China hat sich den USA anzupassen, nicht umgekehrt.

Auch der japanischen Yen und der Euro werden bei steigenden US-Zinsen unter Druck geraten. Beide Währungen stehen für Volkswirtschaften, die zusehends zu finanziellen Not-, wenn nicht gar zu Katastrophenfällen mutieren. Ihre Zentralbanken haben bereits die Zinsen auf die Nulllinie beziehungsweise sogar in den Negativbereich gedrückt. Es ist nur noch eine Frage der Zeit,, bis Sparer und Investoren erkennen, dass ihnen der Zinsbezug nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft genommen ist. Eine Flucht aus Euro- und Yen-Schulden hinein in andere Anlageformen – wie zum Beispiel Aktien und Immobilien – liegt geradezu in der Luft.

Von der Kredit- zur Währungskrise

Kapitalflucht kann bekanntlich eine gefährliche, nicht mehr zu beherrschende Abwärtsdynamik entfalten: Um Zinssteigerungen zu verhindern, die aus einem Verkaufsdruck auf den Anleihemärkten erwachsen, müssen die Yen- und Euro-Zentralbanken mehr Schulden kaufen und mit neu geschaffenem Geld bezahlen. Das Ausweiten der Geldmenge verstärkt wiederum den Verkaufsdruck. Die großangelegte Monetisierung der Schulden lässt früher oder später das Vertrauen in die Werthaltigkeit der Währungen schwinden. Spätestens dann wird aus einer anfänglichen „Kreditkrise“ für alle Augen sichtbar eine „Währungskrise“.

Da der Großteil der Ersparnisse von der systemtreuen Banken- und Finanzindustrie verwaltet wird, dürfte das Ziel der Kapitalflucht klar sein: der US-Dollar. Für viele professionelle Großgeldanleger ist der Greenback die vergleichsweise vorteilhafteste Option. Eine Währungskrise – also ein Vertrauensverlust in die Werthaltigkeit der Währungen – würde daher vor allem die Nachfrage nach der Weltleitwährung anheizen und ihren Außenwert in die Höhe befördern. Aber auch die amerikanischen Anleihemärkte, vermutlich auch der amerikanischen Aktien- und Häusermarkt würden einen starken Preisauftrieb erfahren.  

Solange die anderen großen Wirtschafts- und Währungsräume der Welt daniederliegen, scheint der Zinserhöhungsspielraum der Fed jedoch begrenzt zu sein. Eine ungewollte zinsgetriebene Aufwertung des US-Dollar-Außenwertes, der die heimische Konjunktur und die Gewinnlage der US-Unternehmen schmälert, werden die Amerikaner sich wohl nicht antun.

Wie Währungen zu ihren Namen kamen
Dollar Quelle: dpa
Peso Quelle: AP
Lira Quelle: REUTERS
Mark Quelle: AP
Rial Quelle: dpa
Rand Quelle: REUTERS
Yuan, Yen und Won Quelle: REUTERS

Sie werden sich daher den Folgen der Entwertungspolitiken, die beispielsweise in Japan und im Euroraum auf den Weg gebracht werden, nicht vollends entziehen wollen, sondern zumindest teilweise mitgehen müssen. Der US-Dollar wird sich nicht als der von Anlegern ersehnte „sichere Hafen“ erweisen.

Er ist bestenfalls eine Durchgangsstation auf einem Fluchtweg, um der Zerrüttung des weltweiten ungedeckten Papiergeldsystems zu entkommen, die letztlich auch der amerikanischen Weltleitwährung bevorsteht. Doch bevor der US-Dollar ernstlich ins Wanken gerät, werden zuvor noch all die anderen Währungen, die vom Greenback abhängen, in Bedrängnis geraten: Der Zerfall des ungedeckten US-Dollar-Devisen-Standards beginnt an den Rändern und frisst sich zum Kern durch; er bröckelt bereits. Es wäre daher nicht verwunderlich, wenn der Drang in den US-Dollar-Außenwert anhält und die amerikanische Währung ihren Anfang 2011 begonnenen Anstieg fortsetzt.

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