Devisen und Aktien Euro-Schutzschirm verpufft an den Märkten

Die Euphorie der Märkte über das Milliardenpaket zum Schutz des Euros hält nicht lange vor: Am Nachmittag sackte der Eurokurs wieder auf den Stand von vor dem Hilfepaket. Auch an den Aktienmärkten kehrte am Dienstag Ernüchterung ein, vor allem Finanzwerte gerieten europaweit unter Druck. Der Dax rettete sich dank positiver Nachrichten aus den USA aber in ein kleines Plus.

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Börsenhändler in Frankfurt. Der Dax konnte gegen den europäischen Trend am Dienstag noch ein leichtes Plus retten. Quelle: handelsblatt.com

HB BERLIN/FRANKFURT. Die Euphorie an den weltweiten Finanzmärkten über den gigantischen Euro-Schutzschirm ist schon nach einem Tag wieder verflogen. Der Euro gab nach und auch an den Aktienmärkten ging es zunächst bergab, bevor sich die Börsen am Nachmittag wieder fingen. Niedrig blieben die Risikoaufschläge für Anleihen von Euro-Problemländern. Das Kabinett stimmte in Abwesenheit des erkrankten Finanzministers Wolfgang Schäuble der deutschen Beteiligung an den 750-Milliarden-Euro-Schutzschirm zu. Im EZB-Rat traten Differenzen über den Ankauf von Staatsanleihen zutage.

EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn schlug angesichts der Krise eine europäische Schuldenbremse nach deutschem Modell vor.

Die Ratingagentur Moody's bewertete die Hilfebemühungen von Euro-Ländern, EZB und IWF positiv. Diese reduzierten Liquiditätsrisiken für europäischen Staatsanleihen. Ein Sprecher Schäubles sagte: "Wir sind zuversichtlich, dass dieses Paket Vertrauen entwickeln wird." Der Minister, der vor den Beratungen über das Paket wegen einer Medikamentenallergie in eine Brüsseler Klinik eingeliefert wurde, habe mit Kanzlerin Angela Merkel vereinbart, sich "noch einige Tage zu schonen". Schäuble stehe aber hinter dem Maßnahmenpaket. Er genieße weiter die "volle Rückendeckung" der Kanzlerin. Seinen Rücktritt habe er nicht angeboten. Unionsfraktionschef Volker Kauder erklärte, Merkel habe in der Fraktion gesagt, Schäuble stehe für Fragen und Anregungen voll zur Verfügung. Er solle sich noch ein paar Tage schonen und seine Beschwerden voll auskurieren.

Euphorie verflogen - aber Dax hält sich

Die Kurse an den Aktienmärkten fielen am Dienstag zunächst deutlich. Im Verlauf des Tages stabilisierte sich der Deutsche Aktienindex und legte sogar zu.

Händler begründeten die Entwicklung des Dax mit positiven Nachrichten aus den USA. Eine nüchterne Betrachtung des Rettungsschirms für die schwächelnden Länder der Eurozone allerdings verhinderte größere Gewinne. So rückte der Leitindex am Ende um 0,33 Prozent auf 6037,71 Punkte vor. Der MDax legte um minimale 0,05 Prozent auf 8173,60 Punkte zu und der TecDax verlor 1,30 Prozent auf 769,98 Punkte.

In den Vereinigten Staaten habe sich die Stimmung unter den kleinen Unternehmen deutlich aufgehellt, sagte Marktanalyst Heino Ruland von Ruland Research. Anleger messen dieser Meldung eine hohe Bedeutung zu, da gering kapitalisierte Firmen einen Gutteil der Arbeitsplätze in den USA stellen. Dennoch ist die Skepsis am Markt noch nicht verflogen. Die Investoren überlegten jetzt, welche Konsequenzen das von Europäischer Union, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank geschnürte Rettungspaket haben werde, sagte Ruland.

Europaweit gehörten Finanzwerte zu den größten Verlierern. Aktien der Commerzbank sowie der Deutschen Bank gaben um 2,38 und 1,20 Prozent nach, nachdem sie am Montag überdurchschnittlich von der Euphorie profitiert hatten.

Die Erleichterung nach dem Rettungsschirm für die schwächelnden Länder der Eurozone rückte die gewaltige Dimension der Schulden im Euro-Land und die Inflationsgefahren wieder in den Blick. "Am Markt wird erst einmal abgewartet, wie die Regierungen jetzt die Ursachen in den Griff kriegen", sagte Analyst Ruland.

Der Leitindex der Eurozone, der EuroStoxx 50, verlor am Ende 1,03 Prozent auf 2730,48 Punkte - am Vortag hatte er mehr als zehn Prozent gewonnen. Auch in Paris und London gaben die Kurse nach.

