Zinspolitik Wie die Macht des Dollars langsam zerbröckelt

Steigen die Zinsen in den USA, droht erst eine Kredit-, dann eine Währungskrise. Wie die Kapitalflucht dem Dollar schadet und warum der Greenback nicht der von Anlegern ersehnte sichere Hafen sein wird.

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Dollar-Note. Quelle: dpa

Von Mai 2011 bis Ende Januar vergangenen Jahres wertete der US-Dollar um etwa 41 Prozent gegenüber den Währungen seiner Handelspartner auf. Seither büßte er jedoch wieder knapp sieben Prozent ein. Wer meint, die Aufwertung des Greenbacks sei gestoppt und werde sich vielleicht sogar rückabwickeln, könnte vielleicht schon bald eines Besseren belehrt werden.

Die Veröffentlichung des jüngsten Sitzungsprotokolls der US-Notenbank Fed am Mittwoch hat auf den Finanzmärkten schlagartig die Erwartung wiederbelebt, die Fed werde nun doch die Zinsen weiter anheben. Nun könnte es schon im Juni soweit sein; die Wahrscheinlich dafür gilt jetzt als groß.

Ein Anheben der US-Zinsen ist im Grunde mehr als überfällig. Alle gängigen Maßstäbe empfehlen, dass die Fed die Zinsen schon längst hätte anheben sollen. Dass das bisher jedoch nicht geschehen ist – und die Zinsen auf absehbare Zeit nicht auf „normale Höhen“ zurückgeführt werden – hat einen Grund. Die Niedrigzinspolitik der Fed hat maßgeblich die Verbesserung der Konjunktur in den USA – und damit auch in anderen Wirtschaftsräumen – in Gang gebracht. Doch eine gesunde Erholung ist daraus nicht erwachsen. Sie hängt vielmehr an der Fortführung der Geldpolitik, die die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 verursacht hat.

Zur Person

Nun meinen die US-Geldpolitiker, mit einem zaghaften, in die Länge gestreckten Pfad der Zinserhöhung werde man sich aus der „Zinsfalle“ herausarbeiten können. Doch weil die Zinsen so lange auf ihrem extrem niedrigen Niveaus verharrt haben, wird eine Verteuerung der Kreditkosten für Schuldner schmerzhaft sein.

Fehlkalkulationen

Viele von ihnen haben sich in der Niedrigzinsphase bequem eingerichtet: Die niedrigen Kreditzinsen machten es ihnen möglich, Alt-Darlehen problemlos zu refinanzieren und auch noch neue Kredite aufzunehmen. Eine Erhöhung der Zinskosten wird jedoch nicht nur ihre Zinsrechnung erhöhen und damit die Ausgabenspielräume verringern. 

Höhere Zinsen werden auch Rückwirkungen auf die Gewinnlage der Unternehmen und die Beschäftigungssituation haben. Beispielsweise rechnen sich Investitionen, die im Zuge der Niedrigzinspolitik getätigt wurden, plötzlich nicht mehr, erweisen sich als unrentabel. Sie müssen liquidiert, Arbeitsplätze abgebaut werden. Im Prinzip ist das eine gesunde Entwicklung. Denn auf diese Weise wird die volkswirtschaftliche Produktions- und Beschäftigungsstruktur an die neuen Konsumentenwünsche angepasst. Nur geht sie eben einher mit Unternehmenspleiten, Einkommensverlusten, Steuerausfällen, Konjunkturverlangsamung und politischer und sozialer Unzufriedenheit.

Fällt der Greenback vom Thron?

Ein Anheben der US-Zinsen könnte jedoch noch viel weitreichendere Folgen haben. Schließlich ist der Greenback die Weltleitwährung, er ist das „Grundgeld“ auf dem viele andere Währungen aufbauen. Der US-Dollar ist die Währung der weltweit größten Volkswirtschaft und repräsentiert die größten und liquidesten Finanzmärkte – sei es für Aktien-, Anleihen-, Derivative oder Rohstoffe. Auch ist er unbestritten die wichtigste Währung für Handels- und Finanztransaktionen.

Weder der chinesische Yuan noch der russische Rubel oder der Euro können ihn auf absehbare Zeit ablösen. Das weltweite Geldsystem lässt sich als „US-Dollar-Devisen-Standard“ bezeichnen. Viele Währungen, die auf dem US-Dollar quasi aufbauen, geraten nun in immer größere Schwierigkeiten.

Der Boom in den Schwellenländern, den sogenannten Emerging Markets wurde angefacht durch zinsgünstige US-Dollar-Kredite und ist längst kollabiert. Geblieben sind hohe Schuldenlasten von Staaten, Banken und privaten Haushalten und eine verminderte Wirtschaftsleistung. Steigen die US-Zinsen weiter, werden viele dieser aufstrebenden Volkswirtschaften einschließlich ihrer Währungen wohl weiter unter Druck kommen: Investoren ziehen noch mehr Kapital ab, transferieren es zurück in den US-Dollar-Raum. Vor allem China wird es nicht gefallen, wenn Amerika die Zinszügel weiter anzieht.

