Expertenkolumne Adoption als Weg aus der Erbschaftssteuerfalle

Die geplante Reform der Erbschaftssteuer kann für sogenannte „weiter entfernte“ Verwandte teuer werden. Grund: Für Nichten und Neffen steigt in der Steuerklasse II der Steuersatz von 17 auf 30 Prozent.

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Niels Becker

Besonders dramatisch wird es, wenn auch Immobilien vererbt werden, da diese mit nach der Neuregelung mit dem „gemeinen Wert“, dem Verkehrswert, besteuert werden sollen.

Der Gesetzgeber bestraft insbesondere Familien, die ihr erworbenes Vermögen in der Familie für künftige Generationen erhalten wollen.

Ein Beispiel:

Die Geschwister V und T haben von ihrem Vater, der es im Wirtschaftswunder zu einem bescheidenen Wohlstand gebracht hat, in den 70-ger Jahren ein Doppelhaus je zur Hälfte geerbt - steuerfrei. Das Haus mit einem Steuerwert von 300.000 Euro überschritt nicht ihre Freibeträge als Kinder.

V möchte seinem einzigen Sohn N seine Hälfte der Immobilie, deren Verkehrswert inzwischen bei 500.000 Euro liegt, weiter vererben und sie so in der Familie halten. Dasselbe gilt für die kinderlose Tante T, die in der anderen Doppelhaushälfte lebt und für die der N eine Art „Ersatzkind“ ist. Schon als Minderjähriger verbrachte er viel Zeit mir der Tante, die sich wegen der Berufstätigkeit seiner eigenen Mutter häufig um ihn kümmerte.

Nach dem geltenden Erbschaftsrecht ließe sich das vom Großvater des N erarbeitete und von dessen Kindern erhaltene Vermögen zu erträglichen Konditionen an den N weitergeben.

Nach dem bisher maßgeblichen Steuerwert der Hälfte des V von 150.000 Euro könnte N die Hälfte seines Vaters durch seinen Freibetrag von 205.000 Euro steuerfrei erben. Bei der Hälfte seiner Tante würden 23.749 Euro an Erbschaftssteuern fällig.

Nach dem geplanten neuen Recht bleibt die Hälfte des Vaters auch bei einem Verkehrswert von 250.000 Euro für N steuerfrei. Denn der Freibetrag für Kinder erhöht sich zukünftig auf 400.000 Euro Dramatisch wird es bei der Hälfte der Tante: Satte 69.000 Euro würden fällig werden - was den Erben möglicherweise dazu zwingt, das geerbte Haus zu veräußern.

Doch welche Möglichkeiten gibt es angesichts einer Verdreifachung der steuerlichen Belastung? Dabei kommt die Erwachsenenadoption ins Spiel, die bisher eher ein juristisches Schattendasein geführt hat.

Doppelhaus-Neubau bei Quelle: dpa

Würde nämlich Tante T ihren volljährigen Neffen N adoptieren, erbt dieser als Kind von ihr und von seinem Vater. Hintergrund: Bei der Erwachsenenadoption bleiben die Familienbande zu den leiblichen Eltern erhalten und der Adoptierte könnte gleichzeitig als Kind der Adoptivmutter erben. Im genannten Beispiel müsste N überhaupt keine Steuern zahlen.

Wäre eine solche Gestaltung wirksam?

Laut Gesetz muss zwischen den Adoptiveltern und dem zu Adoptierenden ein sittlich gerechtfertigtes Eltern-Kind-Verhältnis entstehen. Dieses besteht jedoch nicht, wenn es den Beteiligten ausschließlich um wirtschaftliche Motive geht. Sie dürfen aber „Nebenzweck“ sein. Also schadet es einem wirksamen Eltern-Kind-Verhältnis nicht, wenn es den Beteiligten auch um die Ersparnis der Erbschaftsteuer und die Einsetzung des Adoptivkindes als Alleinerbe geht.

Das Entstehen eines „Familienbandes“ beziehungsweise eine „inneren Verbundenheit“, wie sie typischerweise zwischen Eltern und Kindern herrscht, muss jedoch klar im Vordergrund stehen. Daher kommt es darauf an, den Richter des Vormundschaftsgerichts geschickt von diesem Familienband in ihren Adoptionsanträgen und bei der persönlichen Anhörung zu überzeugen.

Keine Rolle spielt es, wenn der Adoptierte auch weiterhin zu seinen natürlichen Eltern ein gutes Verhältnis pflegt. Genauso wenig hinderlich ist es, wenn das Eltern-Kind-Verhältnis noch nicht endgültig entstanden ist. Es reicht, wenn nach den objektiven Anhaltspunkten das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass ein solches noch entstehen wird.

Auch muss der adoptierte Erwachsene nicht etwa bei seinen Adoptiveltern einziehen und mit ihnen unter einen Dach leben. Denn ein Zusammenleben mit den erwachsenen Kindern ist auch bei natürlichen Kindern nicht charakteristisch: Zu erwarten ist vielmehr, dass diese „flügge“ werden und ihre eigenen Familie gründen. Im Verhältnis zu den Adoptiveltern sind daher regelmäßige Besuchs- und Briefkontakte meist ausreichend. Auch gemeinsame Unternehmungen oder die Teilhabe der Adoptiveltern am Familienleben des Adoptierten sind nützlich.

Im Adoptionsverfahren bei Erwachsenen ist eine Zustimmung der leiblichen Eltern nicht erforderlich. Allerdings werden diese vom Gericht angehört. Denn Loyalitätskonflikte des Adoptierten sollen vermieden werden.

Wer eine solche Gestaltung versucht, sollte dies aber nur nach gründlicher Prüfung aller damit verbundenen rechtlichen und wirtschaftlichen Punkte tun. Denn es entstehen auch wechselseitige Unterhaltsansprüche. Haben die Adoptiveltern auch eigene Kinder sind auch deren Belange zu berücksichtigen.

Im Ergebnis kann die Adoption aber dort, wo ohnehin familiäre Verbundenheit herrscht, eine Gestaltung sein, die auch die Steuerlast erheblich mindert – wie in dem Beispiel.

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