Finanzkrise Markt oder Staat: Wer hat versagt?

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Weder strengere Gesetze noch schärfere Kontrollen können menschliches Fehlverhalten verhindern

Die Suche nach besseren Regeln sollte sich von einer banalen Einsicht leiten lassen.

Weder wird sich die nächste Krise verhindern lassen, noch werden die besten Regeln von heute verhindern können, dass morgen innovative Unternehmer, aber eben auch Zocker und Profiteure das System herausfordern.

Wer glaubt, staatliche Finanzaufsichtsbehörden bräuchten nur genügend Kompetenzen, dann ließen sich Finanzkrisen verhindern, unterliegt einer Regulierungsillusion. Spekulationsblasen hat es immer gegeben, und es wird sie immer geben. Sie sind untrennbar mit dem Finanzkapitalismus verbunden. Krisen gehören zu Märkten. Sie sind Bausteine auf dem Weg des Fortschritts von guten zu besseren Lösungen. Sie helfen, aus Fehlern zu lernen und klüger zu handeln.

Weder strengere Gesetze noch schärfere Kontrollen können menschliches Fehlverhalten verhindern.

Sie können auch kein tugendhaftes Verhalten erzwingen. Gier und Neugier gehören zu den Grundlagen einer kapitalistischen Ordnung. Die Gier nach Gewinn stimuliert die Neugier.

Sie lässt Menschen nach besseren Ideen suchen. Niemand weiß im Voraus, wer Erfolg haben und wer scheitern wird. Deshalb ist der Weg zum Ziel im Kapitalismus mit Konkursen und Verlusten gepflastert. Dennoch ist kein anderes Wirtschaftssystem bei der Suche nach Lösungen für komplexe Probleme auch nur annähernd so erfolgreich wie der Kapitalismus. Das Zusammenspiel von Freiheit, Verantwortung und Haftung hat trotz aller Krisen zu mehr Wohlstand geführt.

Je weniger der Staat den Menschen vorgibt, wie sie zu leben und arbeiten haben, umso stärker werden Erfinder-, Entdecker- und Unternehmerinstinkte geweckt.

Das war in der Vergangenheit so. Und es gibt keinen Grund, wieso es nicht auch für die Zukunft gelten soll. Wer die Möglichkeiten begrenzt, Risiken einzugehen, bremst die Dynamik.

Es geht um einen Abwägungsprozess: Wie ein Richter die gegenläufigen Argumente von Staatsanwalt und Verteidiger gewichten muss, gilt es, die Kosten von Markt- und Staatsversagen gegeneinander abzuwägen. Freie Märkte sollen etwas, aber nicht zu stark durch staatliche Regulierungen begrenzt werden.

Es gilt, zu verhindern, dass Konzerne so wachsen, dass sie „too big to fail“ sind, ihr Untergang also auch andere, unbeteiligte Firmen zerstört und im schlimmsten Fall das Land oder gar die Weltwirtschaft mitreißt. Es gilt, den Markt zu regulieren, damit der Wettbewerb funktioniert. Mehr nicht. Werden Märkte zu stark gefesselt, sinken Wachstum, Beschäftigungschancen und Verteilungsspielraum.

Nimmt man die politische Rhetorik der vergangenen Tage ernst, ist zu erwarten, dass das Re-Regulierungspendel übers Ziel hinausschießt. Gesetzlich erzwungen oder freiwillig dürften die Finanzinstitute vorsichtiger werden. Risikoreiches Verhalten wird teurer und weniger attraktiv.

Damit aber verliert die Wirtschaft eine wichtige Antriebskraft. Das reale Trendwachstum der Weltwirtschaft dürfte sich spürbar verlangsamen. Das kann niemanden freuen. Weder jene, die schon immer glaubten, dass der Kapitalismus keine gute Idee sei, noch jene, die wissen, dass es zur Marktwirtschaft – bei allen ihren Mängeln – keine Alternative gibt.

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