Regisseur Oliver Stone "Die Wall Street war das Herz des Dollar"

Der Regisseur Oliver Stone über Raubtierkapitalismus nach dem Fall der Mauer, die Zukunft des Börsenhais Gordon Gekko und seine privaten Investments in Deutschland.

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Hollywood-Regisseur Oliver Stone Quelle: Laif/Redux

Herr Stone, heutzutage ist die Börse dank der Finanzkrise in aller Munde. Das war 1987 anders, dennoch wurde ihr Film "Wall Street“ bereits damals ein Erfolg. Warum?

Stone: Ich hatte das damals nicht erwartet. Filme über die Finanzwelt hatte es seit den Fünfzigern nicht mehr gegeben, der Erfolg seinerzeit war eher ein Zufall. Aber die Figur von Gordon Gekko fing offenbar den Zeitgeist der Achtziger ein – Wirtschaftsautoren bezogen sich auf ihn, als wäre er eine reale Person, und ein Donald Trump liebt ihn regelrecht. Wobei man eines nicht vergessen sollte – Gekko war nicht der Held, sondern der Gegner der Hauptfigur, des von Charlie Sheen gespielten Börsenmaklers. Und auch der zweite Teil, der nun startet, dreht sich nicht in allererster Linie um Gekko, sondern um einen Nachwuchs-Broker, der an der Wall Street Karriere machen will.

Ihr Vater war selbst Börsenmakler. Inwiefern hat das Ihre Einstellung zur Wall Street geprägt?

Für mich war Wall Street das Herz des amerikanischen Dollar – ein seriöser Ort. Ich weiß noch, wie mich mein Vater zum ersten Mal Anfang der Fünfziger an die Börse mitnahm, da war ich acht oder zehn. Ich hatte ein wenig Angst, weil ich noch so klein war. Aber der Ort war Ehrfurcht einflößend. Die Leute dort trugen alle Anzug und Krawatte, die Beleuchtung war düster. Das war noch eine andere Ära. Und so war auch die Einstellung an der Wall Street anders, sie wurde ihrer Verantwortung für die Gesamtwirtschaft gerecht. Mein Vater hätte nie diesen finanziellen Supermarkt gebilligt, wo eine Bank alle Finanzprodukte anbietet, von Versicherungen bis zu Aktien. So als wären wir nicht an der Wall Street, sondern bei Walmart. Jetzt herrscht die reinste Casino-Mentalität. Wenn er wissen würde, was die Banken heute anstellen, würde er sich im Grab umdrehen – so wie die meisten Vertreter seiner Generation.

Was ist der Ursprung dieser Casino-Mentalität?

Das begann, als die sogenannten Investmentbanken zu Geschäftsbanken wurden. Und die Geschäftsbanken, die das Fundament unserer Gesamtwirtschaft bilden sollten, begannen das Spiel der Hedgefonds zu spielen und mit immer größeren Summen Geldes zu spekulieren. Nicht nur aus Gier, sondern auch aus Neid. Die Banker konnten schwer mit ansehen, wie Hedgefonds-Manager 20, 30, 40 Millionen Dollar pro Jahr an Gehalt einsteckten. Und Gier plus Neid ist gleich Wahnsinn. Wobei diese Tendenz auch viel mit Ihrem Land zu tun hat – um es mal zugespitzt auszudrücken.

Deutschland ist der Auslöser der weltweiten Finanzkrise?

Sie müssen das so sehen: Als die Berliner Mauer fiel, spielte der Großteil unseres Landes verrückt. Vorher hatten wir einen Kapitalismus, den die Präsenz des Ostblocks mental in Schranken hielt. Aber danach wurden alle Regeln gelockert. Mein Vater sagte zu mir „Friss dich nicht voll“. Damals fing der Kapitalismus an, sich vollzufressen. Die Schranken zwischen den Banken, den Versicherungsunternehmen und den Maklerfirmen fielen. Gleichzeitig wuchs die Kluft zwischen der Wall Street und dem Mittelstand, der gleichzeitig für die Fehler der Finanzbranche geradestehen muss. Ein weiteres Problem, das damals entstand, war die Öffnung des Immobilienmarkts für breitere Bevölkerungsschichten. Genau das funktionierte eben nicht. Nicht jeder kann und darf sich ein Haus leisten. Sinnigerweise war dieses Missverhältnis in Zahlen betrachtet nicht mal so groß. Zu normalen Zeiten besaßen 64 Prozent der Amerikaner ein Haus, und in den Neunzigern stieg der Anteil auf 69 Prozent. Das heißt, nur dieser fünfprozentige Anstieg verursachte die ganzen Probleme.

Und wie wäre die zu vermeiden gewesen?

Durch eine stärkere Regulierung der Finanzmärkte. Ich sehe im Staat nicht die Diktatur einer Partei, sondern er verkörpert den Wunsch des Volkes. Und seine Aufgabe ist es, die Exzesse des Markts zu kontrollieren. Der Markt an sich verhält sich nicht rational. Aber die Banker in den USA lagen schon immer im Clinch mit der Regierung. Der Konflikt reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück, als die Präsidenten Thomas Jefferson und später Andrew Jackson gegen die Gründung der ersten Banken vorgingen. Die Roosevelt-Regierung setzte dann nach der Großen Depression in den Dreißigern eine sehr scharfe Regulierung durch, den Glass-Steagall Act, der auch die Trennung zwischen Investment- und Depotbanken vorsah. Wenn der nicht aufgeweicht worden wäre, dann wäre vermutlich nichts Schlimmeres passiert. Diese sogenannten Finanzinno-vationen hatten doch für den Verbraucher keinen effektiven Nutzen. Sie erinnern mich an die Heckflossen, die sich die Autoindustrie seinerzeit einfallen ließ – für die Fahrtüchtigkeit brachten sie nichts, aber der Käufer durfte dafür bezahlen.

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