Schwellenländer Euphorie an den Börsen

Weltwirtschaftskrise? An den Börsen der Schwellenländer China, Russland und Brasilien herrscht eher Euphorie als Angst. Wo es sich für Anleger jetzt noch lohnt, zuzugreifen.

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Börse Shanghai: Vor allem inländische Privatanleger pumpen Geld in Aktien Quelle: Laif

Tag und Nacht durchwühlen Bagger die Erde. Etwa 40 Wanderarbeiter schweißen bei sengender Hitze dünne Stahlstreben zu Röhren zusammen und rammen sie dann bis zu sieben Meter tief in den Boden, um sie schließlich mit Beton zu füllen. So entstehen täglich mehrere Dutzend Pfeiler für einen neuen Apartmentkomplex mit Shoppingcenter, der derzeit gleich hinter der neuen US-Botschaft in Chinas Hauptstadt Peking entsteht. Wenige Kilometer weiter das gleiche Bild: Auch an Pekings Haupteinkaufsstraße Wangfujing flexen, schweißen und nieten die Arbeiter rund um die Uhr an einem neuen Einkaufszentrum.

So schnell können sich die Verhältnisse ändern. Noch im März wirkte Chinas Hauptstadt wie gelähmt. Auf den meisten Baustellen ruhte die Arbeit, oft mehrere Monate lang: Den Immobilienfirmen war nach einem drastischen Einbruch der Wohnungsverkäufe das Geld ausgegangen. Um den Stillstand zu kaschieren, verhängten einige Baufirmen die Gerüste mit bunten Folien.

Doch nicht nur die Baubranche darbte. Die gesamte chinesische Industrie steckte tief in der Flaute. Schon sahen einige Prognosen das Wirtschaftswachstum des Landes – das noch 2007 über 11,5 Prozent betragen hatte – 2009 auf null Prozent absacken. Das wäre ein schwerer Schlag nicht nur für das Land, sondern für die gesamte Welt gewesen.

Die Hausse könnte zusammenbrechen

Doch der Wind hat gedreht. Viel schneller, als es selbst hartnäckige Optimisten für möglich hielten, ist China in den zurückliegenden Monaten wieder auf Wachstumskurs gegangen. Die Folge ist eine fast schon unheimliche Hausse an den Börsen in Peking, Shanghai und Hongkong. Und nicht nur dort. Auch in allen anderen Schwellenländern haben die Anleger wieder Mut gefasst, klettern die Kurse seit Wochen schier unaufhaltsam.

Am vergangenen Montag erreichte der Index der 22 wichtigsten Schwellenländerbörsen, der MSCI Emerging Markets, wieder den Stand vom 12. September 2008 – dem letzten Handelstag vor der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers, die einen weltweiten Crash auslöste. Die Börse Shanghai liegt seit dem Tief im vergangenen Oktober 91 Prozent im Plus, der brasilianische Index Bovespa um knapp 82 Prozent, die Börse Moskau stieg in der Spitze um mehr als 100 Prozent. Demgegenüber wirken die Gewinne des Dax (plus 8,1 Prozent seit Jahresbeginn) oder des Dow Jones (plus 2,7 Prozent) geradezu mickrig.

Schwellenländer holen rasant auf

Die Hausse an den Börsen Chinas, Brasiliens oder Russlands könnte jedoch schnell wieder in sich zusammenbrechen. Schon in der Vergangenheit folgte nach massiven Kursgewinnen häufig ein ebenso starker Einbruch. Von Anfang 2006 bis Herbst 2007 etwa versechsfachten sich die Kurse chinesischer Papiere. Danach stürzten sie binnen eines Jahres um 70 Prozent ab. Aktuell sollten Investoren deshalb zunächst vorsichtig hinter die Kulissen des Aufschwungs schauen, ehe sie eine Kaufentscheidung fällen. Denn ob der Konjunktur- und Kursaufschwung selbsttragend und anhaltend sein wird, ist fraglich.

Auf den ersten Blick hat es den Anschein, als wäre in den Schwellenländern die Krise bereits vorüber. Die Wohnungsverkäufe in China nahmen im Juni um 80 Prozent zu, die Autoverkäufe kletterten im selben Monat um 48 Prozent, die Anlageinvestitionen um 33 Prozent. Auch in Russland, Brasilien, Indien und vielen anderen Schwellenländern erholt sich die Konjunktur überraschend schnell und dynamisch.

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