Computerhandel Börsencomputer reagieren automatisch auf Nachrichten

Seite 4/5

Schlechte Presse, schwache Kurse

Automatisch schnell auf bereits veröffentlichte Daten zu handeln sichert einen Sekundenvorsprung. Wer mehr will, braucht Insiderinformationen. Sich die zu verschaffen ist manchmal möglich, aber illegal. Unternehmen müssen strenge Veröffentlichungsregeln beachten, damit niemand früher informiert wird als der Markt. Aber auch volkswirtschaftliche Daten können Insiderinformationen sein. Der viel beachtete ifo-Geschäftsklimaindex etwa bewegt häufig den Dax.

Nachdem Ende der Neunzigerjahre an der Börse Gerüchte über Insiderhandel auf Basis von ifo-Daten kursierten, berechnet das ifo Institut den Index seither erst in der Nacht vor Veröffentlichung. Es reduzierte die Zahl der beteiligten Mitarbeiter und koppelte den betroffenen Server von anderen Rechnern ab.

Kommen die Zahlen zum Geschäftsklima, sitzt Pressesprecher Stefan Schott dann mit einer Funkuhr an seinem Münchner Schreibtisch. Zehn Minuten vor der Veröffentlichung baut er eine Telefonkonferenz mit Journalisten der großen Agenturen auf. „Um Punkt zehn Uhr, erst dann, wenn die Funkuhr umgesprungen ist, nenne ich die Zahlen“, sagt Schott. Ein Arbeitskollege hört mit und verschickt im nächsten Moment umgehend die Pressemitteilung an andere Medienvertreter.

Schnell, aber falsch?

Die Anbieter maschinenlesbarer Nachrichten haben die neueste Zahl dann schon längst durch ihre Systeme gejagt. Wenn die Eilmeldungen der Agenturen zum ifo-Index über die Ticker laufen, haben Hochgeschwindigkeitshändler schon längst gehandelt.

Mitarbeiter der Nachrichtenagenturen sind auch bei Ministerien, Prognosehäusern oder Zentralbanken akkreditiert. Bevor das US-Arbeitsministerium kursbewegende Daten wie die Arbeitslosenzahlen verkündet, werden die Journalisten der großen Agenturen in Räumen eingesperrt, aus denen vorab keine Information dringt. Alle bekommen die Daten gleichzeitig und bereiten ihre Meldungen vor. „Im US-Arbeitsministerium gibt ein Mitarbeiter die Datenleitung nach außen frei“, berichtet Groß von der Deutschen Börse. Erst dann wird die Information offiziell.

Für Hochgeschwindigkeitshändler ist der Zeitvorsprung dann besonders wertvoll, wenn eine Zahl von der im Markt erwarteten stark abweicht. Dann reagiert die Börse besonders heftig und bietet damit besondere Gewinnchancen. Je umfassender die Daten, desto besser: „Der Markt reagiert auf volkswirtschaftliche Daten sofort – da verdient der Trader mit der schnellsten Technik das meiste Geld“, sagt Richard Brown, der für Reuters das globale Geschäft mit NewsScope, dem Dienst für maschinenlesbare Nachrichten, verantwortet.

Zum Wettkampf um das beste System kommt noch der um die schnellste Technik. Hochgeschwindigkeitshändler kämpfen um jede Tausendstelsekunde. Weil eine Aktienorder von London bis Frankfurt 4,9 Millisekunden braucht, stellen zum Beispiel Londoner Hedgefonds ihre Computer in Frankfurt direkt neben den Börsenservern auf – und gewinnen so 3,9 Millisekunden.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%