Die Folgen der Niedrigzinspolitik

Das Reich der Mitte hat seit Mitte 2014 bis heute schon knapp 20 Prozent seiner Währungsreserven verloren – weil angesichts der problematischen Wirtschaftslage das Kapital das Land verlässt und die chinesische Zentralbank versucht, durch Dollar-Verkäufe den Wechselkurs der eigenen Währung zu stützen. Im August vergangenen Jahres folgte auf eine in Aussicht gestellte US-Zinserhöhung die Abwertung des Renminbi-Außenwerts. Die Sorge vor einem „Deflationsschock“ ließ weltweit die Aktienkurse fallen. Die Fed vertagte daraufhin die Zinserhöhung – zog sie dann im Dezember aber doch durch. Die Botschaft: China hat sich den USA anzupassen, nicht umgekehrt.

Auch der japanischen Yen und der Euro werden bei steigenden US-Zinsen unter Druck geraten. Beide Währungen stehen für Volkswirtschaften, die zusehends zu finanziellen Not-, wenn nicht gar zu Katastrophenfällen mutieren. Ihre Zentralbanken haben bereits die Zinsen auf die Nulllinie beziehungsweise sogar in den Negativbereich gedrückt. Es ist nur noch eine Frage der Zeit,, bis Sparer und Investoren erkennen, dass ihnen der Zinsbezug nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft genommen ist. Eine Flucht aus Euro- und Yen-Schulden hinein in andere Anlageformen – wie zum Beispiel Aktien und Immobilien – liegt geradezu in der Luft.

Von der Kredit- zur Währungskrise

Kapitalflucht kann bekanntlich eine gefährliche, nicht mehr zu beherrschende Abwärtsdynamik entfalten: Um Zinssteigerungen zu verhindern, die aus einem Verkaufsdruck auf den Anleihemärkten erwachsen, müssen die Yen- und Euro-Zentralbanken mehr Schulden kaufen und mit neu geschaffenem Geld bezahlen. Das Ausweiten der Geldmenge verstärkt wiederum den Verkaufsdruck. Die großangelegte Monetisierung der Schulden lässt früher oder später das Vertrauen in die Werthaltigkeit der Währungen schwinden. Spätestens dann wird aus einer anfänglichen „Kreditkrise“ für alle Augen sichtbar eine „Währungskrise“.

Da der Großteil der Ersparnisse von der systemtreuen Banken- und Finanzindustrie verwaltet wird, dürfte das Ziel der Kapitalflucht klar sein: der US-Dollar. Für viele professionelle Großgeldanleger ist der Greenback die vergleichsweise vorteilhafteste Option. Eine Währungskrise – also ein Vertrauensverlust in die Werthaltigkeit der Währungen – würde daher vor allem die Nachfrage nach der Weltleitwährung anheizen und ihren Außenwert in die Höhe befördern. Aber auch die amerikanischen Anleihemärkte, vermutlich auch der amerikanischen Aktien- und Häusermarkt würden einen starken Preisauftrieb erfahren.  

Solange die anderen großen Wirtschafts- und Währungsräume der Welt daniederliegen, scheint der Zinserhöhungsspielraum der Fed jedoch begrenzt zu sein. Eine ungewollte zinsgetriebene Aufwertung des US-Dollar-Außenwertes, der die heimische Konjunktur und die Gewinnlage der US-Unternehmen schmälert, werden die Amerikaner sich wohl nicht antun.

Wie Währungen zu ihren Namen kamen
Dollar Quelle: dpa
Peso Quelle: AP
Lira Quelle: REUTERS
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Rial Quelle: dpa
Rand Quelle: REUTERS
Yuan, Yen und Won Quelle: REUTERS

Sie werden sich daher den Folgen der Entwertungspolitiken, die beispielsweise in Japan und im Euroraum auf den Weg gebracht werden, nicht vollends entziehen wollen, sondern zumindest teilweise mitgehen müssen. Der US-Dollar wird sich nicht als der von Anlegern ersehnte „sichere Hafen“ erweisen.

Er ist bestenfalls eine Durchgangsstation auf einem Fluchtweg, um der Zerrüttung des weltweiten ungedeckten Papiergeldsystems zu entkommen, die letztlich auch der amerikanischen Weltleitwährung bevorsteht. Doch bevor der US-Dollar ernstlich ins Wanken gerät, werden zuvor noch all die anderen Währungen, die vom Greenback abhängen, in Bedrängnis geraten: Der Zerfall des ungedeckten US-Dollar-Devisen-Standards beginnt an den Rändern und frisst sich zum Kern durch; er bröckelt bereits. Es wäre daher nicht verwunderlich, wenn der Drang in den US-Dollar-Außenwert anhält und die amerikanische Währung ihren Anfang 2011 begonnenen Anstieg fortsetzt.

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