Finanzkrise Warum die Börse nicht für alle Zeiten tot sein wird

Seite 2/3

Finanzkrisengeplagte Amerikaner stoßen alles ab, was verkäuflich ist

Risiko in Europa steigt Quelle: Bloomberg. Stand: 30.09. 2008

Beispiel ArcelorMittal: Finanzinvestoren würden den Stahlriesen umgehend kaufen – wenn sie denn Kredit bekämen. Einen Aufkauf des weltgrößten Stahlkonzerns könnte ein Private-Equity-Investor binnen nur sechs Jahren aus dem operativen Mittelzufluss des Unternehmens zurückzahlen, alle Schulden wären dann getilgt. Der Stahlriese – ein Schnäppchen.

Nicht anders Salzgitter: Dort tragen Cash und Beteiligungen schon den halben Börsenwert. Ölriesen wie Total oder Royal Dutch bringen sichere Dividenden von fünf Prozent, selbst Goldaktien wie Newmont Mining verlieren dieses Jahr bis dato ein Drittel – trotz nur kurz unterbrochener Dauerhausse des Edelmetalls.

Der Grund für die zum Teil überzogenen Kursabstürze: Finanzkrisengeplagte Amerikaner stoßen alles ab, was verkäuflich ist – Aktien sind am besten geeignet, weil sofort zu Geld zu machen. Wenn es irgendwo brennt, werden diese Umschichtungen beschleunigt. So lange diese US-Investoren ihre Depots nicht geräumt haben, kann es immer wieder Verkaufswellen geben.

Auch für vermeintliche Branchenkenner wie Piontke bricht mit den Börsenkursen die Welt zusammen, die sie zu kennen glaubten. „Ich bin immer wieder heftig erstaunt über die Nachrichten, die über den Ticker kommen“, sagt der FPM-Gründer. Hypo Real Estate (HRE) hatte er noch im Februar als Kaufgelegenheit bezeichnet, weil die Aktie schon damals nur die Hälfte des Buchwerts kostete, also rechnerisch ein Euro Vermögenswert für 50 Cent zu haben war.

Doch von seinerzeit 20 Euro ist der Kurs auf vier Euro eingebrochen. „Aber es muss etwas übrig bleiben, das mehr wert ist als vier Euro“, macht sich Piontke Mut – und schränkt gleich wieder ein: „Jedenfalls wenn man davon ausgeht, dass die Bank überlebt.“

Doch genau diese Gewissheit ist seit einigen Tagen auch in Europa verschwunden. Grund: Seit der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers herrscht Weltuntergangsstimmung am Geldmarkt, dort, wo sich die Banken gegenseitig Liquidität zuschustern. Selbst die Depfa, Staatsfinanzierer und Tochter der HRE, findet keine andere Bank, die ihr das dringend benötigte Geld leiht. Absurd, findet Piontke: „Banken können kerngesund sein und bekommen keine Liquidität.

Das gab’s noch nie.“ Absurd ja, aber kein Wunder, wenn doch Chefs, wie derjenige einer großen öffentlichen Bank, damit prahlen „gesund zu sein, aber keinen Cent an andere Banken“ rauszurücken – und wenn dann „nur zu hohen Zinsen und Spitzensicherheiten“.

Die EZB könnte zum Schrottplatz verkommen

Die Bankenmalaise hat sich ob solcher Attitüde und der schieren Angst in den Chefetagen längst gelöst von möglichen weiteren Verlusten aus Abschreibungen auf Schrottpapiere. Kein Banker will Geld an einen Konkurrenten überweisen, der möglicherweise morgen schon pleite ist; niemand will der nächste Dumme sein. Gerade deswegen aber – und darin liegt das Fatale – müssen die Banken nach den Zentralbanken und dem Staat rufen. So auch die Hypo Real Estate, die vermutlich nach wie vor vermögensstark ist, sodass am Ende kaum etwas beim deutschen Steuerzahler hängenbleiben dürfte.

Ausdruck der Bankenängste: Am vergangenen Dienstag parkten ihre Chefs über Nacht bei der Europäischen Zentralbank (EZB) 44,4 Milliarden Euro – so viel wie noch nie seit Einführung des Euro vor fast zehn Jahren. In ruhigeren Zeiten ruhen hier allenfalls ein paar Hundert Millionen. Denn bei der EZB bekommen Banken nur 3,25 Prozent Zins, während die Deutsche Bank für eine Leihe etwa an die Commerzbank leicht fünf Prozent kassieren würde.

Die EZB könnte dabei zum Schrottplatz verkommen. Um den Geldkreislauf noch einigermaßen in Schwung zu halten, akzeptiert sie zur Besicherung von Krediten auch mutmaßlich auf faulen Krediten beruhende Papiere. Findige Banker schnüren, so ist in Frankfurt zu hören, bereits jetzt Pakete aus unverkäuflichen Schrottpapieren – nur um diese dann bei der EZB abzuladen. Sie wissen: Andere Banken würden ihnen das nie abnehmen. Gegenmaßnahmen plant die EZB erst für Februar 2009.

Bildeten die Banken eine isolierte Welt, würde sich niemand um diese Probleme scheren. Unternehmen und Arbeitnehmer brauchen aber starke Banken, die sich vor allem gegenseitig vertrauen. Die Geschichte zeige, so Bob Doll, Leiter Anlagestrategie des US-Vermögensverwalter-Giganten Blackrock, „dass Störungen im Banken- und Finanzsystem fast immer massiv auf das Wirtschaftswachstum durchschlagen“.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%