Das Beispiel ElringKlinger führt das Problem der Branche anschaulich vor Augen. „Pure Process“ – die pure Prozesskompetenz – steht auf dem Deckblatt des Halbjahresberichtes 2015. Hinter dem Slogan steht eine Haltung, die viele Zulieferer prägt: Sie strengen sich an, um bestehende Geschäfts-, Entwicklungs- und Produktionsprozesse immer weiter zu perfektionieren. Von Innovationen hingegen, die im Zweifel auch das bestehende Geschäft ersetzen könnten, fehlt jede Spur. Eine kleine Sparte Elektromobilität hat ElringKlinger aufgebaut. Nicht mehr als ein Feigenblatt: Die Sparte macht gerade mal ein Prozent des Produktportfolios aus.
Dichtungen und Abschirmtechnik bringen den Hauptumsatz bei den Ermstalern – beides Produkte, die ein E-Auto nicht mehr benötigt. Noch laufen die Geschäfte, doch Zukunftsstärke sieht anders aus.
Ein Alleinstellungsmerkmal? Fehlanzeige. Und so hängen Zulieferer wie ElringKlinger komplett davon ab, dass Autohersteller bei ihnen kaufen – und nicht beim Unternehmen nebenan. ElringKlinger muss sein bestehendes Geschäft ständig weiter optimieren, um im harten Preiskampf bestehen zu können.
Nachfrageanstiege lassen Kurse einbrechen
Wie abhängig einige Zulieferer sind, zeigte sich jüngst. Da vermeldeten ElringKlinger und der Autokabelhersteller Leoni einen unerwartet starken Nachfrageanstieg. Eine Topnachricht, die den Aktienkurs treibt? Mitnichten. Die Kurse brachen ein. Die Preismodelle der Zulieferer sind auf Kante genäht. Ein überraschender Nachfrageanstieg, der sich nur zu höheren Kosten erfüllen lässt, verhagelt ihnen das Ergebnis. Belastungen an den Kunden weiterzugeben ist im hart umkämpften Markt nicht drin. Den Auftrag abzulehnen können sich die Zulieferer noch viel weniger erlauben, wollen sie ihr Geschäft nicht dauerhaft gefährden.
Aus dieser misslichen Lage kämen die Zulieferer nur heraus, wenn sie sich zukunftsträchtige Geschäfte erschlössen und ein Alleinstellungsmerkmal aufbauten. Doch dafür muss investiert werden.
Bleibt den Zulieferern heute noch etwas Geld übrig, stecken sie das direkt in die globale Expansion. Die Präsenz des Zulieferers vor Ort erwartet der Kunde schließlich.
Durch den permanenten Preisdruck ist den Führungsriegen das Risiko zu hoch, neue Geschäftsfelder zu erschließen und zukunftsfähige Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Nur wird ein „Weiter so“ den Zulieferern nicht reichen. Elektromobilität hin oder her: Das Auto wird elektronischer und die Softwaresteuerung wird eine immer größere Rolle spielen. „Es gibt vier große Trends, auf die sich die Autobranche seit Längerem einstellen muss: die aktive Sicherheitstechnik, die Hybridisierung der Motoren, die Vernetzung des Fahrzeugs und Fahrerassistenzsysteme. Somit wird die Elektronik und Steuerungstechnik im Auto zur wichtigsten Komponente“, sagt Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach.
"Verhandlungsmacht, hat nur wer etwas neues auf den Markt bringt"
Ins Zentrum rückt die Software. Drehen, Fräsen, Härten und Zusammenbauen war gestern. Das können heute Anbieter aus Schwellenländern günstiger.
Nur wer als Zulieferer die Fahrzeuge bereits mit entwickelt, macht sich unabhängig. „Verhandlungsmacht gegenüber den Herstellern haben nur diejenigen Zulieferer, die etwas Neues auf den Markt bringen und dabei technologisch führend sind“, sagt Thomas Schlick, Autozulieferer-Experte bei Roland Berger.
Einige Zulieferer haben die Zeichen der Zeit erkannt, etwa Continental. Der oft nur als Reifenhersteller bekannte Zulieferer aus Hannover hat seine Kompetenz in wichtigen Zukunftsbereichen ausgebaut. Dafür nimmt Conti viel Geld in die Hand: Im vergangenen Jahr flossen sechs Prozent vom Umsatz in Forschung und Entwicklung. Dieses Jahr sollen es schon neun Prozent sein – doppelt so viel wie branchenüblich.