MSCI RiskMetrics Die heimliche Macht der Finanzmärkte

Die jüngst fusionierte US-Firma MSCI RiskMetrics entwickelt hoch raffinierte Werkzeuge für Investoren und hat eine Monopolstellung bei bestimmten Empfehlungen für Aktionäre inne. Doch warum versagen die Tools oft?

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Enorm eingebrochen

Die Fusion fand fast unbeachtet von der Öffentlichkeit statt. Anfang Juni übernahm der amerikanische Finanzdienstleister MSCI für 1,55 Milliarden Dollar die New Yorker Firma RiskMetrics. „Gemeinsam wollen wir der weltweit führende Anbieter von Entscheidungshilfen für Investoren werden“, kündigte MSCI-Chef Henry A. Fernandez an. Schon jetzt ist das Unternehmen die heimliche Macht an der Wall Street, der Thinktank, der zahllose Daten und Instrumente für die Finanzmärkte liefert. So errechnet MSCI Tag für Tag rund 120.000 Börsen-Indizes. Zudem entwickelt das Unternehmen, das 2007 aus der New Yorker Investmentbank Morgan Stanley hervorging, Analyse-Tools und Software für Risikomanagement.

Mit der neuen Tochter RiskMetrics hat sich MSCI nun zudem ein Monopol im Geschäft mit Abstimmungsempfehlungen für institutionelle Investoren gesichert. Auch auf deutschen Hauptversammlungen organisiert die RiskMetrics gerne mal einen Aufstand von Aktionären.

Investoren und Banken vertrauen

Auf die geballte Macht von MSCI RiskMetrics verlassen sich viele Investoren und Banken. Doch das ist gefährlich. Ähnlich wie das Oligopol der Ratingagenturen mit seinen Einheitsbewertungen für Anleihen und derivative Papiere hat RiskMetrics seinen Teil zur Finanzkrise beigetragen. Denn allzu oft übernehmen die Finanzakteure unkritisch die Analyseergebnisse und Risikomodelle von RiskMetrics für die Bewertung der von echten Werten abgeleiteten Papiere (Derivate) und für die Ermittlung von Bankrisiken.

Die wichtigsten Produkte und Dienstleistungen von MSCI Risk-Metrics sind Instrumente, die das Unternehmen zur Ermittlung und Bewertung von Kreditrisiken entwickelt. Im Zentrum steht eine bereits im Jahr 2000 vorgestellte Formel, deren massenhafte Anwendung erst den Boom von Derivaten auf Kredite und Forderungen, speziell den Collateralized Debt Obligations (CDOs), ermöglichte. Einen wesentlichen Anteil an der Entwicklung dieser Tools hatte David X. Li, ein chinesischstämmiger Mathematiker und Statistikexperte, der Ende der Neunzigerjahre zu RiskMetrics stieß.

Li entwickelte die Formel, mit der sich die Preise von CDOs vermeintlich sicher bestimmen lassen. Solche forderungsbesicherten Wertpapiere gab es zwar schon zuvor. Mit Lis Formel jedoch wurden erstmals CDOs geschaffen, die ausschließlich auf besonders schwierig zu bewertenden Sicherheiten beruhten – den berüchtigten Subprime-Hypotheken-Darlehen. Basis für solche CDOs ist eine Einschätzung des Ausfallrisikos von Baukrediten. Da es nicht genügend empirische Daten gab, um diese Risiken präzise zu berechnen, behalf sich Li mit einem Trick: Er nahm an, dass die Risiken von Immobilienpleiten zufallsverteilt sind. Eine nur genügend hohe Anzahl an hypothekenbesicherten Forderungen zu mischen müsste die Ausfallwahrscheinlichkeit dieses neuen Gesamtportfolios gegen null drücken, so die Idee.

Begeistert griffen Finanzexperten die neue Formel auf. Sie bündelten große Mengen an Hypothekenkrediten und teilten sie dann in mehrere Tranchen auf – in den ersten Topf kamen die guten Kredite mit einer geringen Ausfallwahrscheinlichkeit. Die anderen Tranchen bestanden aus den Baudarlehen mit mittleren und höheren – aber vermeintlich immer noch beherrschbaren – Risiken. Die Banken warfen immer größere Volumen an CDOs auf den Markt (siehe Grafik). Seit vor drei Jahren die Häuserpreise in den USA schlagartig auf breiter Front ins Rutschen kamen, ist der Glaube an die Zauberformel verschwunden, kümmerliche drei Milliarden Dollar an CDOs kamen dieses Jahr bisher auf den Markt.

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