Fehlentscheidungen Manager fürchten Klagen wegen Missmanagement

Immer öfter sollen Ex-Manager für ihre Entscheidungen persönlich haften - und dreistellige Millionenbeträge zahlen. Das zeigen die aktuellen Fälle bei Siemens, Conergy und der WestLB.

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Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff wurde auf 175 Millionen Euro Schadensersatz verklagt. Quelle: handelsblatt.com

Deutsche Manager sollten riskante Entscheidungen künftig lieber noch einmal überdenken. Das Risiko steigt, auch noch Jahre nach dem Ausscheiden aus einem Unternehmen existenzgefährdende Schadensersatzforderungen zu erhalten. Das zeigen zahlreiche aktuelle Fälle. So hat der Solarhersteller Conergy gerade vier Ex-Vorstände auf 280 Millionen Euro Schadensersatz verklagt. Zum Vergleich: Siemens erhielt von einem Versicherungskonsortium für den auf Missmanagement seiner Führungskräfte beruhenden Milliardenschaden aus dem weltweiten Korruptionsskandal bislang 100 Millionen Euro.

Unternehmenseigner, Aufsichtsräte und Insolvenzverwalter verlieren die Scheu vor großen Schadensersatzsummen. Der Lkw-Hersteller MAN verlangt von Ex-Vorstandschef Hakan Samuelsson und seinen Kollegen 237 Millionen Euro Schadensersatz wegen Schmiergeldzahlungen in Kasachstan. 200 Millionen fordert die BayernLB vom Ex-Vorstand um Werner Schmidt wegen des Kaufs der maroden Hypo Alpe Adria. Und Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg verklagte Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff wegen des Verkaufs von Karstadt-Immobilien an die Oppenheim-Esch-Fonds auf 175 Millionen Euro Schadensersatz.

Auch die gestiegenen Schadensmeldungen bei den D&O-Versicherungen verdeutlichen, dass Verfehlungen von Ex-Vorständen nicht mehr hingenommen werden. Mit einer Ausnahme: Unternehmen aus der Finanzbranche tun sich schwer damit, die Sünden der Finanzkrise juristisch aufzuarbeiten.

Den Grund dafür nennt Michael Hendricks, Rechtsanwalt und Experte für Managerhaftung: „Die Schäden sind so gewaltig, dass die Versicherungssummen, die ihnen gegenüberstehen, geradezu zwergenhaft anmuten.“ Aufsichtsräte fragten sich, warum sie bei einem Milliardenschaden 30 Millionen Euro einklagen sollten. „Das bringt die Bank nicht weiter, weil die Vollstreckung bei den Vorständen ergebnislos bliebe. Deshalb verabschiedet sie sich lieber von den Managern und wartet auf bessere Zeiten – soweit das rechtlich vertretbar ist“, sagt Hendricks. Außerdem steckten Aufsichtsräte von Banken mit in der Haftung. „Sie haben die komplizierten Verbriefungen mitabgezeichnet. Einige haben blind auf die Aussagen ihrer Vorstände vertraut und pflichtwidrig ihre Unterschrift geleistet.“

Sorgfaltspflicht des Vorstands

Ungefährlich ist die Zurückhaltung nicht: Seit dem Arag-Urteil des Bundesgerichtshofs von 1997 machen sich Aufsichtsräte dem Unternehmen und seinen Aktionären gegenüber haftbar, wenn sie Schadensersatzforderungen gegen Vorstände unberechtigterweise unter den Tisch fallen lassen. „Für die Aufsichtsratsmitglieder gilt die Sorgfaltspflicht des Vorstands entsprechend. Ein Aufsichtsrat ist der Gesellschaft gegenüber ersatzpflichtig, wenn er schuldhaft eine Pflicht verletzt und der Gesellschaft ein Schaden entsteht“, erklärt Stefan Seitz, Partner der Kölner Kanzlei Schlütter Bornheim Seitz.

Bei einer Pflichtverletzung des Aufsichtsrats ist die Frage nach der Haftung des einzelnen Mitglieds zu klären. Seine Handlung muss ursächlich für den späteren Schadenseintritt sein. „Häufig verstecken sich Aufsichtsratsvertreter hinter der Kollektiventscheidung des Gremiums. Das einzelne Mitglied kann sich aber nicht damit entlasten, seine Bemühungen wären erfolglos geblieben, weil die anderen ihn überstimmt hätten“, sagt Seitz. Der Aufsichtsrat genüge seiner Pflicht nur, wenn er alles Zumutbare getan habe, um den gebotenen Beschluss zu erwirken. „Er muss sich in den Beratungen gegen die Maßnahme im Sinne einer Brandrede ausgesprochen und ausdrücklich gegen diese gestimmt haben.“

Nach Ansicht von Seitz geht die Pflicht des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds indes nicht so weit, dass es zur Verhinderung einer fehlerhaften Entscheidung sogar die Beschlussunfähigkeit des Gremiums herbeiführen müsse.

Das Haftungsrisiko begrenzen können Compliance-Management-Systeme. Doch einer Studie des Allensbach-Instituts zufolge verzichten fast zwei Drittel der deutschen Firmen darauf. Von ihnen halten 56 Prozent die Einführung für „zu aufwendig“. Ein Fehler: Häufig hätten Firmenlenker wenig Einblick in nachgeordnete Ebenen. Dabei seien sie für deren Entscheidungen verantwortlich, sagt Sabrina Keese, Partnerin der Kanzlei Kerkhoff Legal, die die Studie in Auftrag gegeben hat. „Manager riskieren eher persönliche Haftung, als dass sie investieren, obwohl sie sich der Bedeutung des Themas bewusst sind.“

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