Boom und Crash Börsenboom der 90er: "Wir waren Helden"

Wie ein Börsenprofi sich durch die wilden 90er und die Finanzkrise kämpfte, warum Anlegern jetzt Sicherheit über alles geht.

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Banker Müller:

Die Lufthansa hat ihn umgebucht. „ Ärger mit dem Airbus 380 in Peking“, sagt Stefan Müller und tippt hektisch auf seinem iPhone. Jetzt muss er über München, in einem kleineren Jumbo, dabei hatte er sich so auf den Riesenvogel gefreut. „Egal“, es gibt Wichtigeres: „China.“ Sein neues Thema. „Wir hatten die High-Tech-Welle am Neuen Markt, dann den Derivate-Boom, dann den Finanzcrash nach der Lehman-Pleite. Wenn irgendwas den Weltwirtschaftsmotor jetzt am Laufen hält, dann ist es China.“

Alle wissen das, nur: Kaum jemand investiert. Müller will das ändern, als Berater einer Investmentgesellschaft, die in Chinas Provinz angeblich noch unentdeckte Aktien kauft. China, da geht was.

Aber: Wer mag den Chinesen trauen? Und drohen nicht auch hier Überhitzung, Aktienblasen, Crashgefahr?

Da sind sie wieder, die Bedenkenträger. So wie 1997 in Deutschland. „Pah“, sagt Müller. Er war Mitglied des Teams, das am 10. März 1997 den ersten Kurs am Neuen Markt aushandelte. Mobilcom, die Telefonaktie von Gerhard Schmid, bringt gleich 50 Prozent Gewinn. „In der hintersten Ecke des Parketts war das“, sagt Müller, „die Börse hat ja selbst nicht an den Erfolg des Neuen Markts geglaubt.“ Schmid macht sein Geld mit Handys und Telefonminuten, für die Kunden die heftig beworbene „01019“ vorwählten. Kein revolutionäres Geschäft. Der Börsenwert klettert dennoch bis auf zwölf Milliarden Euro, 1999 ist Mobilcom Dax-Kandidat. „Die ganz Schlauen haben schon nach sechs Monaten vor einem Crash gewarnt, als die Kurse sich verdoppelt hatten“, sagt Müller. Am Ende behalten sie zwar recht. „Nur haben die 900 Prozent Gewinn verpasst“, sagt er. Wohl wahr: Der Neue-Markt-Aktienindex Nemax 50 klettert von 1000 bis auf 9665 Punkte am 10. März 2000, auf den Tag drei Jahre nachdem Müller die ersten Mobilcom-Kurse gemacht hat.

Doch dann kommt der Absturz. Über 95 Prozent gehen die Kurse runter.

Der Privatanleger

Michael Fichter* macht alles mit. Von Mitte der 90er-Jahre an ist er „voll dabei“. Der heute 42-Jährige eröffnet vier Depots bei Online-Brokern, kauft Aktien „wie blöde, nach Tipps in Anlegermagazinen und von Partys“. Schon vor dem Frühstück sitzt er vor dem Bildschirm, wartet darauf, dass der Rechner endlich den Blick auf das Depot freigibt. „Das war das Highlight des Tages“, sagt Fichter, „die Spannung: Was haben die Märkte in Asien gemacht, wie eröffnet Frankfurt? Sind die Kurse rot der grün?“

Es ist die goldene Zeit der Börse. Die neuen Online-Broker machen den Handel bequem; Millionen kaufen zum ersten Mal in ihrem Leben Aktien. Alle haben plötzlich welche: der Nachbar, die Sekretärin, der Briefträger. „Wir waren alle ein bisschen brainwashed“, sagt Fichter, „man kam sich schon klein vor, wenn man nur 20 Prozent im Monat machte.“ Die an der Kneipentheke kolportierten Renditen sind inflationär. Geldanlage ist für ihn ein lustiges, buntes Kaufladen-Spiel.

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