Euro gibt deutlich nach

An den Devisenmärkten fiel der Euro deutlich, die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf knapp unter 1,27 Dollar fest. Die Erleichterung der Finanzmärkte über das Rettungspaket hatte den Kurs der Gemeinschaftswährung am Vortag noch zeitweise bis knapp unter 1,31 Dollar getrieben. Auch nach den beschlossenen Rettungsmaßnahmen "sind die Haushaltsprobleme der Defizitsünder nicht gelöst", erklärten Experten der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba).

Der Euro wird unter Druck bleiben, lautet das Fazit einer Studie der Royal Bank of Scotland (RBS). Die RBS sieht noch viele Ungereimtheiten in den Rettungsmaßnahmen von EU und IWF: "Wer zahlt letztlich für die Rettung? Werden hier nicht lediglich Schulden aufgenommen, um ein Schuldenproblem zu lösen? Werden die Mittel durch die Landesparlamente freigegeben, und was ist der politische Preis dafür?" Die Probleme des Euro-Raums seien nicht gelöst: Nach wie vor bestünden zwischen den Euro-Ländern starke Unterschiede bei Produktivität, Wachstum, im Außenhandel und in regionalen Inflationstrends.

Darüber hinaus verunsichere, dass die EZB mit der bahnbrechenden Entscheidung, Staatsanleihen anzukaufen, ihre Prinzipien zerstört habe. "Die Geldpolitik ist nun eng verbunden mit der Fiskalpolitik." Bundesbankchef Axel Weber versicherte in einem Interview, dass die EZB an ihren geldpolitischen Zielen festhalten wird: "Die deutsche Bevölkerung kann sich darauf verlassen, dass wir hier besonders wachsam sein werden."

Deutscher Hilfebetrag mit Puffer nach oben

Das Kabinett verabschiedete einen Gesetzentwurf, mit dem sich der Bund zur Übernahme von Kreditgarantien in Höhe von 123 Mrd. Euro bereiterklärt. Notfalls kann diese Grenze noch unter bestimmten Bedingungen um 20 Prozent überschritten werden. Damit könnte die Garantie knapp 150 Mrd. Euro erreichen.

Die Grünen signalisierten nach Beratungen in der Fraktion ihre Zustimmung zu dem Rettungsschirm. Die Linkspartei will, wie schon im Falle der Griechenland-Hilfe, Nein sagen. Die SPD hält sich ihre Entscheidung noch offen. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier bekräftigte die Forderung nach Einführung einer Transaktionssteuer, um Finanzfirmen an den Krisenkosten zu beteiligen. Offen für eine Debatte über dieses Instrument äußerte sich Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in der Süddeutschen Zeitung. Es gebe jedoch zu Recht Bedenken dagegen. Spekulationsgewinne müssten dennoch rasch abgeschöpft werden.

Auch Kauder machte sich für eine Beteiligung der Finanzbranche an den Krisenkosten stark. Die Regierung will bei weiteren Regulierungen aufs Tempo drücken. Sie hofft, dass das Gesetz zum Euro-Hilfepaket vom Bundestag schon in der kommenden Sitzungswoche abschließend beraten werden kann. Der Bundesrat könnte dann am 4. Juni entscheiden.

Rettungsschirm eindeutiges Signal an Spekulanten

Der Schirm setzt sich zusammen aus Mitteln der EU, des Internationalen Währungsfonds (IWF) und aus Krediten über 440 Mrd. Euro, die anteilig von den Euro-Partnerländern verbürgt werden sollen. Damit will Europa ein Signal an die Märkte senden, dass sich Spekulationen gegen den Euro nicht lohnen und Angriffe auf die Währungszone mit allen Mitteln abgewehrt werden. Zudem haben sich die EU-Länder zu noch schärferen Konsolidierungsschritten bereiterklärt. EU-Kommissar Rehn sagte, nicht nur Spanien und Portugal, auch Italien und Frankreich müssten mehr tun. Ökonomen warnten aber, hartes Sparen allein könne Länder nicht aus der Krise führen. Der IWF forderte den Euro-Raum auf, Mängel in seiner Finanzarchitektur zu beheben.

Auch EZB-Ratsmitglied Nout Wellink warnte, der Schirm allein reiche nicht aus, um die Euro-Zone generell zu festigen. Vor allem in Ländern Südeuropas müsse es mehr Haushaltsdisziplin geben. Bei Verstößen gegen die Stabilitätsregeln müsse schneller eingegriffen werden. Über den am Montag gestarteten Ankauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank (EZB) gibt es offenbar Streit im EZB EZB-Ratsmitglied-Rat. Ewald Nowotny sieht im Gegensatz zu Bundesbankchef Axel Weber den Ankauf positiv.

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