Altersvorsorge Die Riester-Bombe

Wolfgang Uchatius schloss bei einer ganz normalen Versicherung einen Vertrag über eine private Altersrente ab. Dann stellte er fest, dass mit dem Geld Streubomben gebaut werden.

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ILLUSTRATION - Zwei Quelle: dpa

Wolfgang Uchatius schloss bei einer ganz normalen Versicherung einen Vertrag über eine private Altersrente ab. Dann stellte er fest, dass mit dem Geld Streubomben gebaut werden.

Neulich habe ich mir eine Streubombe gekauft, sie heißt CBU-105. Es ist ein amerikanisches Modell, olivgrün, fast zweieinhalb Meter lang und 421 Kilogramm schwer. Das Besondere an dieser Bombe ist, dass sie nicht explodiert. Sie öffnet sich nur. Sie gleitet durch die Luft, der Stahl springt auf, und heraus fliegen vierzig kleine Sprengkörper, flach und rund, kaum größer als Eishockeypucks. Sie heißen Bombletten.

Im Internet habe ich ein Video über meine Bombe gefunden. Man sieht darauf Panzer, die lautlos auf einen zurollen. Es gibt dieses Video in verschiedenen Versionen. Die Bilder sind dieselben, nur der Text ändert sich. Mal ist von Irakern die Rede, die in den Panzern sitzen, mal von Pakistanern, einmal heißt es nur: die Feinde. Jedes Mal aber ist es ein einzelnes Flugzeug, das die Rettung bringt. Die Rettung ist meine Bombe. Sie öffnet sich, verstreut die Bombletten in der Luft, die Panzer explodieren. Am Ende erscheint ein Satz auf dem Bildschirm: „Eine Bombe, viele Ziele."

Eine Bombe, viele Ziele

Naser Aayash ist auf dem Video nicht zu sehen.

Er ist ein 39-jähriger Mann, der in einer kleinen Stadt im Süden des Libanon lebt, sie heißt Harouf. Aayash hatte dort früher eine Autowerkstatt. Er hämmerte an Achsen und Ölwannen herum, das Geschäft lief gut. Hinter der Werkstatt steht ein Haus, dort wohnte Aayash mit seiner Frau, seiner Mutter und seinen drei Kindern. Das war sein Leben, damals.

Ich traf Naser Aayash, als ich mehr über die Art von Bombe herausfinden wollte, die ich mir angeschafft hatte. Die Stadt Harouf ist ein guter Ort dafür. Es ist von dort nicht weit bis zur israelischen Grenze, nicht weit zu der Stelle, an der die islamistische Hisbollah-Miliz am 12. Juli 2006 mehrere israelische Soldaten tötete und zwei weitere in den Libanon entführte. Wenige Stunden danach stiegen die ersten Kampfflieger auf. Die Israelis nannten es „Operation gerechter Lohn“.

Die Flugzeuge feuern Raketen und werfen Streubomben. Eine Bombe, viele Ziele. Die Bombletten durchschlagen Fenster und Dächer, sprengen Löcher in Mauern, zerstören Autos. Oft fallen sie nur auf die Erde und bleiben liegen.

Diesmal war es anders.

Nach vier Wochen ist der Krieg vorbei. Es herrscht wieder Frieden in Harouf. Naser Aayash dankt Gott und ruft seine Familie an. Während der Bombardements hat er seine Frau und seine Kinder zu seinem Bruder in die Hauptstadt Beirut geschickt, dort waren sie sicher. Jetzt kommen sie zurück.

Ein paar Tage später, am Morgen des 18. August 2006, setzt sich Naser Aayash in seinen Wagen und fährt an die Küste. Es ist warm, die Sonne lässt das Meer leuchten. Es ist ein Bild, das zum Frieden passt. Aayash will einen Freund besuchen. Sie wollen ihr Überleben feiern.

Auf dem Weg kommt er an einem Haus vorbei, es steht auf einem Feld. Das Dach ist eingestürzt, von Bomben getroffen. Aayash will sich den Schaden ansehen, er kennt das Haus, ist oft daran vorbeigefahren. Er steigt aus, geht einen Schritt zum Straßenrand. Hohes Gras wächst dort, auf brauner Erde, dicht stehen die Halme. Aayash beachtet sie nicht, es ist ja nur ein Acker, erst später wird er sich erinnern, sich fragen, warum er nicht gesehen hat, was da auf dem Boden lag. Jetzt aber geht er weiter. Der zweite Schritt. Der dritte. Dann bricht das Feuer aus ihm heraus.

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